Zum Auftakt der Play-off-Finalserie gewinnen die Zürcher in Lausanne 3:0. Wieder können sie sich auf ihre Paradelinie um den entfesselten Starstürmer Sven Andrighetto verlassen.
Es gibt Marken, die sind selbst für Sven Andrighetto mutmasslich unerreichbar. Luganos legendärer Offensivverteidiger Petteri Nummelin produzierte in der Saison 2005/06 auf dem Weg zu Luganos bisher letztem Meistertitel 33 Skorerpunkte, das ist Rekord im Play-off der National League.
Andrighetto erzielte am Dienstagabend in Lausanne seinen achten Play-off-Treffer und gab die 13. Vorlage. Mit 21 Punkten aus nur zwölf Partien ist er mit einigem Abstand der beste Skorer in diesem Play-off; der Zürcher befindet sich in der Form seines Lebens. Schon in der Champions Hockey League war er unangefochten der produktivste Spieler des Wettbewerbs gewesen.
Andrighetto, 32, ist einer der Hauptgründe dafür, dass sich der ZSC quasi auf Autopilot in Richtung des elften Meistertitels der Klubgeschichte befindet. Er sagte: «Ich will immer den Unterschied ausmachen, das ist mein Anspruch. Die Play-offs motivieren mich zusätzlich. Endlich geht es um etwas. Es ist das Signal, ein Brikett nachzulegen, wenn es draussen wärmer wird. Auch wenn ich von der Sonne selbst wenig mitkriege. Das alte Klischee stimmt schon: In den Play-offs gibt es nichts anderes als schlafen, essen und Eishockey».
Die Leichtigkeit des 3:0-Sieges des ZSC zum Auftakt dieser Finalserie hatte so nicht erwartet werden können. Nicht nach dem Kräftemessen aus dem Vorjahr als sich diese Teams schon einmal im Final duelliert hatten und in sieben Begegnungen stets das Heimteam gewann. Zwischen Lausanne und Zürich liegen nur 173 Kilometer, zwischen den Auftritten an den beiden Standorten aber lagen Welten. Der ZSC war auswärts teilweise vorgeführt worden.
In der Romandie wurde die Vaudvoise-Arena zur uneinnehmbaren Festung stilisiert. Dabei zeigt die Geschichte, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ein Fort erobert wird. Der ZSC benötigte am Dienstag nicht einmal eine sonderlich originelle Taktik wie einst Dschingis Khan und die Mongolen im listigen Kampf gegen die Grosse Mauer der Jin-Dynastie.
Es genügte, dass die Zürcher mit der Abgeklärtheit eines Champions auftraten. Einem Team, das nach dem Meistertitel vor Jahresfrist und dem Champions-League-Triumph vom Februar die Gewissheit hat, in den entscheidenden Momenten abzuliefern.
Der ZSC liess defensiv so wenig zu, dass der Expected-Goals-Wert der Gastgeber bei nur 1,2 Toren lag. Mit zwei Treffern innert 61 Sekunden entzog der ZSC dem aufgepeitschten Publikum im Lausanner Tollhaus den Sauerstoff und verlebte einen unerwartet geruhsamen Abend.
Die ZSC-Paradelinie erzielt alle drei Treffer
Der ZSC-Trainer Marco Bayer beschwor seinen inneren Gewerkschaftsfunktionär bei der 1. Mai-Rede und lobte zufrieden die «Solidarität», die sein Team gezeigt habe. Die war auszumachen, keine Frage, aber es war einmal mehr die Paradelinie um Andrighetto, Denis Malgin und Rudolfs Balcers, die mit drei Toren für den Unterschied besorgt war. «Es überrascht mich nicht, dass wieder sie die Partie entschieden. Ich sehe ja jeden Tag im Training, was sie drauf haben», sagte der ZSC-Abwehrroutinier Yannick Weber.
Im Play-off-Format ist das Momentum ein flüchtiges Gut, man kann es schnell verlieren. Aber die Frage ist schon, ob und wie viel dieses Lausanne dem ZSC entgegenzuhalten hat. Hinter dem Qualifikationssieger liegen 14 Spiele in zwei unerwartet beschwerlichen Serien. Der Viertelfinal gegen das tapfere, aber bescheidene Langnau. Und der Halbfinal gegen ein physisch arg gebeuteltes Gottéron. In beiden Serien setzte sich Lausanne erst in der Belle durch, das teure Kollektiv überzeugte auffallend selten. Und ist inzwischen selbst dezimiert – es fehlen unter anderem der Nationalmannschaftsverteidiger Fabian Heldner, der österreichische Captain Michael Raffl und der Aggressivleader Tim Bozon. Es ist möglich, dass Lausanne ein paar Extra-Abzweigungen zu viel genommen hat um den ZSC, dieses Team ohne Schwächen, aus der Reserve zu locken.
Lausanne verliert im Sommer zwei Nationalmannschaftsverteidiger an die Konkurrenz
Eine heikle Konstellation allerdings dürfte im LHC in den kommenden Tagen noch einmal Kräfte freisetzen. Mit Lukas Frick (wechselt zum HC Davos) und Andrea Glauser (zu Gottéron) verliert Lausanne zum Saisonende seine beiden wichtigsten Schweizer Abwehrspieler. Sie sind auf dem Transfermarkt nicht zu ersetzen, schon gar nicht zum aktuellen Zeitpunkt. «Jetzt oder nie» muss entsprechend die Losung heissen, weil die nächste Gelegenheit auf den ersten Meistertitel der Klubgeschichte sich womöglich so schnell nicht wieder ergeben könnte.
Gefordert ist nicht zuletzt der Coach Geoff Ward, dessen einziger Titel als Cheftrainer zehn Jahre zurückliegt: 2015 führte der lange in der NHL beschäftigte Kanadier die Adler Mannheim zur deutschen Meisterschaft. Ward, 63, ist ein Stoiker, den mutmasslich nicht einmal ein Erdbeben von 8+ auf der Richterskala erschüttern könnte, erst recht aber nicht triviale Niederlagen im Championnat des Schweizer Eishockeys. Es gebe überhaupt keinen Grund zur Panik, pflegte er in den letzten Wochen auch nach den schmerzhaftesten Rückschlägen zu sagen. Jedes Mal gab ihm sein Kollektiv mit einer eindrücklichen Reaktion recht.
Das Problem ist nur, dass sich Lausanne in diesem Frühjahr noch kein Team entgegengestellt hat, das auch nur annähernd das Kaliber des ZSC aufweist. Der nach Lust und Laune skorende Andrighetto ist dafür der fleischgewordene Beweis.