The Market zeigt monatlich die Schweizer Unternehmen, die im Fokus der Leerverkäufer stehen. Diese setzen darauf, dass die Aktienkurse sinken werden. Neu auf ihrer Liste stehen Kuros, SGS und Komax.
Es kommt zu grösseren Bewegungen in den Schweizer Short-Positionen: Zwar belegen DocMorris und Swatch Group weiterhin die Spitzenplätze. Doch der Druck auf DocMorris hat sich im März merklich verringert. Zudem ist die monatelange Position drei, Idorsia, aus der Liste verschwunden. Das Biotechnologieunternehmen hat die Schulden restrukturiert sowie 150 Mio. Fr. an zusätzlichen Mitteln aufgenommen.
Ebenfalls ausgeschieden sind Orior sowie Lindt & Sprüngli. Neu im Fokus der Leerverkäufer stehen Kuros, SGS und als Wiedereintritt Komax.
Short-Seller leihen sich Aktien aus, verkaufen sie am Markt und hoffen, sich später günstiger mit den Titeln eindecken zu können, um sie dem Eigentümer zurückzugeben. Die Differenz aus dem Verkaufs- und dem Rückkaufskurs ist ihr Gewinn.
In der Schweiz werden die Short-Positionen nicht offiziell erfasst. The Market präsentiert deshalb im Monatsrhythmus die Erhebung von S&P Global Market Intelligence. Der Datenanbieter trägt das Volumen der ausgeliehenen Aktien zusammen.
DocMorris
DocMorris kämpft erneut: Es ist nur zwei Jahre her, als die Onlineapotheke nach monatelanger Hängepartie den finanziellen Kollaps abwenden konnte – zunächst mit Kapitalmassnahmen, dann mit dem Verkauf des Schweizer Geschäfts. Die verspätete Einführung des E-Rezepts in Deutschland, wovon sich das Unternehmen mit Sitz in Frauenfeld das grosse Geld versprach, hatte ihm fast das Genick gebrochen.
Mit Verzögerung wurde das E-Rezept nun deutschlandweit eingeführt, und DocMorris hatte ihre Finanzlage verbessert. Doch nun beschleunigt das Wachstum nicht so wie erhofft und vor allem weniger als bei der deutschen Konkurrentin Redcare Pharmacy.
Um das Wachstum zu forcieren sowie eine Rückzahlung der 2026 fällig werdenden Wandelanleihe über 95 Mio. Fr. zu ermöglichen, prüft das Unternehmen nun eine Kapitalerhöhung. Voraussichtlich über eine Bezugsrechtemission sollen so 200 Mio. Fr. neu zufliessen.
Das könnte eine angespannte Lage provozieren.
38% der von DocMorris ausstehenden Aktien sind in den Händen von Leerverkäufern. Das heisst, sie haben sie ausgeliehen und verkauft. Sie verfügen also nicht über diese Aktien, müssen aber dem Eigentümer in einer möglichen Kapitalerhöhung dennoch ermöglichen, seine Bezugsrechte zu erhalten und auszuüben. Im Rahmen einer Bezugsrechtemission müssen sie folglich Aktien am Markt zurückkaufen.
Angesichts des grossen Volumens könnte das in einem sogenannten Short Squeeze münden, also einen rasanten Kursanstieg auslösen, wenn viele Short Seller gleichzeitig versuchen, ihre Positionen zu schliessen.
Im Monatsverlauf hat das rund ein Fünftel bereits getan, so dass der Kurs, der mit der Ankündigung der Kapitalerhöhung erst um mehr als 25% eingebrochen war, bereits wieder 20% zugelegt hat. Es gilt jedoch auch: Sollten die Short Seller nach Erhalt der Bezugsrechte erneut auf einen fallenden Kurs setzen und massenhaft Aktien leerverkaufen, könnte es genauso schnell wieder in die andere Richtung gehen.
Mit Blick auf die unterschiedlich schnelle Gangart von DocMorris und Redcare bieten sich die beiden Aktien geradezu an, einen Pair Trade einzugehen: long Redcare, short DocMorris.
Dazu kommt: DocMorris hat Wandelanleihen ausstehend. Damit gibt es ausser der Spekulation auf einen sinkenden Kurs auch einen technischen Grund, Leerverkaufspositionen in den Aktien einzugehen: Wandelanleihen enthalten neben dem Zinscoupon eine Aktienkomponente. Investoren, die diese angesichts der starken Kursausschläge neutralisieren wollen, verkaufen die Aktien leer – ohne dabei aus Überzeugung auf einen sinkenden Kurs zu setzen.
Das gilt bei DocMorris für rund 3 Mio. der knapp 15 Mio. ausstehenden Aktien. Für dieses Paket ist vertraglich festgelegt, dass die dazugehörigen Bezugsrechte an den Eigentümer abgegeben werden müssen – in diesem Fall ist das DocMorris. Das Unternehmen selbst stellt nämlich diese Aktien den Eignern der Wandelanleihe in Form einer Share Lending Facility zu Absicherungszwecken zur Verfügung – uns sie dürften nach Vollzug der Kapitalerhöhung erneut leer im Markt verkauft werden, um die Absicherung wieder zu aktivieren.
Details zur Kapitalerhöhung will DocMorris am 10. April verkünden. Umgesetzt werden kann sie frühestens nach der Generalversammlung vom 8. Mai. Für Volatilität in den Titeln ist damit gesorgt.
Swatch Group
Seit genau einem Jahr befinden sich die Inhaberaktien von Swatch Group unter den zehn grössten Shorts. Im Oktober stiessen sie auf den zweiten Platz vor, und die Leerverkäufer haben seither weiter aufgebaut. Derzeit wetten sie mit 20% der Inhaberaktien gegen den Uhrenkonzern.
Swatch Group leidet unter der schwachen Nachfrage nach Luxusgütern, vor allem in China, wo sie einen erheblichen Teil ihres Umsatzes erwirtschaftet.
Die Mitte Juli publizierten Zahlen zum ersten Halbjahr waren bereits miserabel ausgefallen. Noch dramatischer präsentiert sich der Jahresabschluss.
Gleichwohl hat der Konzern die Fertigung von Uhren nicht gedrosselt, im Gegenteil. Das Unternehmen produzierte weiter unbeirrt auf Halde, obwohl die Uhrenexporte auch in der zweiten Jahreshälfte unaufhaltsam zurückgingen, diejenigen in den wichtigen Absatzmarkt China sind 2024 um ein Viertel eingebrochen.
Swatch Group ächzt unter der schwachen Führung von Konzernchef Nick Hayek, der in Biel schaltet und waltet, wie er will. Einen effektiven, unabhängigen Verwaltungsrat gibt es nicht. Auch das belastet die ohnehin gedrückte Bewertung der Swatch-Group-Papiere.
Barry Callebaut
Barry Callebaut muss gleich mehrere Herausforderungen bewältigen: Unberechenbare Kakaopreise und die schwächelnde Konsumlaune belasten das Geschäft. Zudem steckt das Unternehmen in einer kostspieligen Restrukturierung, deren Erfolg sich erst im Lauf der nächsten Quartale abschätzen lässt.
The Market sieht Barry Callebaut derzeit im perfekten Sturm – deutet das mit Blick auf die lange Frist aber als Chance. Der weltgrösste Schokoladenproduzent dürfte gestärkt aus dieser Krise hervorgehen – auch wenn die jüngsten Kapriolen der Kakaopreise, die die Schulden steigen lassen und den Cashflow ins Negative gedreht haben, den Weg dahin verlängern.
Die Short-Seller setzen derzeit vor allem auf Letzteres und haben ihren Einsatz gegen Barry Callebaut im März weiter ausgebaut: Mit einer Leerverkaufsquote von mehr als 14% ist das Unternehmen neu auf das Podest vorgerückt.
SIG Group
Trotz einem leichten Abbau der Short-Positionen im März rückte SIG Group auf Rang vier vor – 10% ihrer Aktien sind in den Händen von Leerverkäufern.
Zwar hat der Hersteller von Abfüllanlagen und Getränkekartons die Erwartungen an die operativen Zahlen für das Geschäftsjahr 2024 erfüllt. Doch nun sorgt ein überraschender Rechtsstreit mit dem Grossaktionär Laurens Last – ehemaliger Eigentümer der 2022 übernommenen Scholle IPN und Verwaltungsratsmitglied von SIG Group – für Verunsicherung.
Adecco
Obwohl die Titel von Adecco im Herbst bereits beinahe ihr früheres Allzeittief erreicht hatten, bauten die Short-Seller damals ihre Wetten auf einen noch niedrigeren Kurs massiv aus und erhöhten den Einsatz in den weiteren Monaten zusätzlich – im Februar hatten sie um volle 50% aufgestockt. Im März und bei einem stark anziehenden Kurs haben sie nun aber wieder ebenso kräftig abgebaut. Mit einer Leerverkaufsquote von 8,5% steigt Adecco auf Platz fünf ab.
Den Tiefpunkt hatte der Aktienkurs Mitte Januar markiert. Als das Management jedoch die befürchtete Dividendenhalbierung Tatsache werden liess, damit die Verschuldung endlich gesenkt werden kann, quittierte der Kurs die Klärung dieser Frage mit einem Sprung nach oben. Im bisherigen Jahresverlauf weisen die Aktien nun gar eine bessere Performance auf als der breite Markt.
Leonteq
Im Vormonat hatten Short-Seller ihre Wetten gegen Leonteq mehr als verdoppelt – im März bauten sie diese nun um 20% wieder ab.
Die Aktien von Leonteq befinden sich seit Jahren im Abwärtstrend, den wiederholte Gewinnwarnungen jeweils aufs Neue beschleunigt haben. Anfang Februar schreckte das Management zudem wieder mit einer Hiobsbotschaft auf:
Völlig unerwartet ist das Derivatehaus von der Finanzmarktaufsicht Finma neu der Eigenmittelverordnung unterstellt. Das bedeutet, dass das Eigenkapital regulatorisch gebunden ist, statt dass es via Dividenden und Aktienrückkaufprogramme an die Aktionäre ausgeschüttet werden könnte.
Zudem verteuert der neue regulatorische Status künftiges Wachstum. Dies in einer Situation, in der der Gewinn bereits erodiert und im laufenden Jahr gar Verlust droht.
Die Dividende sollte deshalb um drei Viertel auf noch 25 Rappen gekürzt werden. Dagegen wehrte sich jedoch die Grossaktionärin Raiffeisen und hat an der Generalversammlung vom Donnerstag nun durchgedrückt, dass doch 3 Fr. je Aktie ausgeschüttet werden.
Der Kurs applaudierte mit einem Freudensprung um 10% – die Short Seller wetten allerdings weiterhin darauf, dass die Erholung nur von kurzer Dauer sein wird: Platz sechs.
Kuros
Neu unter den grössten Shorts erscheint Kuros auf Platz sieben.
Der Aktienkurs des Biotechunternehmens hatte sich 2024 vervielfacht, hat seit dem Höchst von 32 Fr. von Mitte November aber wieder auf unter 20 Fr. korrigiert. Die Short Seller gehen davon aus, dass immer noch zu viel Euphorie im Titel steckt und stockten entsprechend ihre Positionen im März um mehr als 20% auf.
Meyer Burger
Weiterhin zu den grössten Shorts im März zählen die Aktien von Meyer Burger. Sie belegten lange Zeit Spitzenplätze, verschwanden jedoch im Rahmen der Kapitalerhöhung vom März 2024 vorübergehend aus der Liste – obwohl den Aktionären weiterhin ein Totalausfall droht.
Seit mehr als zehn Jahren schreibt das Solarunternehmen Verlust, und nach der gescheiterten Verlagerung der Produktion in die USA aufgrund finanzieller Engpässe ist der Weg zur Profitabilität in weite Ferne gerückt.
Mehrfach stimmten die Gläubiger der Verlängerung einer Brückenfinanzierung zu, zudem wurden ein Verkaufsprozess gestartet und für die Zinszahlungen auf Wandelanleihen immer neue Aufschübe vereinbart.
Etwas Zeit ist damit gewonnen und vereinzelte positive Nachrichten wie heute vermögen Kurssprünge auszulösen. Doch es ist mehr als ungewiss, dass eine Restrukturierung Erfolg haben könnte, oder ein allfälliger Käufer so viel für das Unternehmen bezahlt, dass nach der Tilgung der Schulden für die Aktionäre noch etwas übrig bleibt.
Komax
Ein Hin und Her zeigt sich in den Aktien von Komax. Im Januar waren sie aus den Top Ten der grössten Shorts herausgefallen, nun sind sie zurück mit einer Leerverkaufsquote von 6,5%.
Komax leidet unter dem kriselnden Automobilsektor, mit dem das Unternehmen rund 70% des Umsatzes erwirtschaftet. Zudem erschüttert die wachsende Dominanz chinesischer Elektroautohersteller die Marktverhältnisse.
Am Investorentag zeigte sich das Management für 2025 pessimistisch und schob die Mittelfristziele auf 2030 hinaus. Damit droht die bereits jahrelang anhaltende Enttäuschung weiterzugehen.
Die Short Seller jedenfalls setzen darauf und auch The Market ist der Meinung: Komax braucht frischen Wind an der Spitze.
SGS
Neu in der Liste der grössten Shorts taucht im März zudem SGS auf. Die Aktien des Warenprüfkonzerns zeigen derzeit starke Ausschläge.
Grundsätzlich ist The Market von den Perspektiven von SGS überzeugt, die Jahreszahlen stimmten zuversichtlich und liessen die Aktien Mitte Februar ein Mehrjahreshoch erklimmen.
Doch Anfang März platzierte der grösste Aktionär, die Groupe Bruxelles Lambert (GBL), unerwartet 8,5 Mio. SGS-Anteile – entsprechend 4,5% des Aktienkapitals – zu einem Abschlag von fast 6% im Markt. Nach Abschluss der Transaktion ist GBL mit einem Anteil von rund 14,6% weiterhin die grösste Anteilseignerin von SGS. Doch der Abverkauf lastet auf dem Kurs, ebenso die Befürchtung, weitere Veräusserungen könnten kommen.
Die Short Seller haben ihre Wette auf einen weiter sinkenden Kurs im Monatsverlauf jedenfalls mehr als verdoppelt.