Die Konzessionen für viele Wasserkraftanlagen laufen aus, die Bergkantone und -gemeinden wollen Eigentümer werden. Sie hoffen auf höhere Erträge, setzen sich aber einem riskanten Geschäft aus. Das sind die wirtschaftlichen Konsequenzen, wenn die öffentliche Hand zur Stromproduzentin wird.
Der Schweizer Strommarkt steht vor einem Wandel. Zahlreiche Konzessionen für Wasserkraftanlagen laufen in den kommenden Jahren aus. Über den sogenannten Heimfall wollen immer mehr Bergregionen nach dem Auslaufen der Konzession die Kontrolle übernehmen: Die Kantone und Gemeinden sollen statt der Stromkonzerne zu den Haupteigentümern werden.
Was bedeuten die veränderten Eigentümerverhältnisse wirtschaftlich? Werden die Endkunden merken, dass sich die wichtigsten Produktionsanlagen in neuen Händen befinden?
Kaum Effekte auf den Strompreis für Endkunden
Für die meisten Konsumenten dürften die veränderten Eigentümerverhältnisse bei den Wasserkraftanlagen kaum Folgen haben.
Die Mehrheit der rund 600 Stromversorger hat keine eigenen Produktionsanlagen, sondern kauft den Strom am Grosshandelsmarkt zu Marktpreisen und gibt diese dann an die Endkunden weiter. Hier haben die Eigentümerverhältnisse der Schweizer Wasserkraftanlagen keinen direkten Einfluss auf die Stromrechnung.
Bei Grundversorgern mit Eigenproduktion ist es möglich, dass sich der Heimfall auf die Endkundentarife auswirkt. Wenn das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) etwa Produktionsmengen aus eigenen Wasserkraftanlagen verliert, wird der Energieversorger die ausgefallene Menge stattdessen am Energiemarkt zukaufen müssen. Ob das für die Stromkunden eine teurere oder eine günstigere Stromrechnung bedeutet, hängt von der Beschaffungsstrategie ab.
Eine generelle Entwicklung lässt sich laut der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (Elcom) nicht voraussagen, da die Strompreise von zahlreichen Unsicherheitsfaktoren beeinflusst werden.
Die Bergkantone profitieren schon heute
Der Heimfall ist getrieben vom Wunsch der Bergregionen, den Gewinn aus der Wasserkraft in der Heimat zu behalten. «Über eine höhere Beteiligung an den Kraftwerksgesellschaften wollen wir erreichen, dass ein höherer Anteil der Wertschöpfung in Graubünden bleibt», sagt etwa die Bündner Regierungsrätin Carmelia Maissen.
Dabei profitieren die Bergregionen bereits heute von der Wasserkraft. Die Stromunternehmen zahlen ihnen nämlich jährliche Wasserzinse, eine stabile Einnahmequelle. Schweizweit belaufen sich die Wasserzinse jährlich auf mehr als 550 Millionen Franken. In manchen Bündner Gemeinden sind die Einnahmen aus den Wasserzinsen gar höher als jene aus den Steuern.
Zudem ist in manchen Konzessionsverträgen vereinbart, dass der örtliche Energieversorger seinen Strom vom Grossproduzenten zu vergünstigten Konditionen beziehen kann. Damit lässt sich auch erklären, wieso manche der stromgünstigsten Gemeinden des Landes bereits heute in den Kantonen Wallis und Graubünden zu finden sind.
Übernimmt eine Gemeinde eine Wasserkraftanlage vollständig, fallen diese Privilegien weg. Im Gegenzug bleiben allfällige Gewinne in der Region, statt an einen Stromkonzern im Mittelland zu fliessen. Doch die Profite, die sich die Bergkantone vom Besitz der Wasserkraftanlagen versprechen, sind alles andere als gewiss.
Ausgaben stabil, Einnahmen schwanken
Auf der Ausgabenseite ist die Wasserkraftproduktion gut planbar: Die Kosten für die Instandhaltung und den Betrieb sind für die jeweilige Anlage über die Jahre hinweg relativ stabil, sofern keine grösseren Erneuerungsbauten anstehen.
Ganz anders ist die Situation auf der Einnahmenseite. In den letzten Jahren war das Geschäft mit der Wasserkraft profitabel, die Produzenten konnten ihre Mengen zu hohen Preisen am Grosshandelsmarkt absetzen. Noch vor wenigen Jahren war das Preisumfeld allerdings ein anderes: Die Strompreise waren so tief, dass man mit der Wasserkraft kaum Geld verdiente.
Das bereitete auch dem Bundesamt für Energie Sorgen, wie aus einem Bericht aus dem Jahr 2018 hervorgeht: «Ob und inwiefern die Schweizer Wasserkraft als Gesamtes in diesen Jahren noch in der Lage war, Gewinne zu schreiben, respektive das eingesetzte Kapital angemessen zu verzinsen, ist unklar.» Die Betreiber von Grosswasserkraftanlagen können seit 2018 eine Marktprämie beantragen, sofern sie die Elektrizität aus ihren Anlagen am Markt zu Preisen unterhalb der Gestehungskosten verkaufen müssen.
Mit dem Heimfall wären es nun die Gemeinden und Kantone, die sich diesen Unsicherheiten stellen müssen. Der Axpo-CEO Christoph Brand sagt dazu: «Den Gemeinden und Kantonen bieten sich durch den Heimfall Chancen – aber es gibt auch zahlreiche Risiken, zuoberst der Strompreis am Markt. Tiefe Preise führen schnell zu hohen Verlusten.»
Was bleibt von der Axpo noch übrig?
In der Tendenz sieht es danach aus, dass bei vielen Anlagen eine partnerschaftliche Lösung angestrebt wird. Beim Kraftwerk Salanfe etwa geht die Eigentumsmehrheit an die sieben beteiligten Gemeinden und den Kanton. Die bisherige Konzessionärin Alpiq bleibt aber als Minderheitsaktionärin mit 40 Prozent am Kraftwerk beteiligt und kann so weiterhin ihre Kenntnisse beim Betrieb der Anlage liefern.
Doch mit der zunehmenden Zersplitterung der Eigentumsverhältnisse verändert sich auch die Rolle der Stromkonzerne. Die Axpo etwa besitzt derzeit rund sechzig Wasserkraftanlagen, nach dem Abschluss der Konzessionsverhandlungen könnte es nur noch ein Bruchteil davon sein. Wenn im gleichen Zeitraum auch noch die von der Axpo betriebenen Atomkraftwerke vom Netz gehen, bleibt vom bestehenden Portfolio des grössten Stromproduzenten des Landes nicht mehr viel übrig.
Der Konzern, der 2022 als systemrelevanter Energieversorger unter den Rettungsschirm des Bundes gestellt wurde, verdient sein Geld dann halt grösstenteils im Ausland.