Enttäuschende Nachrichten aus dem amerikanischen Einzelhandel häufen sich. Jüngstes Beispiel ist Nike. Die Aktien des weltgrössten Sportartikelherstellers büssen nach einer Umsatzwarnung 12% ein. Seine Probleme sind symptomatisch für eine breite Abschwächung des Konsums.
So war das nicht gedacht: Mit dem Abschluss zum Ende Mai abgelaufenen Geschäftsjahr 2024 sollte Nike Investoren eigentlich demonstrieren, dass sich die Aussichten auf Wachstum dank einer Neuausrichtung des Produktportfolios aufhellen. Doch wie sich am Donnerstagabend bei der Resultatpublikation herausgestellt hat, wird aus dem geplanten Comeback vorerst nichts.
Massgeblich verantwortlich dafür sind zwei Faktoren. Erstens verlangsamt sich das Geschäft in der Grossregion China seit Anfang April «wegen der wachsenden Unsicherheit bezüglich des makroökonomischen Umfelds». Auch «rund um die Welt» machen Nike zweitens «ungleichmässige Konsumtrends» zu schaffen, wie Finanzchef Matthew Friend das Problem diplomatisch bezeichnete.
Das gilt ebenso für Nordamerika, dem grössten Absatzmarkt. Der Umsatz in der Region sank im vierten Geschäftsquartal um 1% auf 5,28 Mrd. $, womit die Analystenschätzungen von 5,45 Mrd. $ verfehlt wurden. Im Direktverkauf sank der Umsatz 9%, im Onlinevertrieb sogar 11%. Im Grosshandel mit Vertriebspartnern wie Foot Locker resultierte ein Plus von 6%, was aber primär am vorteilhaften Timing von Bestellungen für den laufenden Berichtszeitraum lag.
Ausblick wird gedämpft
Das Gesamtresultat sieht damit nicht gut aus. Konzernweit sank der Umsatz für das vierte Quartal um 2% auf 12,61 Mrd. $. Der Gewinn stieg aufgrund von Sparmassnahmen und Restrukturierungskosten in der Vorjahresperiode von 1,03 auf 1,5 Mrd. $. Für das Gesamtjahr blieben die Einnahmen de facto unverändert bei 51,36 Mrd. $ – die schwächste Entwicklung seit 2010, abgesehen von den Verwerfungen während der Pandemie.
Für die grösste Enttäuschung sorgt der Ausblick. Nike prognostiziert für das Geschäftsjahr 2025 neu einen Umsatzrückgang im einstelligen Prozentbereich, wobei das erste Semester gemäss dem Management besonders schwach verlaufen werde. Bislang war eine Rückkehr zu Wachstum in Aussicht gestellt worden.
Die Reaktion an der Börse ist harsch. Der Aktienkurs zog am Donnerstag im nachbörslichen Handel in New York unmittelbar nach der Veröffentlichung der Zahlen bis zu 4% an, sackte dann aber wenige Minuten später rasch ab. Als der Earnings Call mit Analysten zu Ende war, notierten die Titel mehr als 12% tiefer. Dies, nachdem der Kurs seit Anfang Jahr bisher bereits 13% eingebüsst hatte.
Die Ursachen für die durchwachsene Performance hängen teilweise mit hausgemachten Problemen zusammen. Das Unternehmen steht in der Kritik, dass es in Sachen Innovation einer wachsenden Konkurrenz hinterherhinke. Auch lieferte die Strategie, den Direktvertrieb zu forcieren, nicht die gewünschten Resultate.
Dass die Aktien seit Monaten unter Druck stehen, liegt aber zu einem wesentlichen Teil auch am generell schwierigen Umfeld für konsumnahe Unternehmen. Während im Schlüsselmarkt USA Haushalte aus der obersten Einkommenskategorie von höheren Zinsen und der Hausse am Aktienmarkt profitieren, trübt sich die Stimmung beim Gros der Konsumenten mehr und mehr ein.
Kein Einzelfall
Diese besorgniserregende Entwicklung reflektiert sich nicht nur in den Konjunkturdaten, die seit Ende April mehrheitlich hinter den Schätzungen von Ökonomen zurückbleiben. Sie lässt sich auch den Aussagen anderer Konsumgüterhersteller entnehmen, wenn man ihnen bei der Einschätzung zu den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zuhört.
«Die Leute sind generell vorsichtig», hiess es etwa am Mittwochabend beim Abschluss von Levi Strauss. «Es ist nicht unbedingt ein Umfeld, in dem die Leute viel kaufen», sagte das Management des Modehauses. Auch in diesem Fall reagierten Investoren ungnädig. Die Titel schlossen am Donnerstag im regulären Handel 15% tiefer.
Ein weiterer Fall: Die Apothekenkette Walgreens kündigt die Schliessung einer «signifikanten» Anzahl Filialen an. «Wir sehen uns nach wie vor mit einem schwierigen operativen Umfeld konfrontiert, einschliesslich des anhaltenden Drucks auf den US-Verbraucher», begründet der Konzern die Restrukturierung. Investoren schickten die Aktien an der gestrigen Börsensitzung 22% auf Talfahrt.
Nicht besser klingt es bei Darden Restaurants: «Die Verbraucher sind generell besorgt über die Inflation, und sie machen sich zunehmend Sorgen über den Arbeitsmarkt», sagte CEO Rick Cardenas letzte Woche beim Quartalsabschluss. Das Unternehmen, zu dem die Restaurantkette Olive Garden gehört, bewege sich «in einem zunehmend schwächeren Verbraucherumfeld, speziell für Konsumenten unterhalb des mittleren Haushaltseinkommens.»
Das sind nur einige aktuelle Beispiele. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Dass immer mehr Konsumenten in Schwierigkeiten stecken, verdeutlichen auch die News aus der Fastfood-Industrie. Nachdem die Preise für Burger, Chicken Nuggets und Tacos im Nachgang der Pandemie empfindlich gestiegen waren, sackt die Nachfrage nun ab. Ein klares Anzeichen dafür ist das Sparmenü für 5 $, das McDonald’s diese Woche lanciert hat, um mit vergleichbaren neuen Angeboten von Burger King und anderen Konkurrenten mitzuhalten.
Betrachtet man das Kursbild, erkennt der Markt schon seit einiger Zeit, dass das Narrativ der «Teflon-Wirtschaft» USA immer mehr Kratzer abbekommt. Während wenig konjunkturempfindliche Aktien wie Procter & Gamble oder Coca-Cola kontinuierlich weiter steigen, fallen zyklische Titel wie Nike, McDonald’s oder Starbucks zurück – ein problematischer Trend, den Investoren im Auge behalten sollten.