Unter dem Druck wütender Landwirte haben französische Detailhändler und die Grossindustrie die Preise für 2024 verhandelt. Die Regierung griff mit widersprüchlichen Botschaften ein. Eigentlich hatte sie gefordert, dass die Preise sinken.
Lebensmittel in französischen Supermärkten werden in diesem Jahr im Schnitt 2 bis 3 Prozent teurer. Zwar sinken die Preise für einige ausgewählte Produkte wie Nudeln, Sonnenblumenöl, Kaffee oder Toilettenpapier. 80 Prozent der Lebensmittel werden allerdings teurer. Das ergaben die Verhandlungen zwischen den grossen Detailhändlern des Landes und der Grossindustrie. Bei den jährlich stattfindenden Gesprächen werden die Verkaufspreise für Markenprodukte festgelegt. Daraus ergeben sich dann die Preise in den Supermarktregalen.
Hersteller und Händler standen angesichts der Wut der Bauern im Land bei den Preisverhandlungen stark unter Druck. Die Landwirte beklagen Existenznöte und fordern, dass die Grossindustrie faire Preise bietet und heimische Produkte im Supermarkt noch stärker bevorzugt. Die französische Regierung kündigte deshalb an, grosse Detailhändler und die verarbeitende Industrie streng zu bestrafen, sollten diese gegen den gesetzlich vorgeschriebenen Grundsatz eines fairen Einkommens für Bauern verstossen.
«Wir werden Hersteller und Händler nun massiv kontrollieren und, wo nötig, Strafen verhängen», sagte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire nach den Preisverhandlungen . Die Bussen könnten bis zu 2 Prozent des Umsatzes betragen, so der Politiker. Ausserdem solle öfter kontrolliert werden, ob ein Produkt tatsächlich aus heimischer Produktion stamme, um eine Unterwanderung des französischen Marktes zu verhindern. In den letzten Jahren hatten immer mehr grosse Konzerne aus Industrie und Handel ihre Einkaufszentralen ins Ausland verlegt und importierte Ware als französisch deklariert.
Zweiter Preisanstieg innert kürzester Zeit
Die Wut der Bauern angesichts des Preiskampfs brachte Le Maire in eine Zwickmühle. Im Zuge des Ukraine-Krieges sind die Lebensmittelpreise in Frankreich in den letzten zwei Jahren durchschnittlich 20 Prozent teurer geworden. Die Gesamtinflation lag 2023 bei knapp 5 Prozent.
Viele Franzosen ächzten unter den hohen Lebenshaltungskosten. 2024 ist die Erhöhung der Lebensmittelpreise schon der zweite Preisanstieg, den sie innert kürzester Zeit verdauen müssen: Die Regierung hatte kürzlich den Preis für Atomstrom verteuert, so dass die Stromrechnung der Franzosen in diesem Jahr deutlich höher ausfallen dürfte.
«Shrinkflation» soll deklariert werden
Dabei hatte Bruno Le Maire die Inflationsbekämpfung eigentlich zur obersten Priorität erklärt und die Grosskonzerne aus der Lebensmittelindustrie und dem Handel dazu gedrängt, die Preise für 2024 zu senken. Um eine frühe Einigung zu erzwingen, ordnete er deshalb an, dass die Preisverhandlungen schon früher stattfinden und eher beendet werden. Normalerweise dauern sie bis im März. Hersteller und Händler kritisierten gleichermassen, dass die Regierung die Verhandlungen stark zu beeinflussen versuchte.
Die grossen Lebensmittelkonzerne sind ausserdem im Visier des Wirtschaftsministers, weil dieser der sogenannten Shrinkflation den Kampf angesagt hat. Künftig sollen in Frankreichs Supermärkten alle Produkte, bei denen weniger Verpackungsinhalt zu gleichen oder höheren Preisen angeboten wird, deutlich gekennzeichnet werden. Wenn die EU-Kommission in Brüssel der Massnahme, die auch ausländische Hersteller betrifft, zustimmt, wird sie im März in Kraft treten.
Bei der Supermarkt-Kette Carrefour ist man der Entscheidung schon zuvorgekommen. Carrefour-CEO Alexandre Bompard legte sich im Januar öffentlichkeitswirksam mit dem amerikanischen Grosskonzern Pepsico an und verbannte dessen Produkte kurzzeitig aus seinen Regalen. Der Hersteller von Pepsi, Lipton Eistee oder den Lys-Chips erhöhe ungerechtfertigt die Preise und betreibe «Shrinkflation». Neben knapp 30 Produkten klemmt in jeder Carrefour-Filiale seither ein Schild, auf dem steht: «Bei diesem Produkt ist das Volumen oder Gewicht gesunken und der effektive Preis des Lieferanten gestiegen.»
Pepsico zeigte sich von den Vorwürfen unbeeindruckt und wies diese mit dem Hinweis zurück, man habe aufgehört zu liefern, weil man sich noch nicht über die Preise einig sei. Von den Preiserhöhungen ist das Unternehmen nicht abgerückt. In den kommenden Tagen werden die neuen Preisschilder angebracht, die Warnung vor «Shrinkflation» dürfte bleiben.