Die Waffenruhe in Gaza bringt auch Ruhe auf dem Roten Meer: Die islamistische Gruppierung hat angekündigt, ihre Angriffe teilweise einzustellen. Frachtschiffe dürften das Gebiet weiterhin meiden.
Es passiert am 19. November 2023: Ein Helikopter landet auf dem Deck des Frachtschiffs «Galaxy Leader», das im Roten Meer auf dem Weg von der Türkei nach Indien unterwegs ist. Bis an die Zähne bewaffnete Männer in Sturmhauben steigen aus, stürmen die Brücke und entführen das Schiff samt seiner Crew in die Nähe der jemenitischen Küste, wo es seither vor Anker liegt. Die Aktion sorgte weltweit für Schlagzeilen – und machte die islamistischen Huthi, die bis dahin ein Schattendasein gefristet hatten, zu Rockstars in der Welt der Israel-Feinde.
14 Monate später ist die Besatzung der «Galaxy Leader» wieder auf freiem Fuss. Am Mittwoch konnten die 25 Männer aus den Philippinen, Bulgarien, Mexiko und der Ukraine ins Nachbarland Oman ausreisen. Der Schritt sei «zur Unterstützung des Abkommens über eine Waffenruhe im Gazastreifen» erfolgt, hiess es im Fernsehsender al-Masirah, der von den Huthi kontrolliert wird. Das Frachtschiff selbst bleibt allerdings in den Händen der Miliz.
Am Sonntag hatten die Huthi angekündigt, ihre Angriffe im Roten Meer einzuschränken. Laut der «Financial Times» liessen sie Reedereien und Versicherer per E-Mail wissen, dass sie ihre «Sanktionen» gegen den Schiffsverkehr aufheben würden – ausser gegen jene Frachter, die in Israel registriert sind oder sich im Besitz von israelischen Eigentümern befinden. Die Angriffe würden erst dann enden, wenn alle Phasen des dreistufigen Abkommens zwischen Israel und der Hamas vollständig umgesetzt seien.
Zwei Schiffe versenkt
Die Entführung der «Galaxy Leader» war indes nur einer von Hunderten Angriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer und im Golf von Aden, die den Verkehr auf dieser für den Welthandel so wichtigen Route bis heute stark beeinträchtigen. Mit ihren Raketen- und Drohnenattacken versenkten die Huthi zwei Schiffe und töteten vier Seeleute. Auch die Entsendung westlicher Kriegsschiffe in die Region sowie massive Luftangriffe der USA, Grossbritanniens und Israels auf Huthi-Stellungen und Energieanlagen vermochten die Islamisten nicht abzuschrecken, die weite Teile Jemens kontrollieren.
In den vergangenen Monaten haben die Huthi zudem mehr als 400 Mal Israel direkt mit Drohnen und Raketen angegriffen. Sie begründen ihre Attacken mit ihrer «Solidarität mit Gaza». Wie die Hamas im Gazastreifen gehören auch die Huthi zur von Iran unterstützten «Achse des Widerstands», die sich die Zerstörung Israels auf die Fahne geschrieben hat.
So hat es die Miliz insbesondere auf Schiffe abgesehen, die eine Verbindung zum jüdischen Staat aufweisen. Die «Galaxy Leader» etwa fährt zwar unter der Flagge der Bahamas, gehört aber einem auf der Isle of Man registrierten Unternehmen, das teilweise dem israelischen Geschäftsmann Abraham Ungar gehört. Ob das den Huthi bewusst war, ist unklar – ohnehin nimmt es die Miliz mit der Auswahl ihrer Ziele nicht so genau: Mehrfach griff sie auch Schiffe an, die nichts mit Israel zu tun hatten.
Trump erklärt Huthi zu Terrororganisation
Angesichts der Freilassung der Crew der «Galaxy Leader» sprach der Generalsekretär der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation am Mittwoch von einem «Moment der tiefen Erleichterung». Hans Grundberg, der Uno-Sondergesandte für Jemen, sagte: «Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, und ich fordere die Huthi dringend auf, diese positiven Schritte an allen Fronten fortzusetzen, einschliesslich der Beendigung aller Angriffe auf See.»
Dass dies passieren wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Die Huthi haben bereits angekündigt, ihre Angriffe sofort wieder auszuweiten, sollte die Waffenruhe im Gazastreifen scheitern. Diese gilt vorerst für lediglich sechs Wochen. Ob eine zweite Phase zustande kommt, ist unklar. Reedereien dürften deshalb vorerst davon absehen, ihre Schiffe wieder durchs Rote Meer zu schicken.
Und auch in Washington hat die neue Zurückhaltung der Huthi niemanden besänftigt. Am Mittwoch hat Präsident Donald Trump die Miliz zu einer Terrororganisation erklärt. Zuvor hatte Joe Biden im Jahr 2021 diese Designierung aufgehoben, um Hilfslieferungen an die Bevölkerung Jemens zu erleichtern, wo der seit zehn Jahren anhaltende Bürgerkrieg eine der grössten humanitären Krisen der Welt ausgelöst hat.