Bei den Kantonalbanken läuft es wie geschmiert. Dank der Zinswende verbuchen sie rekordhohe Gewinne. Mit dem Erfolg macht sich aber auch Selbstzufriedenheit breit.
Steigen die Zinsen, verteuert sich das Geld. Eine Verteuerung des Geldes bremst wiederum die Wirtschaft und damit die Unternehmen. Doch diese Mechanik gilt nicht für alle Sektoren. So sind steigende Zinsen für einige Unternehmen auch positiv – etwa für jene Firmen, die mit dem Einsammeln und Weiterreichen von Geld ihr Geschäft betreiben, also für Banken. Denn bei steigenden Zinsen steigen meist auch die Margen beim Vermitteln von Geld. Und höhere Margen bedeuten höhere Gewinne.
Zinswende sorgt für Rückenwind
Bei den Kantonalbanken lässt sich dieser Zusammenhang gut beobachten. Die meisten der 24 Institute – 13 davon sind börsenkotiert – haben in den vergangenen Tagen ihre Ergebnisse für das Geschäftsjahr 2023 präsentiert. Sie überboten sich dabei gegenseitig mit Superlativen und berichteten vom stärksten, profitabelsten, ja besten Ergebnis in der Firmengeschichte. Als Beobachter gewann man den Eindruck, bei den Staatsbanken handle es sich um Geldmaschinen.
Dabei fällt auf: Das starke Gewinnwachstum verdankt sich primär dem Zinsgeschäft. Dieses ist bei den Kantonalbanken im Durchschnitt für knapp zwei Drittel der Einnahmen verantwortlich. Allein im ersten Semester 2023 stieg der Nettoerfolg im Zinsgeschäft um 28 Prozent. Für das Gesamtjahr liegen noch keine aggregierten Zahlen vor, da nicht alle Ergebnisse bekannt sind. Doch lässt sich bereits sagen, dass die meisten Kantonalbanken trotz nachlassender Dynamik den Zinsertrag auch im Gesamtjahr um 20 Prozent oder mehr steigern konnten.
«Die Kantonalbanken hatten 2023 starken Rückenwind aufgrund der Zinsentwicklung», sagt Andreas Venditti, Bankenexperte bei Vontobel. Beim Branchenprimus, der Zürcher Kantonalbank (ZKB), stieg der Zinserfolg netto um 30 Prozent. Beim bilanzmässig zweitgrössten Institut, der Waadtländer Kantonalbank, betrug das Plus 28 Prozent. Vergleichsweise schwach fällt die Zunahme mit 8 Prozent bei der ähnlich grossen Luzerner Kantonalbank aus – dies nicht zuletzt deshalb, weil die Luzerner die Zinsen auf Spareinlagen relativ stark anhoben.
Sparer müssen lange warten
Tatsächlich fällt auf: Das Ergebnis hat vor allem bei jenen Banken einen grossen Sprung gemacht, die den höheren Leitzins der Schweizerischen Nationalbank (SNB) nur sehr zögerlich an die Sparer weitergereicht haben. Auch Venditti sagt: «Die verzögerte Weitergabe der höheren Leitzinsen an die Einleger führte 2023 zu einem starken Einmaleffekt.» Das werde sich dieses Jahr kaum wiederholen lassen, da weitere Zinserhöhungen durch die SNB unwahrscheinlich seien; gerechnet wird vielmehr mit Zinssenkungen.
Wie funktioniert dieser Einmaleffekt? Weil die SNB den Leitzins relativ schnell aus dem negativen in den positiven Bereich angehoben hat, konnten die Banken ihren Kreditnehmern schnell einen höheren Aktivzins in Rechnung stellen, etwa für Firmenkredite. Der Passivzins hingegen, also der für Einlagen bezahlte Zins, wurde anfänglich kaum und dann nur langsam angepasst. Die Marge zwischen dem eingenommenen Aktivzins und dem bezahlten Passivzins weitete sich also aus.
«In der Phase des Übergangs zu höheren Zinsen verdienten die Banken auf ihren Einlagen, die sie praktisch kaum verzinsten, viel Geld», sagt Venditti. Das hört man in der Branche aber nicht gern. Man wehrt sich gegen den Vorwurf, die Gewinnsteigerung sei quasi auf Kosten der Sparer erfolgt. Eingewendet wird, ein Nachhinken bei Sparzinsen sei unumgänglich, weil die Bank auch gegenüber Inhabern mehrjähriger Festhypotheken den Zins nicht von einem Tag auf den anderen anheben könne.
Unklarer Credit-Suisse-Effekt
Profitiert haben die Banken offenkundig von der Trägheit der Kunden. Wegen ein paar Basispunkten bei Sparzinsen wechselt hierzulande kaum jemand die Bank. Gemäss dem ZKB-Finanzchef Martin Bardenhewer haben die Kunden 2023 aber auch bei Umschichtungen innerhalb der Bank sehr träge reagiert. So seien die Gelder langsamer als erwartet von Transaktionskonten zu höher verzinsten Sparkonten, Festgeldern oder Anlageprodukten verschoben worden. Überraschenderweise sei solches Verhalten auch bei institutionellen Grosskunden zu beobachten gewesen.
Offen bleibt, wie stark die Kantonalbanken vom Niedergang der Credit Suisse profitiert haben. Bei der Präsentation der Ergebnisse wurde dieser Faktor meist heruntergespielt, zumal niemand gern als Krisengewinnler dasteht. Bei der ZKB sprach man mit Blick auf einen CS-Effekt gar von einem Mythos. Einen Hinweis auf die ungefähre Grössenordnung gab hingegen die St. Galler Kantonalbank. Sie erklärte, dass ungefähr ein Drittel des 2023 bei Privatpersonen verbuchten Neugeldes auf die Ereignisse bei der CS zurückzuführen sei.
Das Thema bleibt umstritten. Über das ganze Jahr betrachtet, sei in den Bilanzen der Kantonalbanken kein grosser CS-Effekt sichtbar, sagt Hanspeter Hess vom Verband der Schweizerischen Kantonalbanken. Zu einem anderen Schluss kommt eine Studie der Hochschule Luzern. Demnach sind die Kantonalbanken die klaren Gewinner des CS-Kollapses, wobei man die Zeit seit Anfang 2021 berücksichtigt hat. In diesem Zeitraum seien 82 Prozent aller Abflüsse inländischer CS-Kunden zu den Kantonalbanken geflossen.
Nachlassende Kostendisziplin
Wie auch immer: Die Kantonalbanken haben ein starkes Jahr hinter sich, wenngleich es zwischen den Instituten grosse Unterschiede gibt. Getrübt wird das Ergebnis aber durch ein – trotz gutem Börsenumfeld – eher schwaches Kommissions- und Dienstleistungsgeschäft. Negativ wiegen auch die vielerorts mit zweistelligen Prozentwerten gestiegenen Kosten. Es drängt sich der Verdacht auf, dass aufgrund des sehr günstigen Zinsumfeldes die Kostendisziplin etwas nachliess. Das könnte sich in einem künftig wieder etwas trüberen Marktumfeld bald rächen.