Es gibt immer mehr Bahnhöfe, deren gastronomisches Angebot auch Foodies und Feinschmecker anlockt. Wir verraten, in welchen Restaurants Sie einkehren sollten, damit Sie bei der nächsten Zugreise nicht auf ein abgepacktes, fades Sandwich zurückgreifen müssen.
Der Gare de Lyon war schon immer ein Ziel der Pariser Gourmets. Zu Scharen pilgerten sie in das berühmte, opulent im Belle-Époque-Stil ausgestattete Restaurant «Le Train Bleu», das 1901 eröffnet und nach den Nachtzügen, die zwischen Paris und Nizza verkehrten, benannt wurde.
Seit dem vergangenen Sommer bietet der Bahnhof eine zweite kulinarische Attraktion: Die sonnige Brasserie «Marius» verbindet zumindest gastronomisch die Hauptstadt mit der Küche der Provence, die heute nur 5:36 TGV-Stunden entfernt liegt. Trotzdem: Wer in Paris südländisch essen will, muss nicht so weit weg. Yoni Saada, Küchenchef im «Marius» und bekannter TV-Koch der Grande Nation, bietet Gerichte, die nach Sonne und Gewürzen schmecken und sich nicht auf Frankreich beschränken, sondern den gesamten Mittelmeerraum einbeziehen.
Im «Marius» gibt es unter anderem den Lieblingssnack der Tunesier, Brick à l’œuf de la Goulette, ein knuspriges Gebäck, das mit Ei, Thunfisch, Kartoffeln und Petersilie gefüllt ist und mit Harissa serviert wird. Während das Restaurant «Le Train Bleu», das sich immer noch im Zwischengeschoss des Bahnhofs befindet, weiterhin eine Hochburg der grossen gallischen Küche bleibt, hat das «Marius» mit sommerlichen Aromen und günstigen Preisen schnell eine Fangemeinde unter jungen internationalen Reisenden gewonnen.
Nichts tröstet besser über unfreiwillige Wartezeiten am Bahnhof hinweg als ein gutes Glas Champagner. In der oberen Bahnhofshalle steht dafür eine im Art-déco-Stil gestaltete Champagner-Bar mit Aussicht auf die ein- und ausfahrenden Züge zur Verfügung. Vor dem Hintergrund von Tracey Emins stimmungsvollem Kunstwerk «I Want My Time With You» steht Europas längster Champagnertresen mit «Press for Champagne»-Klingelknöpfen, die sofort für Nachschub sorgen, und einer beeindruckenden Auswahl an Champagner von allen namhaften Produzenten.
Wem die kleine Snackkarte der Champagner-Bar nicht ausreicht, der kann sich in die Brasserie gegenüber begeben; ein elegantes Restaurant, das den altmodischen Glamour vergangener Zugreisen mit einer köstlichen britischen Speisekarte verbindet. Freitags und sonntags werden die Gäste zudem mit Soul- und Jazzmusik verwöhnt.
Man muss ein wenig suchen, aber es lohnt sich. Etwas abseits auf Gleis 2B des stets geschäftigen Amsterdamer Hauptbahnhofs gelegen, entführt das «1e Klas» mit seiner überraschenden Jugendstil-Grandezza in eine längst vergangene Zeit, in der alles ruhig, gediegen und grosszügig war.
Auf der Speisekarte stehen leckere Snacks wie Mini-Käsesoufflés, frittierte Tintenfische oder knusprige Pommes frites, aber auch flämischer Rindfleischeintopf mit Kartoffelpüree und Rotkohl oder Entenbrust mit Orangen und Grand-Marnier-Sauce. Sehr beliebt sind der High Tea mit Suppe, Sandwiches und süssen Scones sowie die Probierplatte mit Kroketten und Bitterballen (niederländische Fleischbällchen).
Eher ein Imbiss als ein Restaurant, aber die Gäste, die zu fast jeder Tageszeit vor der Tür warten, lassen vermuten, dass hier etwas Besonderes geboten wird. Die berühmten Schiacciate des «Antico Vinaio» stammen ursprünglich aus der Toskana, sind aber mittlerweile auch in Dubai, New York und Los Angeles erhältlich und bestehen aus frischem, in Olivenöl gebackenem Schiacciata-Brot und einer Füllung nach Wahl. Der Renner ist die «Favolosa» mit Sbriciolona-Salami, Pecorino-Käse, Artischockencrème und leicht pikanten Auberginen. Wer sich nicht entscheiden kann, nimmt eine der wechselnden saisonalen Kompositionen und setzt sich mit einem kühlen Glas Vermentino auf die rundum verglaste Terrasse.
Wer die Wahl hat, hat die Qual – seit der Südflügel des Zürcher Hauptbahnhofs für 150 Millionen Franken saniert und als hochkarätige Gastronomie-Location wiedereröffnet wurde, ist er zum Treffpunkt der lokalen Gourmets geworden. Im «Yardbird» geniesst man knusprig gebratene Pouletflügel, im «San Gennaro» eine köstliche Pizza napoletana, und in der «Brasserie Süd», dem vierten Restaurant im Portfolio des Zürcher Dream-Teams Nenad Mlinarevic und Valentin Diem, gibt es moderne Bistrogerichte, die unkompliziert klingen und hervorragend schmecken.
Echte Gourmets aber werden das ebenfalls zum Restaurantimperium von Nenad Mlinarevic und Valentin Diem gehörende und mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete «The Counter» wählen. Es besteht tatsächlich nur aus einem Counter mit Hochstühlen, von denen aus man dem Küchenchef Mitja Birlo und seinem Team bei der Arbeit zuschauen kann.
Sellerie-Pastrami an Rote-Bete-Sauce, Bao-Bun mit geschmorter Rinderbrust, Kaviar mit Leche de Tigre und Gemüse, Zander aus dem Lago Maggiore auf mit Vanille aromatisierter Buttersauce sind nur ein paar Beispiele des köstlichen und optisch ansprechend präsentiertem Menus. Dazu: ein versiertes Serviceteam unter der Leitung von Florentina Birlo und eine phantastische Weinauswahl.
Der 1888 eröffnete Bahnhof Sirkeci war Istanbuls historische Endstation für Züge aus Europa, auch der legendäre Orientexpress beendete hier seine mehrtägige Reise aus Paris. Heute wird der Bahnhof täglich von Tausenden Reisenden frequentiert, doch das «Orient-Express-Restaurant» liegt seit über 130 Jahren fast unbemerkt in einer ruhigen Ecke und fasziniert zunächst durch seine schöne Architektur und die schlicht-elegante Einrichtung.
Unter der hohen Decke und den kreisrunden, gemusterten Fenstern der beiden Gasträume hängen Schwarz-Weiss-Fotos mit Agatha-Christie-Motiven an den Wänden, dazwischen sitzen Einheimische und gut informierte Reisende bei türkischem Kaffee oder Tee mit frischer Minze. Kellner in weissen Jacken servieren Köfte, Kebab und Krem Karamel, Fans des berühmten Zuges können anschliessend den Bahnsteig hinunterschlendern und das kleine, kostenlose Orient-Express-Museum besuchen.
Versteckt im Stockholmer Ostbahnhof liegt ein Restaurant, das so gut ist, dass die Einheimischen es auch dann aufsuchen, wenn sie gar nicht verreisen wollen. Das Restaurant «Järnvägsrestaurangen» wurde 1932 im nüchternen Stil des Funktionalismus eröffnet und ist seitdem praktisch unverändert geblieben: Die hellen Birkentische und -stühle sind noch die gleichen, die das Kaufhaus NK bei der Eröffnung geliefert hat. Lediglich eine Trennwand wurde in den 1950er Jahren eingezogen, um den Alkoholausschank vom «trockenen» Bereich zu trennen.
Auch die Besitzverhältnisse haben sich kaum verändert: Seit 1935 wird das Bahnhofsrestaurant von derselben Familie geführt, und dank ihrer Hartnäckigkeit ist alles im Originalzustand erhalten geblieben. Das gilt auch für die Küche: Sie ist der schwedischen Hausmannskost treu geblieben und serviert traditionelle Gerichte mit viel Butter und Rahm. Das kurze und sehr preiswerte Mittagsmenu wechselt täglich, abends gibt es Klassiker wie gebratenen Salzhering mit Zwiebelsauce, Frikadellen mit Sahnesauce, Preiselbeeren und Kartoffelpüree sowie Zitronenmousse mit Lakritzflocken.