Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt spricht sich der ehemalige EZB-Vertreter neben mehr Kapital für «frühere Eingriffsmöglichkeiten» bei der Aufsicht aus. Ein Bankenexperte ist skeptisch, ob dies in der Praxis so einfach umsetzbar ist.
Am 1. April ist Stefan Walter als neuer Chef der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) gestartet, nun hat er mit einer ersten Rede erkennen lassen, wie er die Finma verändern will. Der deutsche Staatsbürger trat am Dienstag am Kleinbankensymposium im Berner Stade de Suisse auf, wo er aber vor allem über die Grossbanken sprach.
Walter kündigte an, dass er die Finma zu einer «Best-in-Class-Aufsicht» umbauen wolle. Die Finma soll unter den Finanzaufsichtsbehörden künftig zu den Klassenbesten gehören. Indirekt liess er so auch keinen Zweifel daran, dass er dies heute nicht für gegeben sieht. Hinter der Floskel steckt auch der Wunsch, in Zukunft früher in den Betrieb der Banken und vor allem den der UBS eingreifen zu können.
Walter hat vor seinem Wechsel in die Schweiz während mehrerer Jahre als Generaldirektor bei der Europäischen Zentralbank (EZB) systemrelevante Banken beaufsichtigt. In seiner Rede forderte er, dass die Finma analog zur EZB und zu den Aufsichtsbehörden in den Vereinigten Staaten die Kompetenz erhält, all ihre aufsichtsrechtlichen Instrumente auch im Normalbetrieb einzusetzen. In der Phase der Ruhe habe man den grössten Handlungsspielraum: «Die Finma muss schon vor der Phase der Instabilität eingreifen können», sagte er.
Hintergrund ist, dass es der Finma in den Monaten und Jahren vor der Credit-Suisse-Rettung im März 2023 nicht gelungen ist, die Bank mit aufsichtsrechtlichen Massnahmen zu stabilisieren. Das CS-Topmanagement setzte Auflagen der Finma nur widerwillig und mit Verzögerung um. Das soll sich unter Walter ändern.
Wie interventionistisch darf die Finma sein?
Gegen mehr Krisenprävention dürfte auch der Finanzplatz nichts einzuwenden haben. Heikel wird es allerdings, wenn behördliche Frühinterventionen die Wirtschaftsfreiheit der betroffenen Finanzinstitute auf exzessive Weise beeinträchtigen.
Walter ist sich dessen bewusst, stellt sich aber auf den Standpunkt, dass aufsichtsrechtliche Massnahmen in der Phase der Instabilität oft zu spät kämen. Wenn es zu diesem Zeitpunkt bereits einen Liquiditätsabfluss oder gar einen Bank-Run gegeben habe, könne eine Aufsichtsbehörde nur noch wenig ausrichten.
Damit spricht er die Situation im Oktober 2022 an, als die Credit Suisse zum Ziel eines Bank-Runs wurde; die Kunden der Bank zogen damals innert weniger Tage Einlagen in Milliardenhöhe ab. «Die wesentlichen Probleme beginnen typischerweise mit einer unzureichenden Risikokultur», sagte Walter. Erst später träten Kapital- und Liquiditätsprobleme auf.
Neue Forderungen stellte Walter in seiner Rede nicht, aber er betonte, dass die Finma künftig Kapitalausschüttungen und Vergütungen einschränken wolle, wenn in Stresstests Lücken bei den Eigenmitteln sichtbar würden. Entsprechende Vorschläge stehen auch im «Too big to fail»-Bericht des Bundesrates und im «Lessons learned»-Bericht der Finma.
Walter fordert «volle Kapitalisierung»
Walter bekräftigte auch die Forderung, dass die UBS künftig ihre ausländischen Tochtergesellschaften auf Stufe des Stammhauses mit mehr Eigenkapital unterlege. Die CS-Krise habe die Verwundbarkeit der Stammhäuser «schonungslos aufgezeigt». «Im Fall der UBS setzen wir uns für eine volle Kapitalisierung der Beteiligungen dieser Einheit ein», sagte er.
Damit befindet er sich bereits auf Konfrontationskurs mit dem UBS-Chef Sergio Ermotti, der davor warnt, bei den Eigenkapitalanforderungen zu überschiessen. Die Grossbank wies in den vergangenen Tagen wiederholt darauf hin, dass sie aufgrund auslaufender Eigenkapitalrabatte und höherer Anforderungen wegen des gestiegenen Marktanteils infolge der CS-Übernahme ohnehin gegen 20 Milliarden Franken an zusätzlichem Eigenkapital halten müsse.
Der Analyst Andreas Venditti von der Bank Vontobel spricht auf Anfrage von einem Auftritt, der zeige, dass der neue Finma-Direktor «erste Pflöcke» einschlagen wolle. Allerdings äussert er sich skeptisch, was die von Walter angestrebte Frühintervention betrifft: «Fast niemand sieht Krisen im Vornherein. Daher stellt sich automatisch die Frage: Was bedeutet intervenieren, wenn alles gut läuft?»
Stefan Walters Forderung nach mehr Eigenkapital auf Ebene des UBS-Stammhauses sei schwer zu beurteilen, solange man die genauen Eckpunkte nicht kenne, sagt Venditti weiter. «Es geht nicht nur um die Frage, ob man die Quote von sechzig auf hundert Prozent erhöht, sondern auch darum, welche Art von Kapital die UBS anrechnen kann.» Eine Möglichkeit bestehe darin, dass die Grossbank einen Teil des zusätzlichen Kapitalbedarfs durch die Ausgabe von nachrangigen AT1-Anleihen erfüllen könnte. Das letzte Wort hat allerdings die Politik.