Innerhalb weniger Jahre verschwanden Hunderte von selbständigen Instituten. Unicredit möchte mit der Übernahme des Banco BPM endgültig zum Marktführer in Italien aufsteigen.
Mit dem Einstieg von Italiens drittgrösster Bank BPM bei der teilstaatlichen Monte dei Paschi di Siena (MPS) schien die tiefgreifende Konsolidierung in Italiens Bankenlandschaft abgeschlossen zu sein. Das Übernahmeangebot von Unicredit für BPM könnte die Karten aber nochmals neu mischen. Im Erfolgsfall entstünde eine neue Nummer eins in Italien – vor dem bisherigen Marktführer Intesa Sanpaolo.
Doch Rom hätte ein Problem. Denn der Unicredit-CEO Andrea Orcel hat erklärt, an der Monte dei Paschi «nicht interessiert» zu sein. Italiens Regierung müsste dann einen neuen Partner für die frühere Krisenbank suchen, die 2017 mit einer staatlichen Finanzspritze von 5,4 Milliarden Euro gerettet werden musste.
Orcel prüfte 2021 die Übernahme der Monte dei Paschi, entschied sich aber dagegen. Die Gründe hat Unicredit nie kommuniziert. In Bankenkreisen hiess es aber damals, die Kosten seien zu hoch, es gebe versteckte Risiken und politische Einflussnahmen.
Rom dementierte Gerüchte, es sei ein Notstandsdekret geplant, um eine Übernahme von BPM durch Unicredit zu verhindern. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni spricht von einer Entscheidung des Marktes. Doch sie droht, dass «die Regierung über Instrumente verfügt, um einzugreifen, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass die Transaktion nicht im nationalen Interesse liegt».
Marktkonsolidierung hat sich positiv ausgewirkt
Die italienischen Banken stehen heute besser da als je zuvor. Per Ende September haben allein die fünf grössten Institute Gewinne von 29,4 Milliarden Euro vermeldet. Die Kapitalquoten sind solide. Die Ausschüttungen an die Aktionäre riesig. Der Anteil fauler Kredite ist gering.
Das ist auch das Ergebnis einer beispiellosen Konsolidierung. Innerhalb weniger Jahre sank die Zahl selbständiger Institute von 500 auf etwa 100. Unter den verbliebenen Banken befinden sich die Grossbanken, die angesichts des grossen Vermögens der Italiener verstärkt auf die Vermögensverwaltung und Versicherungslösungen setzen sowie auf Online-Banken wie Fineco und Illimity. Im Vergleich zur Schweiz oder Deutschland gibt es viel weniger Volksbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken.
Als eines der letzten Institute verlor 2022 die Banca Popolare di Sondrio ihren Status als Volksbank. Gegen ihren Willen mussten die Anteilseigner Ende Dezember 2021 der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft zustimmen. Nach diversen Gerichtsentscheiden blieb den Aktionären, die in der 150-jährigen Geschichte immer eine Dividende erhalten hatten, nichts anderes übrig, als grünes Licht für die Umwandlung zu geben. Die Versicherung Unipol ist heute mit fast 20 Prozent Grossaktionär.
Bei der Bankenkonsolidierung hat auch die Politik mitgemischt. Ministerpräsident Matteo Renzi hatte 2015 die Umwandlung aller Volksbanken mit einer Bilanzsumme von mehr als 8 Milliarden Euro in Aktiengesellschaften beschlossen. Die Institute sollten durch Fusionen stabiler werden. Infolge der Finanzkrise hatten viele von ihnen Probleme bekommen und mussten vom Steuerzahler gerettet werden.
Stefano Caselli, der Dekan der Mailänder SDA Bocconi School of Management, sagt: «Die Konsolidierung in Italien war auch Ergebnis des Drucks der Märkte und des von den Aufsichtsbehörden in Europa eingeschlagenen Kurses.» In Deutschland sei der Druck auf das Bankensystem, sich zu verändern, geringer gewesen. Das könne sich in der gegenwärtigen Krisensituation allerdings ändern, so dass der Druck auf eine Konsolidierung auch in Deutschland zunehmen könnte.
Symbiose zwischen lokalen Entscheidungsträgern
Von den einst 474 Volksbanken sind nur rund 20 übrig. Von den 10 grössten Volksbanken landeten 4 bei der Intesa Sanpaolo. Die Konsolidierung ist auch Konsequenz der über viele Jahre zu engen Symbiose von lokalen Entscheidungsträgern mit Banken- und Firmenvertretern. Hunderttausende von Anteilseignern und Steuerzahlern zahlten die Zeche. Der Niedergang vieler Institute hatte auch mit unprofessionellen Anlagen, Korruption und Vetternwirtschaft zu tun.
Der frühere Präsident der heute zur Intesa Sanpaolo gehörenden UBI Banca Andrea Moltrasio ist der Meinung, die Grossbanken kennten die Probleme vieler lokaler Unternehmer gar nicht. Diese hätten keine Ansprechpartner mehr vor Ort.
Caselli findet, die Konsolidierung müsse weitergehen: «Es braucht heute keine kleinen Banken mehr, die lokal verankert sind, sondern grosse Banken mit einer anderen Governance, die Investoren anlocken und in der Lage sind, in neue Technologien zu investieren.» Ein Beispiel dafür sei Unicredit. Die Bank sei finanziell stark und sehr gesund und könne sich die Übernahme sowohl der deutschen Commerzbank als auch des italienischen Banco BPM leisten. Letztlich entscheide aber der Markt, und der sage im Moment Nein.