Die angeschlagene Schweizer Privatbank zieht mit dem Rauswurf des CEO Philipp Rickenbacher die richtigen Konsequenzen. Es ist ihre letzte Chance, die Reputation zu retten.
Im Banking ist Vertrauen alles. Das gilt erst recht für die edlen Privatbanken. Und das weiss auch der Verwaltungsrat von Julius Bär. Dieses Vertrauen drohte der Zürcher Bank wegen des Fiaskos um die Vergabe von Hochrisiko-Krediten an den gefallenen Immobilienunternehmer René Benko zu entgleiten. Um ein klares Signal zu setzen, hat Bär jetzt die Darlehen in Höhe von 586 Millionen Franken vollständig abgeschrieben.
Der Untergang der Credit Suisse hat allen auf dem Finanzplatz vor Augen geführt, dass – jenseits des Zahlenwerks – allein schon fehlendes Vertrauen eine Bank in den Abgrund reissen kann. Vor diesem Hintergrund erstaunt, dass der Bär-Verwaltungsrat erst jetzt zur Einsicht gelangt ist, dass er den Benko-Skandal nicht einfach aussitzen kann.
Vertrauen muss man schnell wiederherstellen, um aus einer Abwärtsspirale herauszufinden. Je länger der Bär-Verwaltungsrat zuwartete, desto stärker musste das Signal ausfallen. Dann wurde es unausweichlich: Bei einem gravierenden Fehlentscheid wie im Fall Benko müssen auch Köpfe rollen.
Dass es nun Philipp Rickenbacher als Konzernchef trifft, liegt auf der Hand. Folgerichtig ist aber auch, dass der Verwaltungsrat hinsteht und in den eigenen Reihen mindestens einen Verantwortlichen aussortiert. Denn das VR-Gremium war über die hochriskanten Benko-Kredite voll im Bild. Und es ist schliesslich der Verwaltungsrat, der die Oberaufsicht über die Finanzkontrollen einer Firma innehat.
Kontrollen haben versagt
Und diese Kontrollen haben im Fall Benko komplett versagt; oder der Verwaltungsrat hat die Kredite im vollen Wissen um das hohe Risiko durchgewinkt – ein Fehlentscheid, für den David Nicol, der Leiter des Risikoausschusses, nun geradesteht. Er tritt nicht mehr zur Wiederwahl an.
Das ist in der Schweizer VR-Landschaft ein seltener Vorgang, aber er ist richtig. Julius Bär gibt auch einen Warnschuss an alle Verwaltungsräte im Land ab: Die Verantwortung, die mit einem prestigeträchtigen VR-Mandat inklusive üppiger Tantiemen einhergeht, ist echt und kann Konsequenzen haben.
Dass die Privatbank darüber hinaus auch variable Boni – für fünf an der Kreditentscheidung beteiligte Geschäftsleitungsmitglieder und vier Mitglieder des Risikoausschusses im Verwaltungsrat – streicht, ist jedenfalls eine nötige und wirksame Disziplinierungsmassnahme. Sie betrifft den persönlichen Geldbeutel und schmerzt damit richtig. Das zeigt, dass der wichtigste Anspruch von Vergütungsmodellen eingelöst werden kann: Einen Bonus gibt es nur, wenn die Performance stimmt.
Und die stimmt bei Julius Bär nicht: Der Benko-Abschreiber halbiert den den Aktionären zurechenbaren Gewinn. Sie – die Eigentümer der Bank – sind es, die die Fehlentscheidungen der Bär-Spitze bisher hauptsächlich getragen haben. Durch das Absacken des Aktienkurses wurden Milliarden vernichtet. Folgerichtig auch hier, dass auch die Direktbeteiligten die Verluste mittragen. Nur so können die Interessen von Bankführung und Aktionären wieder in Einklang gebracht werden.
Kurve noch gekriegt
Dringend für Julius Bär ist nun, dass das Haus wieder in Ordnung gebracht wird und Ruhe einkehrt. Der Ausstieg aus dem Geschäft mit hochriskanten Krediten, den die Bank bis 2026 vollziehen will, dient dieser Sache. Doch noch wichtiger ist die Absicht des VR-Präsidenten Romeo Lacher, dass man sich künftig nur noch auf Kreditgeschäfte einlassen will, die man wirklich versteht, sprich Hypotheken und Wertschriftenkredite. Bär sollte sich als Schweizer Vermögensverwalter bei der superreichen internationalen Klientel nicht mit komplexen Kreditgeschäften profilieren, sondern sich durch Solidität, Vertrauen und Verlässlichkeit auszeichnen.
Nur so kann ein Zurückfallen in die skandalträchtige Ära von Boris Collardi verhindert werden, als Millionenbussen zum Geschäft gehörten. Unter Philipp Rickenbacher hat Julius Bär einen Imagewandel zu mehr Bodenständigkeit und Seriosität vollzogen. Dieser wurde durch das Benko-Debakel beinahe zunichtegemacht.
Bis das Vertrauen unter einem neuen CEO vollständig zurückkehrt, wird es dauern. Die Bank könnte die Kurve aber gerade noch gekriegt haben: Kundengelder sollen seit Bekanntwerden der Problemkredite nicht abgezogen worden sein.