Der Deal der beiden Versicherer führt zu einer aufgeblähten Führung und folgt keiner zwingenden strategischen Logik. Für die Aktionäre wäre es besser, wenn die Baloise von einem grösseren Konkurrenten übernommen würde.
Vor einem Jahr kassierte der Baloise-Verwaltungsrat an der Generalversammlung einen Denkzettel: Mehr als drei Viertel der Aktionäre stimmten dafür, die Vinkulierungsklausel aus den Statuten zu streichen. Das Relikt aus dem letzten Jahrhundert hatte dazu gedient, die Ausübung von Stimmrechten zu beschränken, um die Unabhängigkeit des Versicherungskonzerns zu sichern.
Erreicht hat man genau das Gegenteil. Der Schutzschild der Vinkulierung machte den Versicherer träge und selbstzufrieden. In den vergangenen Jahren blieb die Baloise bei Rendite und Wachstum hinter der Konkurrenz zurück. Investitionen in neue Geschäftsmodelle wurden zum Flop. Die Folge waren Abschreiber in dreistelliger Millionenhöhe.
Aufgeblähte Führungsgremien in fusionierter Versicherung
Die Fehlschläge machten die Baloise zu einem einfachen Ziel für Angreifer. Der schwedisch-schweizerische Investor Cevian kaufte sich im letzten Sommer mit knapp 10 Prozent ein und forderte einschneidende Reformen: Die Baloise sollte das margenschwache Deutschland-Geschäft und die konzerneigene Bank abstossen. Doch der Verwaltungsrat blieb hart: Als einziges Zugeständnis erklärte er sich bereit, einen Vertreter des unbequemen Investors ins Führungsgremium aufzunehmen.
Noch vor dessen Wahl an der Generalversammlung am kommenden Freitag schafft die Baloise nun aber neue Fakten: Der Versicherer will sich in die Arme der Helvetia flüchten. Mit der Fusion soll die Nummer zwei im Schweizer Versicherungsmarkt und ein führender europäischer Versicherer entstehen.
Der Zusammenschluss soll zu Kosteneinsparungen von 350 Millionen Franken führen, vor allem durch Stellenabbau. Darüber hinaus sind die Vorteile aber schwer erkennbar. Baloise und Helvetia sind zwei Versicherer mit sehr ähnlichen Problemen. Durch die Fusion werden sie nicht gelöst, sondern zementiert, womöglich sogar verschärft.
Das zeigt sich bei der künftigen Führungsstruktur. Obwohl die Helvetia beim Austauschverhältnis die Überhand hat, bemühen sich die beiden Versicherer, die Fusion als Merger of Equals, als Zusammenschluss unter Gleichen, darzustellen. Niemand soll als Verlierer dastehen, beide sollen ein gleich grosses Stück vom Kuchen erhalten.
So geht der Präsidentensitz an die Baloise, während die Helvetia den CEO-Posten erhält. Im Verwaltungsrat stehen beiden Parteien je sieben Sitze zu, auch in der künftigen Geschäftsleitung teilen sich die Manager beider Firmen die Posten auf.
Dies mag interne Konflikte entschärfen, ist aber eine Hypothek für das Unternehmen. Der Verwaltungsrat wird auf 14 Mitglieder aufgebläht, die Geschäftsleitung sogar auf 15. Das liegt weit über der Grösse, die für solche Gremien optimal ist. Die Gefahr besteht, dass die Mitglieder alte Pfründe und Seilschaften verteidigen, statt schmerzhafte Reformen einzuleiten.
Zersplitterung im Auslandgeschäft
Auch im operativen Geschäft löst die Fusion die Probleme nicht. Bei beiden Firmen macht das wachstumsschwache Schweizer Lebensversicherungsgeschäft einen markanten Teil des Prämienvolumens aus. Weil die Zinsen sinken, dürften die Margen weiter unter Druck geraten. Etwas besser sind die Wachstumsaussichten im Sachversicherungsgeschäft. Dort bleibt die neue Helvetia Baloise aber nur ein Verfolger von Marktführerin Axa.
Noch mehr Sorge bereitet das Auslandgeschäft. Die fusionierte Versicherung wird künftig in sieben europäischen Ländern präsent sein. Im Deutschlandgeschäft dürfte ihr die kritische Grösse weiterhin fehlen. Statt in Marktmacht resultiert der Zusammenschluss in zusätzlicher Zersplitterung.
Die Aktionäre müssen sich gut überlegen, ob sie dem Deal an ihren Generalversammlungen in einem Monat zustimmen wollen. Ihnen werden zwar höhere Dividenden versprochen, wenn die Fusion einmal vollzogen ist, doch in den kommenden Jahren wird sie viel Geld kosten und die Organisation lähmen.
Für die Baloise-Aktionäre dürfte eine Übernahme durch einen grösseren Konkurrenten wie Zurich oder Allianz lukrativer sein. Sie sollten diesen die Zeit einräumen, bessere Angebote auf den Tisch zu legen.