Die Schweizer Uhrenindustrie blickt auf ein schwieriges Jahr zurück, und auch 2025 dürfte herausfordernd bleiben. Doch langfristig gibt es Grund zum Optimismus – nicht zuletzt wegen der «Gen Z».
Eine Rolex zu kaufen, war in den vergangenen Jahren ein frustrierendes Unterfangen. Für fast alle Modelle gab es Wartelisten. Die Uhren in den Schaufenstern trugen das Schild «Exhibition only» – man konnte sie anprobieren, aber nicht direkt kaufen.
Doch diese Zeiten könnten bald vorbei sein. Die Verfügbarkeit hat sich deutlich verbessert. Die durchschnittliche Wartezeit des Kunden bei autorisierten Rolex-Händlern für eine «Submariner» soll laut einer Analyse nur noch 60 Tage betragen; 2023 waren es noch 105 Tage gewesen. Weniger begehrte Modelle sind teilweise wieder direkt erhältlich.
Auf China zu setzen, war kein Fehler
Was Kunden freut, spiegelt eine unbequeme Realität: Die Nachfrage nach Schweizer Uhren sinkt. 2024 wurden weltweit 9 Prozent weniger Schweizer Uhren exportiert – insgesamt 1,6 Millionen Stück. Im Wert fiel der Rückgang mit 2,8 Prozent geringer aus, da sich teurere Modelle besser hielten.
Der Hauptgrund für den Abschwung ist China. In den letzten 25 Jahren entwickelte sich das Land von einem Nebenschauplatz zu einem der wichtigsten Absatzmärkte für Schweizer Uhren. Doch jetzt stockt die Nachfrage. Die Exporte nach Festlandchina brachen 2024 um 26 Prozent ein.
Besonders hart trifft es Marken, die stark auf China gesetzt haben. Die Swatch Group gehört dazu. Ihr Jahresergebnis fiel so enttäuschend aus, dass Nick Hayek sarkastisch bemerkte: «Das einzig Gute an den Geschäftszahlen 2024 ist, dass sie leicht zu übertreffen sind.»
War es also ein Fehler, auf China zu setzen? Nein. China bleibt ein riesiger Markt, der sich irgendwann erholen wird. Die Swatch Group wird den Abschwung verkraften. Kleinere Marken ohne Konzern im Hintergrund dürften es schwerer haben.
Noch viel Potenzial in den USA
Jetzt gilt es, neue Chancen zu nutzen. Indien ist ein Wachstumsmarkt, aber vor allem auch die USA. Der amerikanische Markt legte 2024 um 5 Prozent zu. Das kompensiert zwar nicht den Einbruch in China, dämpft aber die negativen Effekte. Inzwischen sind die USA nämlich mit Abstand der wichtigste Exportmarkt für Schweizer Uhren – grösser sogar als China und Hongkong zusammen.
Marken mit einer starken US-Präsenz haben deshalb ein gutes Jahr hinter sich. Rolex ist so eine Marke, aber auch Patek Philippe, Audemars Piguet, Breitling, TAG Heuer oder Omega. Die anderen sollten sich sputen, denn der amerikanische Markt hat noch Potenzial. Laut einer Studie von Morgan Stanley und Luxeconsult lag der Pro-Kopf-Umsatz von Schweizer Uhren 2024 in Frankreich bei 45 Dollar, in Grossbritannien bei 67 Dollar – in den USA hingegen nur bei 28.
Bleibt die Frage, ob sich dieses Potenzial ausnutzen lässt. Um die Begehrtheit von mechanischen Uhren steht es allerdings nicht schlecht. Uhren-Events boomen, Sammler zahlen hohe Preise für Klassiker. Auch die Jungen interessieren sich. Gemäss einer Umfrage besitzen in Deutschland 36 Prozent der Generation Z, Menschen mit Geburtsjahrgang 1995 sowie Jüngere, bereits eine Luxusuhr. Zudem planen sie doppelt so häufig wie andere Altersgruppen, innerhalb der nächsten zwölf Monate ein wertvolles Modell zu erwerben.
Tradition als Kaufargument
Die Schweizer Uhrenbranche hat gut daran getan, sich auf ihr historisches Erbe zu besinnen. Tradition allein verkauft zwar keine Uhren, aber sie ist ein überzeugendes Kaufargument. Die gefragtesten Modelle stammen aus den 1950er bis 1970er Jahren: Rolex «Submariner», Omega «Speedmaster», Patek Philippe «Nautilus», Audemars Piguet «Royal Oak». Diese Designs sind so ikonisch, dass sie nur behutsam weiterentwickelt werden dürfen. Zu grosse Änderungen könnten die Begehrlichkeit zerstören.
Gleichzeitig darf sich die Industrie nicht in eine exklusive Nische manövrieren. Die verkauften Uhren werden Jahr für Jahr teurer, immer weniger Marken erzielen hohe Stückzahlen. Umso wertvoller sind Initiativen wie die Moon-Swatch, die der Marke Swatch neue Impulse gegeben hat und junge Käufer anspricht.
Was wir derzeit erleben, ist ein zyklischer Abschwung – nichts Neues für die Uhrenindustrie. Kürzere Wartezeiten für Rolex-Kunden bedeuten also nicht den Niedergang der Schweizer Uhrenindustrie.