Eine Ausstellung würdigt Christofle, den namhaften Hersteller von Silberbesteck, Prunkgeschirr und Tafelaufsätzen.
Zur Grundausstattung von Mahlzeiten im Alltag gehört das Bestecktrio Messer, Gabel und Dessertlöffel. Wie selbstverständlich legen gehobenere Restaurants und Haushalte zwar immer noch auch verschiedenes anderes Essgerät bereit, etwa für Fisch, Butter, Käse, Zucker oder hohe Eisbecher. Doch einst wurde zumindest in besseren Kreisen und bei besonderen Anlässen weit mehr Metall aufgefahren als heutzutage.
Wer auf sich hielt, bot seinen Gästen zum Lunch oder Dinner mehr als dreissig diverse Instrumente an, um standesgemäss zu speisen. So gab es spezielle Löffel für Oliven ebenso wie solche für Ragout, besondere Gabeln für kaltes Fleisch ebenso wie solche für Gürkchen, von Apparaturen zur Inangriffnahme von Austern, Schnecken, Spargel, Kompott oder Erdbeeren ganz zu schweigen.
Alte Warenkataloge, die Appetit gemacht haben, sich entsprechend auszustatten, sind nun Bestandteil einer Ausstellung des Pariser Musée des Arts décoratifs, die sich dem Aufstieg der Orfèvrerie Christofle zu einem namhaften Hersteller von Silberbesteck, Tafelaufsätzen, Prunkgeschirr und Accessoires widmet. Sie lässt die – in jeder Hinsicht glänzende – Geschichte des 1830 von dem Juwelier Charles Christofle in Paris gegründeten Unternehmens Revue passieren. Und verfolgt die lange in Familienbesitz gebliebene Silberschmiede bis in die Gegenwart.
Links: Teeservice, um 1891. Rechts: Servierlöffel, 1894.
Vom Überladenen zum Minimalistischen
Dazu gehören Gemälde und Werbegrafik, aber vor allem Objekte des 19., 20. und unseres Jahrhunderts, von Saucieren und Serviettenringen über Schmuck und Vasen bis zu ausladenden Kandelabern. Zu sehen sind Stiche und Fotografien der ehemaligen Werkstätten und Fabriken in Paris und der Vorstadt Saint-Denis – seit 1970 erfolgt die Produktion in Yainville bei Rouen. Auf alten Aufnahmen sind die historischen Präsentationsräume im Lustschlösschen Pavillon de Hanovre am Boulevard des Italiens zu bewundern. Zudem stehen produktionstechnische Aspekte des Metiers im Vordergrund, die Charles Christofle, sein Sohn Paul und vor allem sein Neffe Henri Bouilhet innovativ ausgebaut haben.
So wurden Erfindungen wie das Elektrolyseverfahren zur Versilberung oder Vergoldung nichtedler Metalle genutzt. Oder auch zur Herstellung von Galvanoplastiken, die hohl und damit leichter sind als Gusseisernes; sie wurden für Repliken historischen Kunsthandwerks benutzt. Dies und die zunehmende Verfeinerung mechanisierter Fertigungsprozesse kamen dem Unternehmen zupass, konnten indes handwerkliches Know-how, ja Handarbeit besonders beim Feinschliff und für die Politur bis heute nicht ersetzen.
Mit seinen Erzeugnissen zog Christofle seit den 1830er Jahren bei Pariser Gewerbeausstellungen und dann seit der ersten Weltausstellung, 1851 in London, auch international Aufmerksamkeit auf sich. Um die Nachfrage etwa aus «Kakanien» oder Polen zu bedienen, wurde von 1857 bis 1921 gar im badischen Karlsruhe produziert. Die jetzige Schau zeigt, wie sich Serien oder Unikate für herausragende Auftraggeber, unter ihnen Kaiser Napoléon III., stilistisch entwickelten, auch Tendenzen und Moden folgten oder ganz eigene Akzente setzten.
Man trifft dabei auf Spielarten des Historismus, die etwa der «Hildesheimer Silberfund» 1868 befeuert hat. Es gibt Variationen im Stil des Japonismus sowie des Orientalismus zu sehen. Über den Jugendstil und das Art déco gelangt man schliesslich zur Postmoderne und zum teils verspielten, teils unterkühlten Design der Gegenwart. Die Metamorphosen, denen Formen und Dekore im Lauf der Jahre und Jahrzehnte unterlagen, zeitigten eine enorme Spannbreite. Diese reicht vom Überladenen bis zum Sachlichen, wenn nicht Minimalistischen.
Links: Teekessel «Squash», um 1891. Rechts: Trinkbrunnen, 1873.
Gediegen tafeln in den Lüften
Aus der Geschichte der französischen Luxusindustrie ist die Maison Christofle nicht wegzudenken, wie Gäste der Grand-Hotels und exquisiten Restaurants nicht nur in Paris und an der Côte d’Azur wissen. Für solche Gaststätten war das Unternehmen seit den 1850er Jahren Lieferant. Mit dem Essgerät des edlen Herstellers wurden auch die Speisewagen des Orient-Expresses ausgestattet, die Salons und Luxuskabinen des transatlantischen Passagierdampfers «Normandie» und seit den 1920er Jahren Fluggesellschaften, die ihre Gäste an Bord stilvoll bewirten wollten. In solchen Genuss kamen nicht zuletzt die Reisenden im Überschallflugzeug Concorde.
Nicht gerade in aller Munde zu sein, sondern eine erlesene Klientel anzusprechen, gehörte zum Rezept. Der Übergang, besonders vom Prunk zelebrierenden Zweiten Kaiserreich zur nüchternen Dritten Republik, bremste Christofle aber keineswegs. So blieben bis in die jüngere Vergangenheit hinein prachtvolle Tafelaufsätze das Nonplusultra gedeckter Tafeln bei Staatsempfängen etwa im Élysée-Palast. Sie sorgten im Verein mit abgestimmtem Besteck für eine würdevolle Atmosphäre bei diplomatischen Tischgesprächen.
Als aufmerksamer Beobachter des gesellschaftlichen Wandels und neuer Bedürfnisse hatte der damalige Chef Tony Bouilhet in den dreissiger Jahren die Zusammenarbeit mit Zeichnern und Malern wie etwa auch Jean Cocteau begonnen. Er gründete dafür im Herzen der Hauptstadt, in der Rue Royale, 1942 eine Galerie, die bis 1975 bestand. Später öffnete er sich der Zusammenarbeit mit Designern aus Italien oder Skandinavien. Dies freilich, ohne den hohen französischen Anspruch an beste Qualität von Material und Formgebung aufzugeben.
«Christofle – Une brillante histoire», Musée des Arts décoratifs, Paris, bis 20. April. Katalog: 55 Euro.