Der Grossbäcker hat die erste Phase der Transformation geschafft. Ab 2025 muss das neue Management mit ambitionierten Zielen zeigen, dass die Reise noch nicht zu Ende ist. Das dürfte auch den Aktien Leben einhauchen.
Cashflow und Kapitalrendite rauf, Schulden runter und ein ansehnliches Wachstum: Aryzta hat ihre Ziele für 2025 mehrheitlich schon frühzeitig erfüllt, und auch das letzte, eine operative Marge von 14,5%, ist dieses oder spätestens nächstes Jahr nur noch Formsache, darüber sind sich Analysten wie Investoren einig.
Selbstverständlich ist diese Einigkeit keineswegs: Die Reaktionen auf die am Kapitalmarkttag im Frühsommer 2022 vorgestellten Mittelfristziele waren zunächst noch gemischt ausgefallen, teilweise galten sie als zu ambitioniert. Nur wenige glaubten wohl wirklich daran, dass dem Grossbäcker die Trendwende in weniger als drei Jahren gelingen würde. Doch CEO und VR-Präsident Urs Jordi hat allen gezeigt, dass Aryzta nach Jahren der Wertvernichtung tatsächlich Aktionärswert schaffen kann.
Seit dem besagten Tag im Juni 2022 haben die Aktien knapp 50% an Wert gewonnen. Im laufenden Jahr notieren sie jedoch unverändert, vom Höchst Mitte Mai haben sie gar 15% verloren.
In der heutigen Analyse geht The Market dem Grund für die Kursdelle bei Aryzta auf die Spur und analysiert, woher neue Treiber kommen könnten.
Die Transformation Aryztas in kurzer Zeit ist beeindruckend
Aryzta war am Boden, als Jordi im September 2020 das Ruder übernahm. Das Geschäft lief schlecht, Sorge bereitete insbesondere Nordamerika. Bereits bevor die Pandemie zu einem Umsatz- und Gewinneinbruch führte, fehlte die Vision, wie das Unternehmen zu Wachstum zurückkehren und die operative Marge steigern sollte. Gleichzeitig war die Nettoverschuldung 2019 auf über 6-mal Ebitda gestiegen. Vor allem aber war das Vertrauen der Investorengemeinde zerstört: Mittel aus zig Kapitalerhöhungen waren über die Jahre vernichtet worden, die Trendwende blieb dennoch aus.
Bereits in den ersten zwei Jahren gelang dem Management Erstaunliches. Geschäftsteile wurden zur Stärkung der Bilanz verkauft, die Strategie stark auf Bake-off ausgerichtet. Aryzta beliefert Hotels, Restaurants und selbst Kioske mit Brot und Brötchen sowie süssem und salzigem Gebäck zum Aufbacken. Der Grundstein für die erfolgreiche Transformation war gelegt.
Bis 2025 peilte das Unternehmen einen Umsatz von 2 Mrd. € an, bereits dieses Jahr dürften es gemäss den von Bloomberg erfassten Analysten rund 2,2 Mrd. sein. Auch sonst biegt Aryzta mit Blick auf die Mittelfristziele auf die Zielgerade ein. Der operative Cashflow dürfte bereits dieses Jahr den Mittelwert der Zielspanne von 160 bis 210 Mio. € erreichen, das Margenziel ist in Griffnähe, die Kapitalinvestitionen liegen bereits wie angekündigt bei rund 4% des Umsatzes. Und bis Ende des kommenden Jahres dürfte auch die letzte der drei teuren Hybridanleihen zurückgezahlt werden.
2024 ist dem Unternehmen nicht alles gelungen
Aryzta hat in den vergangenen zweieinhalb Jahren geliefert, 2024 ist in einem schwierigen Umfeld jedoch nicht alles gelungen: Beim organischen Wachstum hat das Unternehmen im ersten Halbjahr enttäuscht. Im Nahen Osten sah sich mit McDonaldʼs der mutmasslich grösste Kunde mit Kundenboykotten konfrontiert. Im dritten Quartal bereiteten die schwächeren Preiserhöhungen, die auf dem organischen Wachstum lasteten, Sorgen.
Die Inflationswelle der vergangenen Jahre habe ihre Spuren hinterlassen, sagt ZKB-Analyst Patrik Schwendimann. «In der Wahrnehmung der Konsumenten sind Lebensmittel heute teuer.» Vor allem in den USA bekundeten viele Lebensmittel- und Getränkehersteller in den vergangenen Quartalen Wachstumsprobleme, was in einzelnen Produktkategorien gar zu Preissenkungen geführt hat.
Hinzu kommt, dass sich der Anstieg der Rohstoffkosten vorübergehend abgeschwächt hat. Aryzta-Chef Jordi verweist zwar gerne darauf, dass die Butterpreise und die Lohnkosten weiter nach oben zeigen, aber gerade beim Weizen hat sich die Lage entspannt. Die Zeit der aussergewöhnlich hohen Inflation und der damit verbundenen starken Preissteigerungen ist vorbei. «Der Preiseffekt dürfte damit insgesamt für die Nahrungsmittelindustrie auf ein Wachstum im tiefen einstelligen Prozentbereich zurückkehren, allerdings stark abhängig von der einzelnen Produktkategorie», glaubt Schwendimann.
Wachstumsherausforderungen bleiben
Mit diesen Herausforderungen hat nicht nur Aryzta zu kämpfen. Martin Lehmann, CEO von 3V Asset Management, interpretiert die derzeitige Kursschwäche denn auch eher als ein Problem im gesamten Sektor und nicht unbedingt als Skepsis dem Unternehmen gegenüber. Tatsächlich ist die Kursentwicklung anderer Schweizer Lebensmittelhersteller wie Nestlé, Orior oder Emmi ähnlich schwach. Und auch im Ausland stehen defensive Werte nicht in der Gunst der Anleger.
Auf die Stimmung geschlagen haben könnte laut dem Fondsmanager auch das zweimalige Scheitern des Börsengangs von Europastry. Daraus lasse sich aber kaum etwas für das Geschäft von Aryzta ableiten. Der spanische Hersteller von tiefgekühlter Backware ist deutlich kleiner und stärker auf Gebäck und nicht auf Brot spezialisiert. Der veröffentlichte IPO-Prospekt hat indes gezeigt, dass im Sektor Wachstum und attraktive Margen erzielt werden können.
Das grundsätzliche Geschäft ist intakt. Der Markt für Bake-off sollte auch in den nächsten Jahren strukturell schneller wachsen als die Weltwirtschaft. Denn die Welt der Backwaren ist im Wandel begriffen: Kleine Bäckereien geben unter anderem aus Kostengründen auf, gleichzeitig ist die Nachfrage nach Brot und Gebäck ungebrochen hoch. Als Grossbäcker ist Aryzta da im Vorteil und hat bewiesen, dass sie selbst in schwierigem Umfeld Marktanteile gewinnen und neue Verträge abschliessen kann. Bereits fürs vierte Quartal 2024 habe das Management eine Besserung signalisiert, sagt Lehmann. «Und jedes weitere Quartal sollte Vertrauen schaffen.»
Vontobel hält die diesjährige Wachstumsschwäche Aryztas ebenfalls für vorübergehend. Die Analysten der Privatbank erwarten, dass das Unternehmen das Ziel, aus eigener Kraft jährlich 4,5 bis 5,5% zu wachsen und eine weitere Verbesserung der Marge bis 2028 erreichen werde. Sie führen die Aktien als «Top Pick» für 2025. Lehmann glaubt, dass gerade kostenseitig noch Optimierungspotenzial bestehe – etwa dank einem neuen Shared Service Center in Polen, um die operativen Kosten zu senken und Doppelspurigkeiten in den Regionen zu vermeiden. Auch der Einkauf ist zentralisiert worden, womit die Verhandlungsstärke gegenüber den Lieferanten steigt.
Ein wichtiger Kostenpunkt ist die Zinsbelastung, und sie wird weiter sinken. Zwar sind die Einsparungen seit längerem absehbar, wurde doch die Rückzahlung der Hybridschuld bereits 2022 angekündigt. Der tatsächliche Effekt der niedrigeren Zinsbelastung wird sich aber erst in der Erfolgsrechnung niederschlagen. Zumal eine weitere teure Anleihe aussteht und auch die jetzige Refinanzierung nochmals zu besseren Konditionen durchgeführt werden dürfte. Damit verbessert sich auch die Bilanzqualität, das Verhältnis von Nettoschulden zu Ebitda dürfte bis Ende 2026 auf rund 2 sinken.
Damit erhält das Unternehmen mehr finanzielle Flexibilität. «Bereits für 2025 könnte Aryzta eine kleine Dividende ausschütten – hauptsächlich mit symbolischem Charakter», sagt Schwendimann. Das würde zum einen signalisieren, dass die Normalisierung voranschreitet. Zum anderen kommen die Aktien erst dank der Dividendenfähigkeit für manche Anleger wieder als Investment infrage. Gemäss Bloomberg liegt die durchschnittliche Schätzung für die Dividende 2025 bei 1 Rappen je Titel.
Unsicherheit der Investoren wirkt übertrieben
Bleibt die Vertrauensfrage. Noch ist das Vertrauen in Aryzta nicht überall zurück. Gerade angelsächsische Investoren haben bisher, gebrannt durch das Missmanagement bis 2020, einen weiten Bogen um die Aktien gemacht. «Aber selbst in der Schweiz sind noch viele zurückhaltend», sagt Schwendimann.
Zur Unsicherheit trägt auch der angekündigte Wechsel an der Unternehmensspitze bei. Per 1. Januar 2025 übernimmt Michael Schai die operative Führung vom sehr geschätzten Urs Jordi. Doch der VR-Präsident wird sich in seiner Rolle kaum ausruhen, sondern auch weiterhin eine aktive Rolle einnehmen. Mit Schai konnte überdies eine sehr gute Lösung gefunden werden. Er arbeitete zuletzt bei Lindt & Sprüngli und verantwortete davor bei Hiestand unter anderem das globale Geschäft mit Brötchen.
Skepsis ist auch mit Blick auf den weiteren Transformationsprozess spürbar: Was kann Aryzta nach der erfolgreichen Trendwende in den kommenden Jahren überhaupt noch zusätzlich liefern? «Natürlich kann man das nicht ins Unermessliche steigern, aber auch die nächsten Mittelfristziele werden anspruchsvoll sein», sagt Lehmann. Gleichzeitig sei die Bewertung der Aktien verglichen mit anderen aus dem Food-Bereich weiterhin günstig.
Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13 basierend auf dem geschätzten Gewinn für 2025 sind die Valoren deutlich niedriger bewertet als Nestlé (17) und Emmi (16). Wobei Aryzta den Vergleich punkto Wachstumserwartungen – rund 10% jährlich auf Basis des Gewinns je Aktie – und Marge nicht mehr scheuen muss.
Damit dürfte 2025 ein gutes Jahr für Aryzta werden, insbesondere wenn das Unternehmen mit einem soliden bis guten Ergebnis für die ablaufende Geschäftsperiode beweisen kann, dass es operativ auf Kurs ist. Darüber hinaus dürften weitere Kostensenkungen, die Rückzahlung der Hybridanleihen, der Führungswechsel und neue, ambitionierte Ziele am Kapitalmarkttag am 7. Mai für positive Impulse sorgen.