Trotz Gegenschlägen der Briten und Amerikaner greifen die Huthi weiter Schiffe im Roten Meer an. Langsam werden in Europa die ersten Folgen für die Wirtschaft spürbar. Nun schickt auch die EU Kriegsschiffe in die Region.
Die Angriffe der Huthi im Roten Meer sind weiterhin eine Herausforderung für die Handelsschifffahrt. Daran konnten auch die amerikanischen und britischen Militäreinsätze gegen die durch Iran unterstützten Milizen bisher nichts ändern. Die anhaltende Unsicherheit merkt man vor allem in Europa. Über die Meerenge von Bab al-Mandab vor Jemen gelangt man zum Suezkanal, dem schnellsten Seeweg zwischen Asien und Europa.
Am Sonntag haben die Huthi einen der bisher schwersten Angriffe auf ein Schiff verübt. Dabei wurde ein Massengutfrachter so beschädigt, dass die Besatzung evakuiert werden musste. Das Schiff habe «katastrophale» Schäden erlitten, erklärte die Miliz am Montagmorgen.
Beim Schiff handelt es sich um die «Rubymar», die in Grossbritannien registriert ist und unter der Flagge von Belize fährt. Es transportierte Waren aus Saudiarabien nach Bulgarien. Die zur britischen Marine gehörende Seehandelsorganisation UKMTO bestätigte, dass ein Schiff in der Meerenge Bab al-Mandab angegriffen worden sei. Die Besatzung befinde sich in Sicherheit.
Huthi setzen erstmals Unterwasserdrohne ein
Dass die Huthis sich nicht von den Militärschlägen gegen sie beeindrucken lassen, zeigte auch eine andere Meldung vom Wochenende. Das Zentralkommando der amerikanischen Streitkräfte (Centcom) gab bekannt, dass sie am Samstag ein «unbemanntes Unterwasserfahrzeug» zerstört hätten. Darunter versteht man ein Gefährt, das ohne Besatzung unter der Wasseroberfläche operiert.
«Dies ist der erste beobachtete Einsatz eines unbemannten Unterwasserfahrzeugs durch die Huthi seit Beginn der Angriffe», teilte Centcom am Sonntag mit. Im selben Angriff seien auch ein «unbemanntes Wasserfahrzeug» sowie drei Seezielflugkörper zerstört worden. Diese hätten eine «unmittelbare Bedrohung» für Schiffe der amerikanischen Marine sowie Handelsschiffe in der Region dargestellt.
Feb. 17 Summary of Red Sea activities
TAMPA, Fla. – Between the hours of 3:00 p.m. to 8:00 p.m. (Sanaa time), Feb. 17, CENTCOM successfully conducted five self-defense strikes against three mobile anti-ship cruise missiles, one unmanned underwater vessel (UUV), and one unmanned… pic.twitter.com/TwR9RUmMMu
— U.S. Central Command (@CENTCOM) February 18, 2024
12 Prozent des Welthandels werden normalerweise über das Rote Meer und den Suezkanal abgewickelt. 30 Prozent der Containerschiffe frequentieren die Route, und im Jahr werden darüber Waren im Wert von mehr als einer Billion Dollar verschifft. Grosse Mengen an Rohöl, Diesel und Erdgas aus dem Nahen Osten passieren das Rote Meer auf dem Weg nach Europa.
Das Handelsvolumen auf der bedeutenden Seestrasse ist laut Daten des Internationalen Währungsfonds (IMF) im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte gesunken. Gleichzeitig hat sich das Volumen auf der Route über das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika seit dem Start der Huthi-Angriffe verdoppelt. Dieser Weg dauert jedoch im Vergleich bis zu ein Viertel länger und ist auch teurer.
Für Schiffsbetreiber, die dennoch die Route über das Rote Meer wählen, fallen deutlich höhere Versicherungskosten an. Der Preis für die Verschiffung von Containern hat sich seit dem Beginn der Huthi-Angriffe knapp verdoppelt. Er ist aber weiterhin deutlich niedriger als noch während der Pandemie.
Auswirkungen vor allem in Europa
Die anhaltenden Unsicherheiten für die Schifffahrt durch den Suezkanal machen sich vor allem in Europa bemerkbar. Tesla und Volvo mussten im Januar kurze Produktionsunterbrechungen beziehungsweise Verzögerungen in zwei ihrer europäischen Fabriken hinnehmen. Laut dem Finanzdienstleister S&P Global sind die Lieferungen von Rohöl nach Europa in den letzten Monaten zurückgegangen.
Auswirkungen gibt es laut der Analyse auch auf europäische Möbelhersteller. Asien ist für diese ein wichtiger Produktionsstandort. Stühle, Sofas, Bettzeug und Lampen sind von den Verwerfungen der Schifffahrt im Roten Meer besonders betroffen, was zu Lieferschwierigkeiten führt.
Auch bei Lebensmittel und Baumaterialien kommt es zu Lieferverzögerungen. Laut S&P Global sind davon Hersteller im Vereinigten Königreich am stärksten betroffen, wo 12 Prozent der befragten Unternehmen für Januar eine Verschlechterung der Lieferzeiten meldeten. Bei Herstellern in Frankreich und Deutschland sind jeweils 8 Prozent von Verzögerungen betroffen.
Auf die Inflation dürfte sich der Anstieg der Schifffahrtskosten laut einer Einschätzung der EU-Kommission nur geringfügig auswirken. «Weitere Unterbrechungen könnten jedoch zu erneuten Versorgungsengpässen führen, die die Produktion abwürgen und Preise in die Höhe treiben könnten», sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni vergangene Woche.
EU beschliesst Militärmission
Die Aussenminister der EU-Staaten haben am Montag den Start eines Militäreinsatzes zum Schutz der Handelsschifffahrt im Roten Meer beschlossen. Sie trägt den Namen «Aspides». Kern des Einsatzes wird die Präsenz von europäischen Kriegsschiffen insbesondere im südlichen Roten Meer und in der Meerenge von Bab al-Mandab sein. Sie sollen Schiffe begleiten und im Ernstfall Angriffe abwehren.
Aus Deutschland ist die Fregatte «Hessen» beteiligt. Das Schiff ist mit Flugabwehrraketen ausgerüstet und wurde speziell für den Geleitschutz und die Seeraumkontrolle konzipiert. Daneben beteiligen sich auch Italien, Griechenland und Dänemark am Einsatz. Anders als die Briten und Amerikaner setzt das Mandat der EU Waffeneinsätzen enge Grenzen. So dürfte es von europäischen Kriegsschiffen keine Angriffe auf Stellungen der Huthi in Jemen geben.