Tipps
Über kuriose Dating-Geschichten schmunzeln, beim Debattieren zuhören oder mehr über die schnellste Frau der Welt erfahren: Diese Podcasts begleiten uns durch den Sommer.
1. «Kaulitz Hills – Senf aus Hollywood»
Ob ich etwas mit Tokio Hotel anfangen kann oder nicht, sei dahingestellt – aber was mich in diesem Sommer in der Tat hingerissen hat, war die Netflix-Dokuserie «Kaulitz & Kaulitz», in der die Zwillinge Bill und Tom Einblick in ihr Leben geben. Die Reality-Soap gab zu reden und wurde im NZZ-Feuilleton gar als schönste Liebesgeschichte des Sommers bezeichnet. Nachvollziehbar, denn die Bande zwischen den beiden sind rührend, der Humor von Bill ansteckend, und ich war überrascht, wie meinungsstark die beiden untereinander diskutieren. Daraufhin wurde ich neugierig auf den Podcast der Zwillingsbrüder, der mich bis dahin nicht erreicht hatte.
In diesem Format sind die beiden noch lebendiger, manchmal auch ein wenig chaotisch in ihrem Schlagabtausch. Wenn sie sich etwa darüber Gedanken machen, wofür man in den Ferien auf keinen Fall Geld ausgeben sollte («Henna-Tattoos und Flechtfrisuren am Strand!»).
Den Charme dieser Unterhaltungen machen genau diese alltäglichen Fragen aus, die sie auch direkt von ihren «Kaulquappen», erhalten – so nennen sie liebevoll ihre Hörerschaft. Aber auch die kleinen und grossen Lästereien, die sie aus ihrer Komfortzone heraus betreiben, sind unterhaltsam, etwa über sogenannte «Luxusunterkünfte», in denen alles nur noch smart gesteuert werden könne. Unverfroren geben sie zu, wie sehr sie Klimaanlagen lieben – provoziert wird also auch. Manche ihrer Schilderungen haben wir selbst schon erlebt oder gehört, dann entsteht der Ja-genau-Effekt, und wenn nicht, hat man beim Abendessen in den Ferien Gesprächsstoff, etwa darüber, ob die Klimaanlage in unserem Hotelzimmer nun okay ist oder nicht.
Text: Kerstin Netsch
2. «Flo-Jo – Die Jagd nach der schnellsten Frau der Welt»
Okay, ich gebe es zu: Ich habe bis vor kurzem noch nie von der amerikanischen Athletin Flo-Jo (mit vollem Namen Florence Griffith-Joyner) gehört. Meine Redaktionskollegin Sonja Siegenthaler berichtete von ihren legendären Looks, die bis heute Stars wie Taylor Swift, Beyoncé oder den Tennisprofi Serena Williams beeinflussen. Schon da wurde ich neugierig, wer diese Frau mit diesen grossartigen Outfits und den auffälligen Fingernägeln war und weshalb ich noch nie von dieser Leichtathletin gehört habe, obwohl sie bis heute die Weltrekorde auf 100 Meter und 200 Meter hält. Im Jahr 1998 verstarb Florence Griffith-Joyner im Alter von nur 38 Jahren – was ist passiert?
Diesen und noch vielen weiteren Fragen gehen die beiden «Magazin»-Reporter Christof Gertsch und Mikael Krogerus in ihrem soeben erschienenen Podcast «Flo-Jo – Die Jagd nach der schnellsten Frau der Welt» nach. Eine Geschichte, die mich so sehr fesselt, dass ich mir einen Kalendereintrag erstellt habe: Jeden Donnerstag gibt es eine neue Episode zu hören; heute (am 1. August) erscheint die 4. Folge von insgesamt sieben. Und noch immer habe ich so viele Fragen.
Der Podcast ist eine Produktion des «Tages-Anzeigers» und der «Süddeutschen Zeitung» und begleitet mich durch diesen Olympiasommer in Paris, der mich eigentlich nur wenig interessiert. Allen, die noch eine lange Ferienhinfahrt oder -rückfahrt mit dem Auto vor sich haben, empfehle ich, die Geschichte am Stück zu hören. Die erste Folge ist kostenfrei, danach benötigt man ein Tamedia-Abo.
Text: Lea Hagmann
3. «1000 erste Dates»
Was macht mehr Spass als daten? Ganz klar: Geschichten über Dates hören. Je kurioser oder romantischer sie sind, desto besser. Der Podcast «1000 erste Dates» setzt da an. Bei Lisa-Sophie Scheurell (in frühern Staffeln Ricarda Hofmann und Anna Dushime) erzählen Gäste von Dates, die man nicht erfinden kann, weil sie so einzigartig sind.
Die Folgen mit dem Gast Henning finde ich am besten. Henning datet viel und begibt sich gerne in Situationen, in die andere nie hineingeraten würden, zum Beispiel landet er bei einer Drogenbaronin zu Hause (Folge 79) oder probiert fragwürdige «Massage-Utensilien» aus (Folge 26). Andere Gäste erzählen von Gefühlen zwischen besten Freunden (Folge 89), berichten von Dark Rooms (Folge 96) und davon, wie es ist, in einer Datingshow teilzunehmen (Folge 44). Langweilig wird es nie – schliesslich stammen die Geschichten aus dem wahren Leben.
Text: Hannah Hitz
4. «Critics at Large»
Man müsse nicht immer alles so kritisch sehen, so werde ich manchmal von meiner Familie bei Diskussionen über Serien oder Filme gerügt. Doch, man muss, finde ich, oder zumindest: Man darf. So etwa, wie es Naomi Fry, Alexandra Schwartz und Vinson Cunningham seit letztem September wöchentlich in «Critics at Large» tun. Alle drei sind Autoren beim «New Yorker» und schreiben regelmässig über Literatur, Theater, Film und (Gott sei Dank!) auch über Reality-TV. In ihrem englischsprachigen Podcast beleuchten sie jeweils ein Oberthema, indem sie über kulturelle Texte dazu sprechen. Es geht um den Trend hin zur Langsamkeit, um den Fall Alice Munro (die verstorbene Nobelpreisträgerin wusste vom Missbrauch der Tochter durch ihren Ehemann, schwieg aber) und auch einmal um die Kunst der Kritik selbst.
Weil vorwiegend neue Filme, Serien, Bücher, Alben und Anlässe besprochen werden, die Themen aber meist auf der Metaebene stattfinden, trippeln die Folgen gekonnt auf der Grenze zwischen zeitlos und aktuell. Das wirkt weder bemüht noch verstaubt, denn Fry, Schwartz und Cunningham brillieren mit Humor und Begeisterung. Nach dem Hören will man sich in dem Thema vergraben, eines der erwähnten Bücher lesen oder einen bestimmten Film niemals sehen. Oder eben, in den Sommerferien mit Familie und Freunden darüber diskutieren.
Text: Jana Schibli
5. «Versus»
In US-Serien begegnen sie uns des Öfteren: Debattierklubs, in denen junge Menschen im College ihre Diskussionsfähigkeiten schärfen. Dabei muss man eine Position vertreten und verteidigen, ganz gleich, ob sie der eigenen Meinung entspricht oder ganz und gar nicht. Das gleiche Prinzip verfolgen die Journalistin Nicole Diekmann und der Publizist Stephan Anpalagan in ihrem Podcast «Versus».
Sie nehmen sich dabei jener Themen an, bei denen die Stimmung im Freundes- und Familienkreis schnell kippen kann, von Flugscham über die Uefa hin zur Vier-Tage-Woche. Die Positionen werden ausgelost. Ihnen beim intelligenten Schlagabtausch zuzuhören, ist gute Unterhaltung. Und ganz nebenbei kann man seinen Horizont deutlich erweitern.
Text: Malena Ruder