Dem Gastgewerbe geht das Personal aus. Nun könnte die Hotelfachschule an der sinkenden Nachfrage zugrunde gehen.
Dass die Zürcher Hotelfachschule etwas zu feiern hatte, ist schon ein Weilchen her: Vor fast zehn Jahren ging der fünfstöckige Neubau im Zürcher Belvoirpark auf. Der damalige Direktor führte die Medien durch das prächtige Schulhaus und betonte mit Stolz: Die neue Zürcher Hotelfachschule sei die modernste im ganzen Land.
Doch seither sind die feierlichen Anlässe rar geworden.
Zuerst musste der Dachverband Gastro Suisse, der die Hotelfachschule betreibt, das Restaurant Belvoirpark schliessen. Die klassizistische Villa, in der einst Alfred Escher gewohnt hat, ist dringend sanierungsbedürftig. Seit 2022 müssen Schülerinnen und Schüler der Hotelfachschule ihre Praktika anderswo absolvieren. 45 Personen verloren bei der Schliessung ihre Anstellung.
Und jetzt sieht es gar so aus, als sei die Hotelfachschule ganz am Ende. Dies berichtete – unter Berufung auf eine interne E-Mail – zuerst der «Blick». So schreibt die Einrichtung seit Jahren Verluste. Allein im Jahr 2022 soll das Minus 2,1 Millionen Franken betragen haben. Als Grund für die finanzielle Misere nannte der Bericht den Umstand, dass sich immer weniger junge Menschen für einen Lehrgang an der Hotelfachschule eingeschrieben hätten.
Sind begonnene Ausbildungen in Gefahr?
Gastro Suisse bestätigt gegenüber der NZZ, dass das allgemeine Interesse an Berufsbildung im Gastgewerbe seit Jahren in der ganzen Schweiz stagniere.
Eine Sprecherin schreibt, dass man in diesen Tagen ein Konsultationsverfahren an der Hotelfachschule Zürich einleiten werde. Damit wolle man das dortige Bildungsangebot überprüfen und neu ausrichten. Das Angebot solle «nachfrageorientierter» werden, schreibt die Sprecherin.
Ein «geordneter Rückzug der Tätigkeit der Hotelfachschule Zürich über mehrere Jahre hinweg» stehe zwar im Raum. Beschlossene Sache sei das Ende der Hotelfachschule im Moment jedoch nicht. Zukunftsweisende Entscheidungen würden aber noch in diesem Jahr gefällt, schreibt die Sprecherin von Gastro Suisse vielsagend.
Was das konkret bedeutet und wie es bis dahin mit der Hotelfachschule weitergeht, dazu wollte der Dachverband keine weiteren Angaben machen. Dass die angefangenen Ausbildungen abgeschlossen werden könnten, sei ein «grosses Ziel». Es scheint diesbezüglich aber keine Gewissheiten zu geben.
Eigene Initiative der Stadtzürcher Restaurants
Dass sich immer weniger Junge für die Hotelfachschule angemeldet haben sollen, passt zur derzeitigen Situation des Gastgewerbes. Dieses hat sich in letzter Zeit immer schwerer damit getan, junge Menschen für eine Berufslehre oder eine Weiterbildung zu begeistern.
Im Rahmen einer umfangreichen Recherche sagten drei Lehrabbrecher gegenüber der NZZ, dass die Branche zu hart und zu rau sei und überdies zu schlecht bezahlt. Die drei sind mit ihrer Wahrnehmung nicht allein, sondern stehen für einen breiten Trend.
Im Kanton Zürich begannen 2010 zum Beispiel 344 Jugendliche eine Ausbildung zum Koch mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis. 2022 waren es noch deren 259. Das ist ein Rückgang um rund 25 Prozent.
Um dem Negativtrend entgegenzuwirken, setzen etwa die Stadtzürcher Gastrobetriebe ab dem kommenden Herbst auf ein neues Ausbildungsmodell mit mehreren Lehrbetrieben, mehr Lohn und mehr Ferien.
Nicolas Kern ist Präsident von Gastro Stadt Zürich und hat das neue Lehrmodell in der Stadt entscheidend geprägt. Wenn die Hotelfachschule schliessen würde, würde er das sehr bedauern: «Die Hotelfachschule gehört zu Zürich.» Für Kern steht ausser Frage, dass die Stadtzürcher Gastrobetriebe auf ein «hochwertiges Bildungszentrum» angewiesen seien.
Nur sei derzeit etwas unklar, was ein solcher Ausbildungsort zu bieten haben müsse. Aus Sicht der Restaurantbetreiber sei eine Gastronomiefachschule möglicherweise interessanter als eine Hotelfachschule: Wer später ein Restaurant zu führen beabsichtige, wolle sich vermutlich möglichst solide auf diese spezifischen Herausforderungen vorbereiten. Da brauche es den Teil der Hotellerie nicht zwingend, sagt Kern. Aber die Hoteliers hätten natürlich wieder andere Vorstellungen.
«Da werden wir herausfinden müssen, in welche Richtung es gehen soll», sagt Nicolas Kern.
Weniger Lehrabschlüsse in fast allen Berufen
Weniger abgeschlossene Lehrverträge und ein sinkendes Interesse an höherer Berufsbildung: Hat die Hotellerie- und Gastronomiebranche der Schweiz ein Nachwuchsproblem?
«Der Nachwuchs ist bei uns natürlich ein grosses Thema», sagt Vinzenz van den Berg, der Mediensprecher des Dachverbandes Hotellerie Suisse. Landesweit beobachte er neben dem allgemeinen Fachkräftemangel auch einen Rückgang der Lehrabschlüsse – und zwar in allen Berufen ausser einem. Zugenommen haben die Abschlüsse nur bei den Fachleuten für Hotelkommunikation, einem neuen Berufsfeld.
Um diesem Trend Einhalt zu gebieten, habe man bei Hotellerie Suisse einen «breiten Strauss an Massnahmen» ergriffen, sagt van den Berg. Zum Beispiel bekomme jeder Lehrbetrieb einmal im Jahr Besuch von einem Berufsbildungsexperten des Verbands. So stelle man sicher, dass die Berufslehre sich laufend verbessere und attraktiver werde.
Auf der Stufe der höheren Berufsbildung seien die Hotelfachschulen «ein wichtiges Fundament» im Kampf gegen den Fachkräftemangel, sagt van den Berg. Doch die höhere Berufsbildung habe mit einem strukturellen Nachteil zu kämpfen. Nämlich gelinge es vielen Abgängern der Hotelfachschule nicht, ihren potenziellen Arbeitgebern den Wert ihrer Ausbildung zu vermitteln.
Gerade im Ausland wäre es von Vorteil, wenn es den Schweizer Hotelfachschulen erlaubt wäre, ihre Abschlüsse mit dem Zusatz «Professional Bachelor» und «Professional Master» zu betiteln. Der Nationalrat hat kürzlich fünf Vorstösse zu diesem Thema angenommen, nun hängt das Geschäft im Ständerat.
Für die Hotelfachschule Zürich wird die Entscheidung möglicherweise aber zu spät kommen.