In eineinhalb Wochen beginnen die beiden Parteien, über einen neuen bilateralen Vertrag zu verhandeln. Zeitlich hat die EU Druck. Gleichzeitig kämpft sie mit vielen Problemen. Die Schweiz ist da nur ein Randthema.
Am Freitagnachmittag kehrt im Brüsseler Europa-Quartier Ruhe ein. Das Wochenende steht bevor, der Apparat der EU läuft nicht mehr auf Hochtouren.
Zumindest in dieser Hinsicht hat der Bundesrat einen schlechten Zeitpunkt gewählt, um das Verhandlungsmandat für einen neuen bilateralen Vertrag mit der EU zu verabschieden. Während die Schweizer Regierung dazu ausführlich Erklärungen abgab, fiel die Reaktion der EU karg aus. Man begrüsse den Schritt des Bundesrates, liess die Kommission verlauten.
Diese Zurückhaltung hängt aber vor allem damit zusammen, dass der Ministerrat, also die Mitgliedsländer, der Kommission erst noch das Mandat erteilen müssen, mit der Schweiz zu verhandeln. Das dürfte am 12. März der Fall sein.
Ausführlicher äusserte sich Andreas Schwab, der Delegationschef des Europäischen Parlaments, zur Schweiz. «Es ist ein gutes Zeichen, dass der Bundesrat so kurz nach Ende der innerschweizerischen Konsultationsphase sein Verhandlungsmandat beschlossen hat», sagte der Politiker der Europäischen Volkspartei.
Die Wahlen als Unsicherheitsfaktor
Die EU strebt einen raschen Abschluss an. Dabei gab sich die Kommission stets zuversichtlich, eine Übereinkunft noch während der laufenden Amtszeit zu erzielen. Wie lange diese noch dauert, ist aber ungewiss. Zwischen dem 6. und dem 9. Juni finden die Wahlen zum europäischen Parlament statt. Danach müssen sich die Mitgliedstaaten auf die Besetzung der 27-köpfigen Kommission einigen. Das kann bis zum Oktober, aber auch länger dauern.
Der Parlamentarier Schwab fordert die Parteien zur Eile auf. Mit Blick auf die Wahlen dürften sie keine Zeit verlieren, sagt er. «Eine Verzögerung können sich die Vertragsparteien nicht leisten.»
Der verantwortliche EU-Kommissar Maros Sefcovic hat mehrfach betont, dass sich die Schweiz und die EU ein zweites Scheitern nicht erlauben könnten. Doch sind die wohl am 18. März beginnenden Verhandlungen die letzte Chance, um das Verhältnis der Schweiz und der EU zu klären? Darauf haben die Vertreter der EU nie eine Antwort gegeben.
Hingegen haben sie stets betont, dass man den Entwurf zum Verhandlungsmandat für ein gut balanciertes Paket halte. Wenn die Schweiz aber neue Themen aufbringe, werde das die EU auch tun, und dann werde es kompliziert, sagen EU-Parlamentarier.
Selbst bei jenen wenigen Abgeordneten, welche die politischen Abläufe der Schweiz halbwegs kennen, fehlt teilweise das Verständnis für deren Komplexität. Die Schweiz habe institutionell gesehen eine eher schwache Regierung und ein schwaches Parlament, sagt ein Abgeordneter. Das erschwere die Verhandlungen.
Die EU hat viele interne Baustellen
Für die EU hat der Vertrag mit der Schweiz eine verhältnismässig geringe Bedeutung. Die Verflechtung grenznaher EU-Regionen mit dem Land ist teilweise zwar sehr eng. So zieht zum Beispiel in der EU kein Staat so viele Grenzgänger aus der EU an wie die Schweiz; nur Luxemburg ist ein ähnlich starker Magnet für solche Arbeitskräfte.
Doch die EU hat grössere Sorgen als das schwierig gewordene Verhältnis zur Schweiz. So ist sie zum wichtigsten Unterstützer der Ukraine geworden. Dem von Russland angegriffenen Land hilft sie mit Milliardenbeträgen. Die Rolle der EU im Ukraine-Krieg als Geldgeber und Waffenlieferant dürfte noch bedeutender werden, da die USA als Unterstützer ausgefallen sind. Deren Hilfen stecken im Kongress fest.
Ferner kämpft die EU mit inneren Schwierigkeiten. So will sie eine grünere Landwirtschaft, doch dagegen lehnen sich die Bauern gewaltsam auf. Noch hat die Kommission kein Rezept dafür, wie sie die Landwirte wieder zufriedenstellen kann. Gewisse Vorschriften hat sie jedoch bereits wieder zurückgenommen.
Unruhe herrscht auch sonst in der Wirtschaft. Sie beklagt sich über eine fortschreitende Überregulierung. Die Kommission ist daher mit diversen Gesetzesvorhaben bei den Ländern jüngst nicht durchgedrungen.