Einige Versicherer schliessen mit Spitälern und Ärzten immer noch Verträge mit überteuerten Preisen in der Zusatzversicherung ab. Jetzt verliert die Finma die Geduld und droht mit schärferen Massnahmen.
Die Aufregung in der Branche war gross, als die Finanzmarktaufsicht (Finma) im Jahr 2020 bei den Krankenversicherungen einfuhr. Der Vorwurf der Finma: Die Krankenkassen verrechnen den Kunden zu hohe Kosten für Spitalaufenthalte in der halbprivaten oder der privaten Abteilung. Deshalb prüfte die Aufsichtsbehörde Rechnungen, die Spitäler und Ärzte zusatzversicherten Patienten gestellt hatten. Der Verdacht bestätigte sich.
In der Folge verlangte die Finma von den Krankenkassen, die Verträge mit den Spitälern und Ärzten bis Ende 2024 neu zu verhandeln. Es sollten nur noch Preise verrechnet werden, die den echten Mehrwert von Zusatzleistungen gegenüber der Grundversicherung widerspiegelten.
Diese Frist ist nun verstrichen. Und obwohl sich einiges getan habe, seien «wesentliche Probleme nach wie vor ungelöst und der Handlungsbedarf bleibe auch über 2024 hinaus akut», teilt die Finma mit. Die Kunden werden also von Krankenversicherungen, Spitälern und Ärzten in der Zusatzversicherung weiterhin geschröpft.
Hotellerie viermal so teuer wie kalkuliert
Besonders sauer stösst der Behörde auf, dass einige Versicherungen auch nach der ersten Rüge 2020 immer noch Verträge mit Spitälern abgeschlossen haben, deren Preise weit über den definierten Referenzwerten liegen. Die Finma nennt dazu ein Beispiel: Eine Krankenkasse hatte mit ihrem eigenen Bewertungsmodell für Hotelleistungen in der Halbprivatabteilung eines Spitals einen Referenzpreis von 191 Franken pro Nacht ermittelt. Schliesslich einigte sich die Versicherung mit dem Spital aber auf einen Preis von 855 Franken – also auf mehr als das Vierfache.
Zudem würden immer noch zu hohe Arzthonorare abgerechnet, schreibt die Finma. Und auch doppelte Abrechnungen von ärztlichen Leistungen, sowohl über die Grund- als auch über die Zusatzversicherung, gebe es nach wie vor.
Daher wird die Finma auch im Jahr 2025 wieder Kontrollen bei ausgewählten Krankenversicherungen durchführen. Sie wird weiterhin keine neuen Spitalzusatzversicherungsprodukte genehmigen, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Forderungen der Aufsichtsbehörde dauerhaft eingehalten werden. Verzögerungen bei der Umsetzung werden nicht mehr geduldet.
Sonst müssten die Krankenkassen mit «schärferen» und «weiterreichenden» Massnahmen rechnen, schreibt die Finma. Eine solche Massnahme wäre zum Beispiel ein Enforcement-Verfahren. Es ist das schärfste Instrument der Finma und kann bis zum Entzug der Bewilligung führen.
Marktbeherrschende Stellung der Belegärzte
Seitens der Krankenversicherungen kommt die abermalige Rüge der Finma nicht überraschend. Der Schweizer Versicherungsverband (SVV) veröffentlichte im Dezember bereits prophylaktisch ein Communiqué, in dem er klarstellte, dass bis zum Ablauf der Frist Ende Jahr erst 70 bis 80 Prozent der bestehenden 1700 Verträge neu würden verhandelt werden können.
Ab Januar 2025 seien daher gezielte Massnahmen bis hin zu Leistungsablehnungen unumgänglich, schreibt der Verband. Oberstes Ziel sei es, negative Auswirkungen auf die Versicherten zu vermeiden.
Schon länger ist in der Branche zu vernehmen, dass sich die Tarifverhandlungen mit den Belegärzten als besonders schwierig erweisen – vor allem in der Romandie. Bei Belegärzten handelt es sich um Spezialisten, die eine eigene Praxis führen. Sie schliessen mit einem oder mehreren Spitälern Verträge ab, damit sie deren Infrastruktur für die Behandlung ihrer Patienten nutzen können.
Der SVV bestätigt die Problematik mit den Belegärzten: Es gebe kantonale Verbände, an die praktisch sämtliche Belegärzte angeschlossen seien. Weil diese Verbände die Preise verhandelten, führe das faktisch zu einer marktbeherrschenden Stellung der Belegärzte. Auch bei den einzelnen Privatkliniken sei ihr Einfluss gross, weil sie in der Regel bei mehreren Spitälern akkreditiert seien. Vor allem in der Westschweiz führe das dazu, dass Privatspitäler daran gehindert würden, gemeinsam mit den Krankenkassen eine Lösung bei den Tarifen belegärztlicher Mehrleistungen zu erzielen – auch wenn die Spitäler willens dazu wären.
Mit der erneuten Rüge der Finma dürfte nun etwas Bewegung in diese Pattsituation kommen. So schreibt die CSS auf Anfrage: «Findet man mit den Kliniken oder Belegärzten keine Einigung, wendet die CSS stufenweise Sanktionierungsmassnahmen an. Diese reichen von Fakturierungsstopps über Rechnungskürzungen bis zur Anwendung einer Negativliste.»