Weil Werbung für Online-Kasinos in der Schweiz verboten sind, läuft gegen Sauber nun ein Verfahren. Das Team aus Hinwil hat das antizipiert – und vorgesorgt.
Aufmerksamkeit gilt in der Formel 1 als wichtige Währung, deshalb versuchen Teams und Sponsoren alles, um sich gegenüber den Konkurrenten in der boomenden Rennserie besser zu positionieren.
Allein auf die Wirksamkeit sportlicher Erfolge, die Aura grosser Rennfahrer oder ihre Tradition können nur die Top-Teams von Red Bull, Mercedes und Ferrari bauen. Alle anderen Rennställe im Zehner-Feld müssen kräftig um Hauptsponsoren buhlen, das ist trotz der wachsenden Reichweite der Königsklasse des Motorsports nicht einfacher geworden. Schliesslich geht es um Werbegelder von zehn Millionen Franken aufwärts – pro Saison.
Sauber ist mit dem neuen Rennwagen ein Coup gelungen
So gesehen ist der Sauber Motorsport AG mit der Präsentation des Rennwagens C44 ein besonders auffälliger Coup gelungen, das Fahrzeug mit seinen giftgrünen Applikationen wird im Rennbetrieb optisch sicher eines der auffälligsten sein. Die Vokabel «giftig» gilt allerdings auch in anderer Hinsicht. Denn mit der von den Fans und offenbar auch von der Formel-1-Organisation ungeliebten Umbenennung zu «Stake F1 Team Kick Sauber» hat das Team aus Hinwil eine eher unerwünschte Aufmerksamkeit erlangt.
The C44, Unleashed 💚🖤 pic.twitter.com/On1VpWLVmx
— Stake F1 Team (@stakef1team) February 5, 2024
SRF vermeldete, dass die Eidgenössische Spielbankenkommission ein Verfahren gegen Sauber eingeleitet hat. Dabei geht es um den neuen Namensgeber Stake, der gern mit «Unterhaltungsmarke» umschrieben wird. Doch dabei handelt es sich um ein australisches Krypto-Kasino, das auch Sportwetten anbietet.
In einigen Ländern, in denen Formel-1-Rennen stattfinden, ist Werbung für Glücksspiele verboten, dort soll dann nur die Schwesterfirma Kick beworben werden, eine nicht unter die Restriktionen fallende Streaming-Plattform. «Alternativer Team-Namen» nennt sich dieser Trick, der darauf hindeutet, das Sauber schon vorab mit Gegenwind gerechnet hat.
Bereits im Vorjahr, als die Sponsoren noch deutlich kleiner auf den Autos zu finden waren, wurde Stake bei bestimmten Rennen abgedeckt. Doch nun, da das ganze Team nach dem Willen der Marketingabteilung so heisst, wird das schwieriger. SRF Sport hat wegen des Werbeverbots für in der Schweiz unerlaubte Geldspiele entschieden, Stake nicht zu nennen. Auf die drohende Busse von bis zu 500 000 Franken reagierte der Team-Repräsentant Alessandro Alunni Bravi laut «Tagesschau» gelassen: «Wir halten uns immer an alle geltenden Gesetze, auch in der Schweiz. Und natürlich haben wir alle Massnahmen ergriffen, um diese einzuhalten.» Der italienische Jurist dürfte genau wissen, was auf dem Spiel steht.
Die kreative Art der Geldbeschaffung begleitet die Formel 1 seit Ende der 1960er Jahre, als die klassischen Werbepartner aus der Automobil- und Zuliefererindustrie abgelöst wurden von Tabak- und Getränkekonzernen. Vom Image her passte das gut, damals griff der Weltmeister James Hunt erst zur Zigarette und dann zum Siegerpokal.
Die Autos wurden zu rasenden Litfasssäulen, und manche Rennställe und Rennwagen wurden zum Synonym ihrer Sponsoren. Lotus beispielsweise mit John Player Special, vor allem aber Ferrari mit Marlboro. Die stolze Scuderia passte sogar den heiligen Farbton ihrer Autos dem Rot der amerikanischen Marke an. Auch die Getränkeindustrie fuhr eifrig mit, wenngleich es ihr schon schwerer fiel, in den Werbebotschaften von der Unvereinbarkeit von Alkohol und Autofahren abzulenken. Die Rennstrecke, die wir heute als «Le Castellet» kennen, hiess damals noch «Paul Ricard» – nach dem Begründer der Pastis-Marke. Gestört hat das niemanden, schon damals verschlang die Hightech-Serie riesige Summen. Alle zahlungskräftigen Sponsoren waren willkommen.
Nachdem zunächst in vielen europäischen Ländern Werbeverbote oder Selbstbeschränkungen galten, kamen andere Markenartikler ins Spiel, eine Zeitlang auch Banken und Versicherungen, heute vor allem Unternehmen aus der Digitalindustrie. Trotzdem hat der Marlboro-Mutterkonzern Philipp Morris stets sein Ferrari-Sponsoring aufrechterhalten, auch als 2005 die strengen EU-Richtlinien in Kraft traten.
Logo und Name der Zigarette waren zwar längst vom Auto verschwunden, aber ein Strichcode und geometrische Elemente suggerierten dem flüchtigen Blick, dass da immer noch stünde, was da nicht mehr stehen durfte. Vor wenigen Jahren hob die Firma eine Diskussionsplattform namens «Mission Winnow» aus der Taufe, für die Ferrari wieder offiziell werben konnte. Doch die verkappte Imagewerbung flog auf und wurde aus Angst vor Prozessen zurückgezogen.
Die Konzerne fanden immer Mittel, die Werbung doch auf den Rennwagen zu platzieren
Mit einem Augenzwinkern hatte sich die deutsche Zigarettenmarke West in Ländern mit Werbeverboten in East umbenannt, die Umlackierung war einfach zu bewerkstelligen. British American Tobacco, einer der grossen Tabakkonzerne der Welt, brachte von 1998 bis 2005 zusammen mit dem Manager von Jacques Villeneuve einen eigenen Rennstall an den Start, der sich nur wenig verklausuliert «British American Racing» nannte, aber die Behörden waren machtlos.
Mittlerweile sind zumindest Alkoholhersteller wieder in die Formel 1 zurückgekehrt, meist als Hauptsponsoren der Serie insgesamt oder einzelner Rennveranstalter. Zur Rechtfertigung bemühen Whisky-Firmen dann die Erzählung, über den populären Sport zum verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol zu erziehen.
Max Verstappen hat mit einer niederländischen Biermarke einen persönlichen Vertrag abgeschlossen, der bis 2029 läuft. Das Augenmerk liegt dabei auf alkoholfreien Produkten. Viele ehemalige Rennfahrer, von Jackie Stewart über Mika Häkkinen bis Nico Rosberg, agieren zudem als scheinbar unverfängliche Markenbotschafter.