Der Technologieindex Nasdaq 100 hinkt dem Gesamtmarkt bereits seit drei Monaten hinterher. Hauptgrund ist die fehlende Kursdynamik der «glorreichen Sieben»: Nvidia, Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta Platforms und Tesla. Umso wichtiger wird, was die Tech-Riesen in den nächsten Tagen zum Geschäftsgang rapportieren.
Die Märkte suchen weiterhin nach Orientierung. Nach einem verhaltenen Start in die Woche hat der US-Leitindex S&P 500 am Dienstag 1% fester geschlossen. Der Nasdaq 100 mit den grössten Technologiewerten rückte 1,6% vor.
Für Bewegung sorgten einmal mehr Nachrichten aus China. Die Behörden in Peking geben sich zuversichtlich, dass das Wachstum der zweitgrössten Volkswirtschaft in diesem Jahr die Vorgaben der Regierung erfüllen wird. Zusätzliche Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft sind aber nicht angekündigt worden, was die Börsen enttäuscht hat.
In Hongkong sackte Leitindex Hang Seng am Dienstag nach der imposanten Rally der letzten Tage mehr als 9% ab. Die Verkaufswelle erfasste auch Aktien chinesischer Konzerne, die an den Börsen in New York kotiert sind. Der KraneShares CSI China Internet ETF (KWEB) büsste bis Handelsschluss 10% ein. Unter den Schwergewichten traf es Alibaba, Meituan und JD.com am härtesten.
In Mitleidenschaft gezogen wurde ebenso der Rohstoffsektor. Die Notierung für Öl der europäischen Referenzsorte Brent verlor gestern über 4% auf 77.55 $ pro Fass und gab einen Teil der jüngsten Avancen preis. Kupfer, Aluminium und Stahl gerieten ebenfalls unter Druck. Von Exxon Mobil und Chevron über BHP und Rio Tinto bis hin zu Freeport-McMoRan und Alcoa verzeichneten Rohstoffkonzerne Kursabgaben.
Die Reaktion macht klar: Die Entscheidungsträger in Peking haben hohe Erwartungen für beherzte Stimulusmassnahmen geweckt. Ob sie erfüllt werden, bleibt unklar. Spannend dazu sind die Einschätzungen von Jörg Wuttke, dem früheren Präsidenten der EU-Handelskammer in China: «Ein Game Changer wäre es erst, wenn man erkennen würde, dass sie schwierige Reformen durchführen. Fiskalpolitisch muss noch viel passieren», sagt er in diesem Interview mit The Market.
Einen guten Tag erlebten demgegenüber der Technologiesektor. Auftrieb verspürten vor allem Titel wie Nvidia, Broadcom und Palantir, mit denen auf künstliche Intelligenz gewettet wird – ein Kurmuster, das an den amerikanischen Börsen bis im Hochsommer besonders ausgeprägt war. Speziell Nvidia hat massgeblich dazu beigetragen, dass der S&P 500 seit Anfang Jahr ein beachtliches Plus von gut 20% verzeichnet.
Gemäss Jim Reid, dem Marktstrategen der Deutschen Bank, ist das die beste Performance für den US-Leitindex zu diesem Zeitpunkt im Jahresverlauf seit 2000. Besser auf Kurs waren amerikanische Aktien letztmals 1997.
«Abgesehen von den Einflüssen aus dem makroökonomischen Umfeld, von der Innenpolitik und von der Geopolitik wird die US-Berichtssaison ab dieser Woche im Mittelpunkt stehen», meint Reid hinsichtlich der weiteren Perspektiven an den Börsen.
«The Pulse» wagt in der heutigen Ausgabe deshalb einen Ausblick auf die anstehenden Unternehmensabschlüsse, die ab Ende Woche aus Corporate America eintreffen.
Die Dynamik lässt nach
Die Begeisterung für das Anlagethema künstliche Intelligenz ist zuletzt zwar wieder etwas aufgeflammt, die grosse Story im dritten Quartal war jedoch die schwache Performance von Big Tech – genauer gesagt der «glorreichen Sieben», auch «Magnificent Seven» oder kurz «Mag 7» genannt.
Der elitäre Club, zu dem Apple, Microsoft, Nvidia, Alphabet, Amazon, Meta Platforms und Tesla zählen, war seit Anfang 2023 hauptsächlich für die erfreuliche Performance der amerikanischen Aktienmärkte verantwortlich. Seit der letzten Berichtssaison hat die Dynamik der sieben Superstars allerdings spürbar nachgelassen.
Nvidia, das Paradebeispiel für den KI-Hype, hat das letzte Allzeithoch bereits Mitte Juni markiert und bewegt sich seither unter grossen Schwankungen seitwärts. Im Fall von Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon und Tesla datiert die letzte Bestmarke auf die ersten Wochen im Juli. Nur die Aktien von Meta konnten seither weiter in Neuland vordringen und haben erst letzte Woche ein neues Allzeithoch erreicht.
Dass der Schwung auch sonst etwas verlorengegangen ist, zeigt die Performance nach Branchen. Aktien aus dem Bereich Rüstungstechnologie rückten angesichts der explosiven Lage im Nahen Osten in den vergangenen Monaten weiter vor. Ansprechend konnten sich zudem Valoren aus dem Biotech-Sektor halten. Im Gegensatz dazu ist es in der Halbleiterindustrie zu einer gewissen Konsolidierung gekommen. Insgesamt hinkt das Technologie-Barometer Nasdaq 100 dem Gesamtmarkt schon seit Mitte Juli hinterher.
Umso wichtiger wird, was die sieben Tech-Riesen in den kommenden Tagen zu den Aussichten auf den Geschäftsverlauf sagen. Den Auftakt zur Berichtssaison an Wallstreet machen diesen Freitag die Grossbanken JPMorgan und Wells Fargo. Die ersten Abschlüsse aus dem Tech-Sektor stehen ab nächster Woche an, wenn Netflix, der niederländische Halbleiterausrüster ASML und die taiwanische Chipschmiede TSMC die Zahlen vorlegen.
Richtig in Gang kommt die Saison der Unternehmensabschlüsse ab der Woche vom 21. Oktober mit den Geschäftsberichten von SAP, Alphabet, Texas Instruments, Tesla, IBM und Intel. In der darauffolgenden Woche steht dann der Höhepunkt mit den Quartalszahlen von Apple, Microsoft, Amazon, Meta und Samsung Electronics an.
Die Zinsen ziehen erneut an
Wie Investoren die Zahlen aus dem Tech-Sektor aufnehmen werden, hängt unter anderem von der konjunkturellen Grosswetterlage und der Grundstimmung an den Märkten ab. Zu den positiven Faktoren in dieser Hinsicht zählt, dass sich die Inflation weiterhin rasch zurückbildet.
Mehr Informationen dazu gibt es am Donnerstag, wenn der Index der Konsumentenpreise (Consumer Price Index, CPI) veröffentlicht wird. Ökonomen erwarten, dass sich die Inflation im September im Vorjahresvergleich weiter auf 2,3% reduziert hat; nach 2,5% im August. Die Kernrate (ohne Nahrungsmittel und Energie) soll auf 3,2% verharrt sein. Auf sequenzieller Basis wird gegenüber August mit einer Veränderung von 0,1% respektive 0,2% für die Kernrate gerechnet.
Dazu passt, dass die Inflation für amerikanische Konzerne in letzter Zeit etwas weniger problematisch erscheint. Gemäss dem Researchdienst FactSet hatten vor zwei Jahren mehr als 400 Unternehmen aus dem S&P 500 bei den Quartalsberichten höhere Preise für Güter und Dienstleistungen angesprochen. Im ersten Halbjahr 2024 waren es noch etwas mehr als 225.
Ob dieser freundliche Trend anhält, dürfte nicht zuletzt von den Energiepreisen und damit von der Entwicklung im Nahen Osten abhängen. Die Hoffnung auf eine weiche Landung, bei der die Inflation weiter abklingt und die US-Wirtschaft eine Rezession vermeidet, hat sich am vergangenen Freitag durch überraschend solide Daten zum Arbeitsmarkt verstärkt. Im September wurden 254’000 neue Stellen geschaffen, wogegen der Konsens mit 150’000 gerechnet hatte. Die Arbeitslosenquote hat sich von 4,2 auf 4,1% verringert.
Erfreulich sind ebenso Nachrichten zum Dienstleistungssektor. Wie der ISM-Einkaufsmanagerindex letzte Woche signalisiert hat, entwickelt sich dieser Bereich der amerikanischen Wirtschaft weiterhin ansprechend, während die Industrie in einer Kontraktion verharrt.
Dass die Zuversicht zu den Konjunkturaussichten zunimmt, reflektiert sich am Bondmarkt. Die Rendite auf zehnjährige US-Staatsanleihen ist Anfang Woche zurück auf über 4% geklettert, nachdem sie Mitte September auf annähernd 3,6% gesunken war. Auch der Dollar tendierte in den vergangenen Tagen fester.
Damit kommen neue Fragen auf, in welchem Umfang das Federal Reserve den Kurs der Geldpolitik künftig adjustieren wird. Die US-Notenbank dürfte den Leitzins voraussichtlich weiter senken, aber möglicherweise weniger energisch. Im Terminhandel wird inzwischen fest damit gerechnet, dass es beim nächsten Fed-Entscheid vom 7. November nur noch zu einem Zinsschritt von 25 statt 50 Basispunkten kommt. Auch für weitere Lockerungen indizieren die Futures-Märkte einen weniger steilen Pfad als noch vor wenigen Wochen.
Das Gewinnwachstum verlangsamt sich
Die forsche Haltung der US-Notenbank bei der Bekämpfung der Inflation hat Aktien aus dem Tech-Sektor in den vergangenen anderthalb Jahren nicht geschadet. Andererseits zündete die Aussicht auf Zinssenkungen ab Ende Oktober 2023 die kräftige Rally im Sektor, die bis zum Hochsommer angehalten hat.
Sollten die Zinsen weniger rasch sinken als erhofft, müssen für weitere Kursavancen die Fundamentaldaten stimmen. In den vergangenen Quartalen haben zwei Faktoren die Gewinnentwicklung von Tech-Konzernen gefördert: Erstens der positive Basiseffekt auf das Wachstum nach dem Abschwung im Jahr 2022. Zweitens höhere Margen durch Kosteneinsparungen.
Gemäss dem Datendienst LSEG erwarten Analysten, dass die Gewinne in der IT-Industrie im dritten Quartal um rund 15% gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Für das vierte Quartal gehen sie für eine Zunahme in etwa gleicher Grössenordnung aus. Das ist durchaus respektabel, impliziert allerdings eine deutliche Verlangsamung des Gewinnwachstums im Vergleich zu den letzten neun Monaten:
Besonders wichtig wird deshalb, was die Unternehmen bei der Präsentation der Quartalszahlen zum Ausblick bis Ende Jahr und darüber hinaus sagen. Der Analystenkonsens geht für das kommende Jahr mit einem anhaltend überdurchschnittlichen Umsatzwachstum von über 12% aus, wobei sich Margen und Gewinn im historischen Vergleich noch deutlich besser entwickeln sollen.
Wie bisher kommt den «glorreichen Sieben» dabei die Schlüsselrolle zu. Gemäss einer Analyse von Morgan Stanley waren die «Mag 7» in den vergangenen Quartalen praktisch für das gesamte Gewinnwachstum im S&P 500 verantwortlich und dürften bis auf Weiteres einen überragenden Beitrag dazu leisten:
Bemerkenswert ist, dass die Zuversicht für die operative Entwicklung der sieben Tech-Riesen in den vergangenen Wochen zugenommen hat. «Die Schätzungen zu den Konzerngewinnen für 2024 und 2025 wurden bei den Mag 7 wesentlich deutlicher nach oben revidiert als bei den restlichen 493 Unternehmen im S&P 500 insgesamt», halten die Strategen der US-Investmentbank fest. Das gilt allen voran für Nvidia, wie sich hier am Beispiel der Prognosen für 2024 zeigt.
Ähnlich sieht das Bild bei den Gewinnschätzungen für nächstes Jahr aus.
Heizt sich der KI-Boom erneut auf?
Wie realistisch diese Annahmen sind, hängt primär von einer Frage ab: Werden sich die immensen Investitionen in generative künstliche Intelligenz und grosse Sprachmodelle wie ChatGPT allmählich im Umsatz und Gewinn von Konzernen aus dem gesamten Tech-Sektor niederschlagen?
Klar ist, dass KI auch diese Saison die Berichtssaison die Unternehmenspräsentationen dominieren wird. Gemäss FactSet haben jeweils mehr als 200 Konzerne aus dem S&P 500 beim Abschluss zu den letzten beiden Quartalen über «Artificial Intelligence» bzw. «AI» gesprochen. Das dürfte in den kommenden Wochen kaum anders sein.
Wie gross das Interesse an der Technologie ist, verdeutlicht die jüngste Finanzierungsrunde von OpenAI. Das Startup hinter ChatGPT hat Anfang Oktober eine Rekordsumme von 6,6 Mrd. $ zu einer Bewertung von 157 Mrd. $ aufgenommen. Zusammen mit Venture-Capital-Firmen wie Thrive Capital und Altimeter Capital zählten Microsoft, Nvidia und Softbank zu den grössten Investoren.
Dass Aktien wie Nvidia und Broadcom in den vergangenen Tagen erneut an Momentum gewinnen konnten, hat denn auch mit Nachrichten zum Thema künstliche Intelligenz zu tun. Der Auftragsproduzent Foxconn sprach am Dienstag im Zusammenhang mit einer neuen Fabrik zur Montage von Elektronikkomponenten in Mexiko von einer «riesigen Nachfrage» nach Nvidias nächster Generation von KI-Chips. Zudem meldete der Server-Hersteller Super Micro Computer am Montag, dass er derzeit pro Quartal mehr als 100’000 KI-Chips mit Lösungen zur Flüssigkühlung ausliefere.
Nvidia präsentiert die Quartalszahlen erst gegen Ende November. Der wichtigste Indikator zur Entwicklung des KI-Booms ist deshalb, was Microsoft, Alphabet, Meta Platforms und Amazon zu ihren Kapitalausgaben sagen. Bisher haben sie die Prognosen zu den Investitionen in die IT-Infrastruktur jede Berichtssaison erhöht. Analysten gehen davon aus, dass es im dritten Quartal insgesamt 55 Mrd. $ waren, nach knapp 53 Mrd. $ im zweiten Quartal. Für die letzten drei Monate in diesem Jahr wird mit deutlich mehr als 58 Mrd. $ gerechnet.
Auffällig ist indes, dass sich das Narrativ verändert hat. Zunächst hatten Microsoft, Alphabet & Co. ihre massiven Investitionen mit der Aussicht auf rasches Wachstum dank neuen KI-Diensten begründet. Da grössere Einnahmen bisher aber ausgeblieben sind, wichen die Branchenriesen zuletzt auf das Argument aus, angesichts des enormen Potenzials der Technologie lieber zu viel zu investieren, als im Wettlauf gegen die Konkurrenz abgehängt zu werden.
Wenig Toleranz für Enttäuschungen
Entscheidend werden deshalb Anhaltspunkte sein, ob der KI-Boom endlich an Breite gewinnt und sich nicht mehr nur auf eine Handvoll Unternehmen konzentriert, die von den präzedenzlosen Investitionen in Computerchips, Rechenzentren und andere Infrastruktur profitieren.
Anzeichen dafür, dass Investoren diesbezüglich allmählich ungeduldig werden, gab es in der letzten Berichtssaison. Von den «glorreichen Sieben» konnte damals nur Meta Platforms mit den operativen Kennzahlen überzeugen, was wohl der Grund für die mehrheitlich durchwachsene Kursperformance der restlichen sechs Schwergewichte ist. Selbst der phänomenale Abschluss von Nvidia ist Ende August auf eine negative Reaktion gestossen.
Abgesehen von den Investitionen in künstliche Intelligenz gestaltet sich das Umfeld für die meisten Tech-Konzerne zudem nach wie vor schwierig. Die Erholung des PC-Markts bleibt schleppend, Hoffnungen auf eine nennenswerte Belebung dank KI-optimierten Geräten haben sich vorerst verflüchtigt. Der mässige Verkaufsstart der neusten iPhone-Generation von Apple legt ähnliche Schlussfolgerungen für das Smartphone-Geschäft nahe.
Vor diesem Hintergrund bewegen sich die Bewertungen auf einem überaus stolzen Niveau. Wie diese Grafik des Aktienresearch von Bank of America illustriert, war das Verhältnis von Umsatz zu Unternehmenswert im Tech-Sektor nicht einmal auf dem Zenit der Internetblase von 1999/2000 so hoch wie heute.
Auch im Vergleich mit anderen Sektoren sind Aktien von Tech-Konzernen alles andere als günstig. Auf Basis der Analystenschätzungen für die nächsten zwölf Monate beträgt das Kurs-Gewinn-Verhältnis 28. Beim S&P 500, der historisch gesehen selber zu einer stattlichen Prämie bewertet ist, beläuft es sich auf 23.
Unter diesen Voraussetzungen ist die Toleranz für Enttäuschungen gering. «Die Messlatte liegt hoch», meint dazu Scott Chronert, Aktienstratege bei Citigroup. «Unser Bewertungsmodell zum erwarteten Wachstum lässt insgesamt wenig Spielraum für Fehltritte», fügt er hinzu.
Für die «glorreichen Sieben» und die amerikanischen Börsen generell werden die kommenden Wochen damit zum wichtigsten Test, seit der Boom im Bereich künstliche Intelligenz vor bald zwei Jahren begonnen hat.
Deep Diving
An dieser Stelle präsentieren wir wie immer einige Links, die einen vertieften Einblick in ein aktuelles Thema geben:
- Die Giganten aus dem Tech-Sektor setzen verstärkt auf Atomstrom, um ihre energiehungrigen Rechenzentren zu versorgen. Amazon und Microsoft haben dieses Jahr bedeutende Verträge mit Kernkraftwerksbetreibern in den USA abgeschlossen. Sowohl Microsoft als auch Google interessieren sich zudem für modulare Kleinreaktoren der nächsten Generation, die gegenwärtig in der Entwicklung sind. Das Magazin «The Verge» befasst sich in dieser Übersicht mit der Anfreundung von Big Tech und der Nuklearindustrie.
- Intel steckt in einer existenziellen Krise. Der vormalige Branchenleader im Halbleitersektor kämpft gegen die Zeit, um den technologischen Rückstand gegenüber Konkurrenten wie TSMC, Nvidia und AMD aufzuholen. Im Kern ist das Problem darauf zurückzuführen, dass sich Intel viel zu stark auf die kurzfristige finanzielle Performance konzentriert und Investitionen im technologischen Bereich vernachlässigt hatte. Die Online-Publikation «CTech» geht dem fatalen Fehler auf den Grund und zieht Parallelen zu ähnlichen Versäumnissen von Boeing und Cisco Systems.
- Matt Garman hat es bei Amazon weit gebracht: Er begann 2005 als Praktikant beim Online-Konzern und wurde diesen Juni zum CEO der Sparte Amazon Web Services (AWS) ernannt, dem grössten Cloud-Infrastrukturanbieter der Welt. In diesem Interview mit dem Startup-Magazin «TechCrunch» äussert sich Garman zu den Herausforderungen und Chancen von Amazon im Cloud-Geschäft und zu den neusten Trends im Bereich generativer künstlicher Intelligenz.
Und zum Schluss noch dies: We, Robot
Optimisten und Skeptiker sind auf den Anlass gleichermassen gespannt: Am Donnerstag präsentiert Tesla in Los Angeles ein lang erwartetes Update zur Strategie im Bereich autonomes Fahren und Robotaxis. Spekulationen auf bahnbrechende News von Elon Musk sind wohl ein Grund dafür, dass die Aktien seit dem Tief von Anfang August 27% vorgeprescht sind.
Der Hype im Vorfeld ist immens. Toni Sacconaghi, langjähriger Tech-Analyst in Diensten von Bernstein Research, warnt deshalb vor Enttäuschungen: «Wir glauben, dass es beim Robotaxi-Event vor allem um Visionen und weniger um unmittelbare Realisierungen oder zusätzliche Umsatztreiber gehen wird», hält er einem Research-Bericht fest.
Bekannt ist, dass Musk gerne grosse Versprechungen macht. Bereits 2016 hatte er grossspurig angekündigt, dass ein Tesla 2017 vollständig autonom von New York an die US-Westküste fahren könne. Seither sagt er jedes Jahr voraus, dass der Konzern nur noch ein Jahr von selbstfahrenden Autos entfernt sei – immer mit dem Kalkül, Investoren bei Laune zu halten.
Derweil eilt die Konkurrenz voraus. Die Google-Tochter Waymo bietet bereits Taxidienste mit autonomen Fahrzeugen in San Francisco, Los Angeles, Phoenix und bald auch Austin an. Die Software, die Tesla hingegen seit Jahren als «Full Self Driving» verkauft, ist de facto ein Marketingtrick, weshalb diverse Klagen und Ermittlungen gegen das Unternehmen laufen. Vor wenigen Wochen wurde das Angebot denn klammheimlich auch als «Full Self-Driving (Supervised)» umbenannt; also nur anwendbar unter Aufsicht eines Menschen.
Im Bereich Autonomie steckt Teslas «Autopilot» weiterhin bloss auf Level 2 fest, während andere Fahrzeughersteller wie Hyundai schon erste Dienste auf dem Level 4 auf den Strassen testen. Die Koreaner haben im Sommer 2021 zudem Boston Dynamics übernommen, ein Leader auf dem Gebiet humanoider Roboter, wo Tesla bisher ebenfalls nichts wirklich Überzeugendes präsentieren konnte.
Das Hauptproblem ist jedoch, dass sich das Wachstum im operativen Kerngeschäft markant abschwächt. Wie Tesla letzte Woche berichtet hat, wurden im dritten Quartal 462’890 Elektrofahrzeuge ausgeliefert, rund 6% mehr als in der Vorjahresperiode respektive ein sequentieller Zuwachs von 4% gegenüber dem zweiten Quartal. Das Unternehmen blieb damit hinter den Analystenschätzungen von 463’310 Fahrzeugen zurück.
Eine baldige Trendwende ist nicht in Sicht. Speziell in China nimmt der Wettbewerbsdruck von heimischen Konkurrenten wie BYD, Geely, Li Auto und Nio zu. In den USA liegt Tesla zwar immer noch weit vorne, aber Wettbewerber wie Rivian und traditionelle Hersteller wie Ford und General Motors bauen ihr Angebot aus. Wie auch in Europa sinkt zudem die Nachfrage nach Elektroautos generell.
Es ist gut möglich, dass Elon Musk diese Woche einmal mehr die Fantasie seiner Fans anheizt. Den Slogan zur Präsentation, die auf dem Areal der Filmstudios von Warner Bros. Discovery stattfindet, hat er mit «We, Robot» Hollywood abgekupfert. Im Medienrummel geht dabei weitgehend unter, dass es den vergangenen Tagen zu einer Reihe weiterer Abgänge im Top-Management gekommen ist.
Historisch ist Teslas Aktienperformance nach Produktpräsentationen jedenfalls wenig berauschend: Wie Bernstein-Analyst Sacconaghi auf Basis der Kursentwicklung seit 2019 vorrechnet, notieren die Titel eine Woche später durchschnittlich 6% tiefer. Nach zwei Wochen stehen sie noch knapp 5% im Minus.
Die Kursreaktion kann dieses Mal natürlich auch positiv ausfallen. Die zu einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 90 bewerteten Titel bleiben aber, was sie schon immer waren: eine hochriskante Spekulation auf die ferne Zukunft.