Die Kita-Betreuung von Kindern im Vorschulalter ist für Eltern in der Schweiz kostspielig. Woran das liegt und was sich ändern könnte – und warum auch aus der Wirtschaft Rufe lauter werden, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern.
Für berufstätige Eltern ist es oft eine grosse Herausforderung, die Kinder während der Arbeitszeit betreuen zu lassen. Bei vielen Familien helfen die Grosseltern mit, und die Eltern reduzieren ihre Arbeitspensen. In der Vorschulzeit sind indessen auch Kindertagesstätten (Kitas) sehr wichtig.
Doch die Betreuung von Kindern in der Kita in der Schweiz gilt im internationalen Vergleich als teuer – selbst wenn man sie in Relation zu den hohen Löhnen hierzulande setzt.
Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die 2021 veröffentlichte Studie «Where do rich countries stand on childcare?» von Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Für Mittelklasse-Eltern sei Kinderbetreuung unter 41 Ländern in Irland, Neuseeland und der Schweiz am wenigsten erschwinglich, heisst es darin. Um die Betreuung von zwei Kindern zu bezahlen, müsse ein Paar zweier Durchschnittsverdiener zwischen einem Drittel und der Hälfte eines Lohnes der beiden Partner aufwenden.
Kosten von 130 Franken am Tag
Eine Studie der Grossbank Credit Suisse aus dem Jahr 2021 analysiert die Kinderbetreuungskosten in der Schweiz in einem regionalen Vergleich. Laut dieser zahlten Eltern mit höheren Einkommen in Bern, Zug und Zürich am meisten für einen Platz ihrer Kinder in einer Kindertagesstätte, die Median-Tarife lagen bei 130 beziehungsweise 127 Franken pro Tag. Geht ein Kind also drei Tage pro Woche dort in eine Kita, fallen Kosten von 1600 bis 1700 Franken pro Monat an, bei zwei Kindern ist es das Doppelte.
Wie die Studie weiter ausführt, nahmen 2021 rund 40 Prozent der Schweizer Haushalte externe Kinderbetreuung in Anspruch. Als einer der Gründe dafür, dass der Prozentsatz nicht höher lag, gelten die Kosten.
Eltern zahlen grossenteils die Löhne der Kita-Angestellten
Die Studie der Credit Suisse untersucht die Situation in 194 Schweizer Gemeinden. Laut der Studie hatten 2021 die Westschweizer Kantone Genf und Neuenburg die günstigsten Elterntarife. Am teuersten war die Kinderbetreuung in den Zentralschweizer Kantonen sowie in Basel-Stadt, Zürich und Solothurn.
Es gibt verschiedene Gründe, weshalb die Kosten für die Betreuung von Kindern im Vorschulalter in der Schweiz vergleichsweise hoch sind.
Weniger Subventionen als in anderen Ländern: Dies liegt zunächst einmal daran, dass in der Schweiz in der Regel eine höhere finanzielle Beteiligung der Eltern verlangt wird als in anderen Ländern. «In den meisten Ländern wird einfach breiter subventioniert als in der Schweiz», sagt Marco Salvi, Senior Fellow beim Think-Tank Avenir Suisse. In der Schweiz engagiert sich der Staat gezielter: Subventionen sind stärker einkommensabhängig. Dafür bleibt den Arbeitnehmern aber «mehr netto vom Brutto» als in vielen anderen Ländern.
Wie die CS-Studie ausführt, ist die Subventionierung Aufgabe des jeweiligen Kantons und/oder der Gemeinden. Kinderbetreuung liegt in deren Zuständigkeitsbereich, der Bund übernimmt eine untergeordnete Rolle. Bei den Subventionssystemen herrsche ein «wirres Durcheinander», da die Finanzierungsformen und die Zuständigkeitsstufen unterschiedlich seien. So können die Kosten für die Kinderbetreuung auf Gemeindeebene und sogar innerhalb der Gemeinden stark variieren.
Kindertagesstätten, in denen Kinder im Vorschulalter betreut werden, sind in der Schweiz zumeist privat betrieben und werden zu grossen Teilen durch die Zahlungen der Eltern finanziert. Günstiger wird die Betreuung im Allgemeinen, sobald die Kinder in den Kindergarten kommen. Dies ist in der Regel im Alter von vier Jahren der Fall – was im internationalen Vergleich eher spät ist.
Höhere Löhne und höhere Mieten: Dass die Löhne und Mieten in der Schweiz höher seien als in anderen europäischen Ländern, dürfte ebenfalls ein Grund für die höheren Kosten der Kinderbetreuung sein, sagt Salvi. Dabei ist zu beachten, dass es letztlich die Eltern sind, die einen Grossteil der Löhne der Kita-Angestellten bezahlen.
Dass die Kita für diese teuer wirkt, heisst nicht, dass Kita-Angestellte viel verdienen. Jedenfalls ist die Fluktuation hoch. Laut Maximiliano Wepfer vom Verband Kinderbetreuung Schweiz (Kibesuisse) liegt die Austrittsquote von Mitarbeitenden in der familienergänzenden Bildung und Betreuung mit 30 Prozent pro Jahr dreimal höher als im Durchschnitt aller Branchen. Laut einer Umfrage von Kibesuisse hat zudem im Jahr 2022 jede dritte Kindertagesstätte in der Schweiz Verluste geschrieben. Laut Wepfer sind viele Kitas dazu gezwungen, in der täglichen Arbeit auf Personen ohne abgeschlossene pädagogische Ausbildung zurückzugreifen.
Höhere Auflagen als in anderen Ländern: Beim Aufwand für die Kinderbetreuung könnten auch die Kosten von Auflagen beziehungsweise Regulierungen relevant sein. «Diese spielen bestimmt eine Rolle, aber keine herausragende», sagt Salvi von Avenir Suisse. Auflagen wie etwa minimale Betreuungsschlüssel gebe es in vielen anderen Ländern auch. «Die Neigung zum ‹Swiss finish› ist aber tendenziell auch in diesem Bereich spürbar», sagt er. Mit «Swiss Finish» sind strengere Regeln im Vergleich mit dem Ausland gemeint. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob dies nicht auch von den Eltern in der Schweiz gefordert wird.
Hohe Kosten als Standortnachteil
Derweil ist in den vergangenen Jahren Bewegung in die Diskussion über die Kosten der Kinderbetreuung gekommen. Diese gelten als Standortnachteil, was auch Wirtschaftskreise hellhörig gemacht hat. Zusammen mit dem Fachkräftemangel hat dies dafür gesorgt, dass Rufe aus der Wirtschaft nach Änderungen lauter geworden sind.
So kritisiert der Schweizerische Arbeitgeberverband die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Schweiz als «nachweislich ungenügend». Dies zeige sich unter anderem in der hohen Teilzeitaktivität und den tiefen Arbeitspensen von Müttern, sagt Simon Wey, Chefökonom des Verbands.
Gut ausgebildete Mütter arbeiten Teilzeit
Die Schweiz hat hinter den Niederlanden bei den Erwerbstätigen den zweithöchsten Teilzeitanteil in Europa. Bei Frauen betrug dieser im Jahr 2022 rund 58 Prozent, bei Müttern sogar fast 80 Prozent. Statistiken zeigten, dass Mütter überdurchschnittlich gut ausgebildet seien und viele von ihnen gerne mehr arbeiten würden, sagt Wey. Es fehlten aber Betreuungsangebote im Vorschul- und Schulbereich, um dieses brachliegende Arbeitskräftepotenzial zu aktivieren. Der Arbeitgeberverband sieht zwar die Unternehmen in der Pflicht, familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu schaffen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.
In einem Positionspapier fordert der Verband indessen auch, dass der Staat die Rahmenbedingungen in Form von steuerlichen Anreizen sowie genügend bezahlbaren Drittbetreuungsangeboten für Kinder sicherstellt und finanziert. Das so investierte Steuergeld fliesse kurz- bis mittelfristig in Form von höheren Steuereinnahmen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie mittel- bis längerfristig durch tiefere Sozialleistungen für Mütter und Kinder in die Staatskasse zurück, behauptet er.
Arbeitgeber rufen nach dem Staat
Drücken sich die Arbeitgeber also bei den Kita-Kosten, indem sie vor allem nach staatlichen Subventionen rufen? «Einzelne Vertreter der Arbeitgeberseite dürften versucht sein, die Kosten eines höheren Subventionsanteils auf die Allgemeinheit beziehungsweise die Steuerzahler zu überwälzen», sagt der Avenir-Suisse-Vertreter Salvi.
Es dürfe aber nicht vergessen werden, dass alle Schweizer Unternehmen die Eltern unterstützten, indem sie vergleichsweise hohe Löhne zahlten, sagt er. Viele Firmen – meist seien es Grossunternehmen – böten noch zusätzliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung, weil sie sich damit erhofften, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzuziehen, die sie suchten.
Verschiedene politische Vorstösse zur Kinderbetreuung
Auf politischer Ebene gibt es derweil mehrere Vorstösse zum Thema Kinderbetreuung. Da ist zum einen die Volksinitiative «Für eine gute und bezahlbare familienergänzende Kinderbetreuung für alle (Kita-Initiative)» der SP. Diese will in die Verfassung schreiben, dass jedes Kind ab dem Alter von drei Monaten bis zum Ende der Grundschule einen Anspruch auf eine familienergänzende Kinderbetreuung hat – wenn die Eltern diese Angebote in Anspruch nehmen wollen.
Der Bundesrat hat im September beschlossen, die Initiative dem Parlament zur Ablehnung zu empfehlen. Sie würde den Finanzhaushalt des Bundes mit Mehrkosten in Milliardenhöhe massiv belasten, heisst es in einer Mitteilung. Zudem handle es sich um einen Bereich, der hauptsächlich in der Zuständigkeit von Kantonen und Gemeinden liege. Laut Initiativtext hätte der Bund zwei Drittel der Kosten zu übernehmen.
Auch die parlamentarische Initiative «Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung» der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) vom Februar 2021 sieht eine Beteiligung des Bundes an der Senkung der Kosten der Eltern für die Finanzierung der Kita-Plätze vor. In ihrem Rahmen diskutiert das Parlament einen Gesetzesentwurf. Laut Bundesrat dürften sich die Kosten der Vorlage für den Bund im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes auf rund 710 Millionen Franken belaufen.
Kommission des Ständerats bremst Gesetzentwurf
Nachdem der Gesetzentwurf im März den Nationalrat passiert hatte, trat die Ständeratskommission WBK-S auf die Bremse. Die Mehrheit optierte für ein anderes Modell. Dieses schliesst an die bereits existierenden Familienzulagen an und will hier ein neues Instrument einführen – eine zusätzliche Betreuungszulage. Anders als beim Modell des Nationalrates können die Empfänger der Betreuungszulage wählen, wie sie die Betreuung der Kinder organisieren. Überdies sei es gerechtfertigt, dass auch die Wirtschaft in die Finanzierungsverantwortung eingebunden werde, heisst es in einer Mitteilung der WBK-S.
Im Laufe ihrer Beratungen hat nun die ständerätliche Bildungskommission beschlossen, einen Zusatzbericht als Grundlage für die Vernehmlassung zur Betreuungszulage zu erarbeiten. Momentan gebe es hinter den Kulissen eine Art Ringen zwischen Bund, Kantonen sowie Arbeitgebern, ist in Behördenkreisen zu hören. Es sei nicht klar, was dabei herauskomme.
Beteiligung der Männer bei Kinderbetreuung wichtig
Für noch wichtiger als günstige Kitas hält Salvi indessen die Beteiligung der Männer an der Familienarbeit. Er verweist auf die nordischen Länder, die eine relativ hohe Fertilität und eine sehr hohe Männerbeteiligung an Haushalt und Kinderbetreuung haben. Allerdings seien Kitas dort auch sehr günstig, was die Analyse von Länderdaten eben schwierig mache.
Ein vielversprechender Ansatz, dafür zu sorgen, dass Frauen ihre Arbeitspensen erhöhen, sei schliesslich der Übergang zur Individualbesteuerung. Diese würde die Frauen weniger steuerlich bestrafen, wenn sie ihre Pensen erhöhten – und das ganz ohne Subventionierung durch den Staat, sagt Salvi.