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Die Mitgliedstaaten bringen nach dem Angriff der Islamischen Republik auf Israel neue Sanktionen auf den Weg. Diese betreffen die Produktion von Raketen und Drohnen. Vor der schärfsten Massnahme schreckt Brüssel aber zurück.
In der Frage, ob Sanktionen ein Regime dazu bringen, sein Verhalten zu ändern, gibt die Islamische Republik guten Anschauungsunterricht. Weltweit gilt Iran als das Land, das mit den meisten internationalen Strafmassnahmen belegt ist. Das führte bisher aber nicht dazu, dass Teheran darauf verzichtete, ein militärisches Atomprogramm zu entwickeln, Terrorgruppen in der Region mit Waffen zu versorgen oder die eigene Bevölkerung zu unterdrücken.
Auch die EU hat in den letzten Jahren zahlreiche Sanktionen gegen Iran verhängt. Jetzt sollen – als Reaktion auf die jüngste, massive Welle der Gewalt gegen Israel – neue dazukommen. Man plane, weitere restriktive Massnahmen gegen das Regime in Bezug auf Drohnen und Raketen zu ergreifen, heisst es in der Gipfelerklärung der Staats- und Regierungschefs, die sich am Mittwoch und Donnerstag in Brüssel trafen.
«Der Schlange die Zähne ziehen»
Was das konkret heisst, wollte der EU-Rats-Chef Charles Michel nicht sagen. Offensichtlich geht es darum, den Export von Komponenten, die bei der Produktion von militärischen Flugkörpern verwendet werden, von der EU nach Iran zu erschweren. Für Bauteile von Drohnen gilt das schon länger, aber anscheinend noch nicht für ballistische Raketen. Der israelische Aussenminister Israel Katz bedankte sich am Donnerstag jedenfalls bei den Europäern für den angekündigten Schritt, der helfe, «der Schlange die Zähne zu ziehen».
Weit weniger dürfte Katz gefallen, dass der Staatenverbund immer noch davor zurückschreckt, Irans mächtige Revolutionswächter auf die Terrorliste zu setzen. Das sogenannte Islamic Revolutionary Guard Corps (IRGC) ist nachweislich für etliche terroristische Aktivitäten und Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Auch am Angriff gegen Israel war es beteiligt. Trotzdem gibt es bis jetzt nur Sanktionen gegen einzelne Personen und nicht gegen die ganze Organisation, wie dies Israel fordert.
Seit langem setzt sich auch das EU-Parlament für die Einstufung der IRGC als Terrororganisation ein. Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock machte sich dafür ebenfalls in der Vergangenheit stark. Mittlerweile aber hat Berlin juristische Bedenken und verweist auf ein vertrauliches Rechtsgutachten, aus dem hervorgehen soll, dass die Voraussetzungen nicht gegeben seien. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell, der zu den stärksten Bremsern zählt, ist überzeugt, dass es erst einen nationalen Gerichtsentscheid brauche, um auf europäischer Ebene tätig zu werden. Diese Lesart ist aber umstritten.
Der Verdacht liegt nah, dass es sich Borrell nicht völlig mit dem Regime verderben will. Der Spanier klammerte sich bisher an die fragwürdige Hoffnung, dass die Gespräche über Irans Atomprogramm wiederbelebt werden könnten, und er will den Gesprächsfaden nach Teheran nicht verlieren. Dabei dürfte auch eine Rolle spielen, dass sich in iranischen Haftzellen immer noch mehr als zwei Dutzend europäische Staatsbürger befinden, die Teheran als politische Geiseln benutzt und um deren Leben die EU fürchtet.
Aufruf zur Deeskalation
Am Gipfel zeigten sich die Regierungen gespalten: Für den belgischen Ministerpräsidenten Alexander De Croo, dessen Land derzeit die Ratspräsidentschaft innehat, ist die Aufnahme der IRGC auf die Terrorliste überfällig. Sein spanischer Amtskollege Pedro Sánchez zeigte sich dagegen zufrieden mit der Abschlusserklärung, in der von neuen Sanktionen gegen die Revolutionswächter keine Rede ist.
Einig waren sich die Staats- und Regierungschefs dagegen in der Frage, dass eine weitere Eskalation unbedingt verhindert werden müsse. Teherans Luftangriffe wurden scharf verurteilt, dem jüdischen Staat sicherten die EU-Länder «volle Solidarität» zu. Die Aufforderung, «äusserste Zurückhaltung zu üben und keine Massnahmen zu ergreifen, die die Spannungen in der Region verstärken könnten», richtete sich jedoch explizit an beide Seiten. Mit anderen Worten: Israel solle nach dem Raketenbeschuss vom 14. April von einem Vergeltungsschlag absehen.
Das lehnte die israelische Regierung postwendend ab. Israel treffe seine Entscheidungen selbst und werde «alles Notwendige tun, um sich selbst zu verteidigen», sagte Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nach einem gemeinsamen Treffen mit Baerbock und dem britischen Aussenminister David Cameron.