Drohnen spielen bei Militäreinsätzen eine immer grössere Rolle. Sie werden auch den Häuserkampf in den nächsten Jahren revolutionieren. Eine israelische Entwicklung macht dies deutlich.
Der Kampf in überbautem Gelände gehört zu den schwierigsten militärischen Operationen überhaupt. Dieser muss sozusagen auf drei Ebenen geführt werden: auf dem Boden, im Untergrund und auf der Höhe der Gebäude. Abwasserkanäle oder U-Bahn-Netze, aber auch speziell für militärische Zwecke angelegte Tunnels – wie sie die Hamas im Gazastreifen gebaut hat – ermöglichen den Kämpfern, sich vor Angriffen aus der Luft zu schützen und sich unterirdisch zu verschieben. Der Feind kann damit plötzlich wieder im eigenen rückwärtigen Raum auftauchen, den man eigentlich bereits zu kontrollieren glaubte.
Vorteile für den Verteidiger
Höhere Gebäude eignen sich zum Positionieren von versteckten Scharfschützen. Sie von gegnerischen Truppen zu «säubern», ist mit grossem Aufwand verbunden. Die spezielle Situation beim Häuserkampf gibt dem Verteidiger grundsätzlich einen gewichtigen Vorteil. Er kennt normalerweise die Gebäude und Verbindungswege viel besser und kann Sprengfallen und Hinterhalte legen.
Für den Angreifer hingegen ist das Gebiet schwer einsehbar. Er muss seine Soldaten in Gebäude schicken, ohne genau zu wissen, was sie dort erwartet. Besonders in eng überbautem Gebiet kann er eine allfällige zahlenmässige Überlegenheit nicht leicht zur Geltung bringen. Zahlreiche Beobachter haben deshalb der israelischen Armee im Kampf gegen die Hamas nach dem brutalen Überfall vom 7. Oktober wesentlich höhere Opferzahlen vorausgesagt als die rund 260 von der israelischen Regierung angegebenen Gefallenen in den vergangenen sechs Monaten.
Eine von der israelischen Rüstungsfirma Rafael jüngst entwickelte Kleindrohne dürfte zu diesem Erfolg beigetragen haben. Sie erleichtert den Angriff auf Gegner, die sich in überbautem Gebiet verschanzt haben. Die Spike Firefly (hebräisch Moaz) genannte Drohne kann einerseits als Beobachtungsdrohne Informationen über vom Angreifer nicht einsehbare Orte sammeln und andererseits als Kamikazedrohne Infanteristen und ungepanzerte Fahrzeuge direkt angreifen. Sie kann dazu durch Fenster oder Türen auch in Gebäude eindringen.
Einsatz von Firefly durch Infanteristen im Häuserkampf
Das israelische Verteidigungsministerium hat den Auftrag zur Beschaffung dieser Drohnen ursprünglich 2020 erteilt. Soweit bekannt fand der erste Kampfeinsatz im Juni 2023 in Jenin im Westjordanland statt. Laut israelischen Medienberichten sollen die israelischen Streitkräfte seither mit mehreren tausend Firefly-Systemen ausgerüstet worden sein. Wie häufig die Drohne im Gazakrieg seit Oktober eingesetzt worden ist, ist öffentlich nicht bekannt. Aber es kann davon ausgegangen werden, dass sie einen wichtigen Beitrag leistete, ist sie doch genau für solche Kampfsituationen geschaffen.
Die Firefly-Drohne wurde speziell für den Einsatz durch Bodentruppen in dichtbesiedelten Stadtgebieten entwickelt, wo Informationen über die Positionen der gegnerischen Kämpfer sehr limitiert sind. Auch die Möglichkeiten, die eigenen Soldaten mit Artillerie oder aus der Luft zu unterstützen, sind hier beschränkt. Denn die Truppen befinden sich in unmittelbarer Nähe des Gegners. Oft halten sich zudem auch Zivilpersonen im Kampfgebiet auf.
Firefly ermöglicht es, gegnerische Kämpfer anzugreifen, ohne dass Soldaten in Gebäude oder an andere schwer einsehbare Orte geschickt werden müssen. Sie hilft damit, Menschenleben bei der eigenen Truppe zu schonen. In den nächsten Jahren sollen bei den Infanterie- und Spezialeinheiten der israelischen Armee auf Kompaniestufe jeweils mehrere mit Firefly geschulte Drohnenpiloten eingesetzt werden.
Charakteristiken der Drohne
Firefly gleicht mit einer Höhe von 40 Zentimetern und einer Grundfläche von 8 auf 8 Zentimeter einem fliegenden Milchkarton. Sie wiegt rund drei Kilogramm. Zum Fliegen besitzt sie zwei vertikal übereinander angeordnete Rotoren, welche gegenläufig drehen und so die Drohne in der Luft stabilisieren. Zum Starten und Landen besitzt die Drohne drei ausziehbare Beine.
Wird Firefly allein zur Beobachtung eingesetzt, kann sie ohne Batteriewechsel eine halbe Stunde in der Luft bleiben. Soll sie auch für einen Angriff verwendet werden, kann sie einen 350 Gramm schweren Sprengkopf mit Splittermantel tragen. Die zugehörige Batterie ist dann kleiner, weshalb die maximale Flugzeit auf 15 Minuten reduziert wird. Die maximale Reichweite beträgt einen Kilometer, die Fluggeschwindigkeit bis zu 60 km/h. Der Drohnenpilot kontrolliert Firefly mit einem Tablet. Er muss Angriffen zustimmen und kann diese, falls angezeigt, im letzten Moment abbrechen.
Was sich bereits im Ukraine-Krieg gezeigt hat, scheint sich in Gaza zu bestätigen: Drohnen haben das Potenzial, die Kriegsführung zu revolutionieren.