Noch immer wartet Vaduz auf den Nachfolger des zurückgetretenen Erzbischofs Wolfgang Haas. Die Freie Liste will mit einem erneuten Vorstoss im Parlament die Trennung von Kirche und Staat durchsetzen.
Im Herbst 2023 trat der liechtensteinische Erzbischof Wolfgang Haas aus Altersgründen zurück. Der Papst hat bis heute keinen Nachfolger ernannt. Der Vorarlberger Bischof Benno Elbs, vom Heiligen Stuhl als Apostolischer Administrator des Erzbistums eingesetzt, hat in einem Interview durchblicken lassen, er wäre nicht unglücklich, von dieser Last befreit zu werden. Im Parlament wartet ein Religionsgesetz über die zukünftigen Beziehungen von Staat und Kirche auf eine weitere Beratung und Verabschiedung. Derzeit scheint die römisch-katholische Kirche in Liechtenstein, die laut Verfassung einen privilegierten Status als «Landeskirche» und damit den «vollen Schutz des Staates» geniesst, in einer Art Schwebezustand zu sein.
Nun werden Regierung und Parlament zusätzlich herausgefordert. Ein überkonfessionelles Komitee hat eine Petition eingereicht und fordert eine möglichst rasche Inkraftsetzung des Religionsgesetzes. Das Gesetz schütze «unsere Gesellschaft vor Sekten, Fanatikern, Fundamentalisten und sonstigem Missbrauch der Religionsfreiheit», so das Komitee.
Noch weiter geht die grün-alternative Freie Liste. Sie startete eine parlamentarische Initiative für eine vollständige Trennung von Staat und Kirche. Es ist bereits der zweite Versuch, in der Verfassung eine Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften zu erreichen. Im September hatte das Parlament wesentliche Teile der Initiative als verfassungswidrig erklärt.
Ziel der Freien Liste bleibt die Verwirklichung der völligen Religionsfreiheit. Wenn die römisch-katholische Kirche den Status als Landeskirche in der Verfassung behalte, bleibe die bevorzugte Stellung gegenüber den anderen Religionsgemeinschaften erhalten. «Mit einer privilegierten Landeskirche schaffen wir keine Religionsfreiheit und nicht die beabsichtigte Gleichstellung der Religionsgemeinschaften», hält die Partei in der Begründung fest.
Um die geforderte Gleichstellung aller Religionen zu erreichen, brauche es einen säkularen Staat, das Festhalten am Verfassungsrang der römisch-katholischen Kirche sei mit einem modernen Religionsrecht nicht vereinbar. Die Verfassung und die Gesetze sollten Werte wie Menschenrechte, Toleranz und Gleichberechtigung unabhängig vom Glauben widerspiegeln, fordert die Freie Liste. Zudem kritisiert die Partei das Fehlen der negativen Religionsfreiheit in der Gesetzgebung: Jede Person sollte frei entscheiden können, sich keiner Glaubensgemeinschaft zugehörig zu fühlen.
Obwohl die Freie Liste für ihre zweite Initiative einige Änderungen vorgenommen hat, ersucht die Regierung nach der juristischen Prüfung des Vorstosses das Parlament, auch auf die erneute Version aus inhaltlichen Gründen nicht einzutreten. Zu diesen Gründen zählt die geforderte Einführung einer Mandatssteuer zur Finanzierung der Religionsgemeinschaften.
Die Freie Liste kritisiert, dass Kosten der Pfarreien durch die Gemeinden über das ordentliche Budget getragen würden. Damit müssten sich alle Steuerzahlenden an der Finanzierung beteiligen. Jedoch sollten Steuerzahlende ohne Religionszugehörigkeit oder mit privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften nicht gezwungen werden, Gemeinschaften zu unterstützen, denen sie sich nicht zugehörig fühlen.
Die Freie Liste schlägt vor, dass staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften zwei Prozent der Vermögens- und Erwerbssteuer von Land und Gemeinden erhalten. Steuerpflichtige sollten frei entscheiden können, ob sie ihren Anteil einer bestimmten Religionsgemeinschaft zukommen lassen möchten – andernfalls bleibt dieser Betrag im allgemeinen Steueraufkommen.
Die Regierung unterbreitete dem Parlament Anfang Jahr eine weitere Vorlage mit einem anderen Ansatz: Neuordnung statt Entflechtung. Als wesentliches Ziel formulierte die Regierung die Gleichbehandlung der vom Staat anerkannten Religionsgemeinschaften. Die Vorlage verabschiedete sich auch von dem Ansinnen, eine vollständige vermögensrechtliche Entflechtung zu erreichen. Massgebend dafür sei die Einsicht gewesen, dass jede Gemeinde über eine eigene, über Jahrhunderte gewachsene Struktur aufweise, was eine generelle Regelung praktisch verunmögliche.
Obwohl die Vorlage der Regierung die Gleichbehandlung der vom Staat anerkannten Religionsgemeinschaften unterstreicht, soll das 1921 in der Verfassung festgeschriebene Privileg der römisch-katholischen Kirche erhalten bleiben. Dieser Status entspreche der historischen und gesellschaftlichen Bedeutung der Landeskirche, argumentiert die Regierung. Die von der Freien Liste eingebrachte parlamentarische Initiative steht damit im Widerspruch zur Regierungsvorlage.
Bis heute sind sämtliche Anläufe seit der Gründung des Erzbistums im Jahr 1997, die eine Trennung oder eine Entflechtung durchsetzen wollten, gescheitert. Auch das Vorhaben, mit dem Heiligen Stuhl ein Konkordat auszuhandeln, konnte bisher nicht verwirklicht werden. Die seit einem Vierteljahrhundert dauernden Diskussionen über das richtige Modell werden mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einige Zeit anhalten.