Vorsicht, Strahlung? Bei Röntgenuntersuchungen verwenden viele Praxen noch immer Schutzschürzen aus Blei. Dabei kann man sich die in den meisten Fällen sparen.
Mein Fuss tat beim Auftreten seit Wochen weh, der Orthopäde wollte sich ein genaueres Bild machen. Also folgte ich der Praxishilfe in den abgedunkelten Röntgenraum und nahm auf der Liege Platz, über der bereits das höhenverstellbare Aufnahmegerät schwebte. «Wenn Sie bitte noch das hier anlegen könnten?» Gemeint war eine schwere Schürze mit Bleieinlage für die besonders schützenswerten Anhängsel des Unterleibs.
Einerseits freute ich mich über die offenbar hohen Sicherheitsstandards der Praxis, andererseits fragte ich mich, ob dieser Schutz bei einer Röntgenaufnahme des Fusses wirklich nötig ist.
Dabei ist Vorsicht im Umgang mit ionisierender Strahlung durchaus angebracht. Im Jahr 1901 erhielt Wilhelm Conrad Röntgen den Nobelpreis für Physik für seine Entdeckung der «X-Strahlen», mit deren Hilfe sich Aufnahmen der Knochen im lebendigen Körper anfertigen liessen. Die Begeisterung war gross, das Wissen um die zellschädigenden und krebserregenden Eigenschaften der Röntgenstrahlung noch klein.
So kamen in den 1920er Jahren im Schuhhandel sogenannte Pedoskope in Mode, spezielle Röntgengeräte zur Überprüfung der Passform von Schuhen. Die bei einer typischen Nutzung anfallende Strahlungsbelastung war mit mehr als 100 Millisievert (mSv) aus heutiger Sicht schwindelerregend.
Moderne Röntgengeräte minimieren die Strahlenbelastung
Dagegen dürfte die nur Sekundenbruchteile dauernde Röntgenaufnahme meines Fusses mit einem modernen und hocheffizienten Gerät nur eine Dosis von rund 0,005 mSv beschert haben. Für Aufnahmen anderer Körperteile liegen die Werte laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) etwas höher: Ein geröntgter Zahn etwa schlägt mit 0,02 mSv zu Buche, eine für die Mammografie untersuchte Brust mit 0,4 mSv. Zum Vergleich: Die natürliche Hintergrundstrahlung pro Jahr liegt in der Schweiz fast beim Zehnfachen.
Tatsächlich fällt auch laut der Eidgenössischen Kommission für Strahlenschutz die Strahlenbelastung durch medizinische Untersuchungen heute kaum noch ins Gewicht. Dadurch sei auch der Einsatz von Patientenschutzmitteln wie Bleischürzen weitgehend überflüssig geworden. Die Kommission empfahl dem BAG letztes Jahr eine entsprechende Anpassung seiner einschlägigen Richtlinien, wie sie in vielen anderen Ländern bereits erfolgt ist.
Eigentlich kann man sich die Bleischürze bei einer einfachen Röntgenaufnahme also getrost sparen. Nur ist den Patienten nicht immer leicht zu vermitteln, dass eine Massnahme, die früher sinnvoll war, heute obsolet sein soll. Das könne zu Verunsicherung und Ängsten führen, schreibt die Schweizerische Gesellschaft für Radiologie. Ärzte sollten daher das Sicherheitsgefühl ihrer Patienten im Auge behalten.
Aus diesem Grund dürfte auch mein Orthopäde noch am Schutzmäntelchen festhalten. Ich habe dagegen auch nicht viel einzuwenden. Die Qualität meines Röntgenbildes ist trotz der geringen Strahlendosis jedenfalls beeindruckend: Man sieht darauf deutlich die Ursache meiner Schmerzen: einen Fersensporn – eine kleine, gereizte Verkalkung an der Unterseite des Fusses, die sich hoffentlich von allein wieder beruhigen wird.
Bereits erschienene Texte unserer Kolumne «Hauptsache, gesund» finden Sie hier.