Im tief gefallenen HC Lugano folgt die nächste Neuausrichtung: Der Trainer Luca Gianinazzi und der Sportchef Hnat Domenichelli müssen weichen. Trotzdem könnte alles beim Alten bleiben.
Der HC Lugano erweckte in den vergangenen Monaten zunehmend den Eindruck, nur ein einziges Saisonziel zu haben: den Trainer Luca Gianinazzi irgendwie durch den Winter zu bringen. Gianinazzi, 32, war im Oktober 2022 auf Chris McSorley gefolgt und brachte Lugano in mehr als zwei Jahren keinen Schritt vorwärts. Es schien seine wichtigste Qualität zu sein, dass er «uno di noi» ist, ein Sohn des Klubs.
Lugano hat so viele Richtungs- und Strategiewechsel hinter sich, dass dieses Attribut den Verantwortlichen um die Präsidentin Vicky Mantegazza und den CEO Marco Werder schon genügte.
Sie sahen in Gianinazzi und dem Sportchef Hnat Domenichelli die Gelegenheit, den Rivalen Ambri-Piotta zu kopieren, in dem seit 2017 das Duo Paolo Duca und Luca Cereda wirkt. Das hat Ambri zwar keinen durchschlagenden sportlichen Erfolg gebracht hat, aber doch Ruhe, Goodwill und Stabilität. Sprich: keine Armada an entlassenen Trainern und Funktionären mehr, die das Budget belasten.
Domenichelli hielt Wort: Gianinazzi war sein letzter Trainer
Von Eintracht und Wonne ist der HC Lugano weit weg; so tief wie in dieser Saison ist der Klub seit der Rückkehr in die höchste Liga von 1982 nie gefallen. Eine Mannschaft, die auf dem Papier wenig Mühe haben sollte, die Top-6 zu erreichen, belegt den vorletzten Tabellenrang 13.
Nach den Niederlagen gegen Lausanne und Ajoie vom Wochenende war Gianinazzi nicht mehr zu halten. Am Montagmorgen verkündete Lugano die Trennung, mit ihm verlassen auch seine Assistenten und Domenichelli den Klub. An Letzterem war es zuletzt hängen geblieben, die Verteidigungsreden für den Trainer zu schwingen. Der ehemalige NHL-Stürmer tat das mit bewundernswerter Tapferkeit, auch nach den schmählichsten Niederlagen, wirkte aber selbst zunehmend resigniert. Bei der Einstellung Gianinazzis hatte er gesagt, dass das sein letzter Trainer sein werde. Man muss es ihm anrechnen, dass er Wort gehalten hat.
Die Präsidentin Mantegazza sagte: «Es ist eine Entscheidung, die uns sehr weh tut, die uns traurig macht, auch auf menschlicher Ebene. «Luca ist ein kompetenter, seriöser und gut vorbereiteter Mensch, aber das Team ist in ein schwarzes Loch geraten und eine Änderung war nötig.»
Gianinazzi ist nicht der erste Trainer, den Mantegazza mit aller Macht zu protegieren versuchte, ehe das Experiment aufgrund miserabler Resultate doch abgebrochen werden musste: Beim heutigen Nationaltrainer Patrick Fischer war es vor ziemlich genau zehn Jahren ähnlich gewesen.
Fischers Beispiel zeigt, dass man junge Trainer nicht vorschnell abschreiben sollte. Und doch: Der CEO Werder dürfte als Einziger der Ansicht sein, dass Gianinazzi «bewiesen hat, dass er ein National-League-Team führen kann» und «einen grossartigen Job gemacht hat».
Vielleicht zeugen diese warmen Worte zum Abschied von Grandezza, aber falls das wirklich die tiefste Überzeugung Werders ist, sollte Lugano möglicherweise überdenken, wie intensiv der CEO bei der Suche nach einer Nachfolgeregelung involviert sein sollte.
Gianinazzi scheiterte auch daran, dass er die Kultur Luganos in der Ära Vicky Mantegazzas ein bisschen zu stark verinnerlichte: hier noch ein Posten als Assistenztrainer für einen Kumpel, dort eine Stelle für eine alte Seilschaft. Nirgendwo wird das Prinzipu von «La Famiglia» so exzessiv gelebt wie in Lugano: Wer einmal etwas für diesen Verein geleistet hat, gehört dazu und nach Wunsch auf die Lohnliste.
Die Denkmalpflege hat etwas Romantisches, aber angesichts der miserablen Resultate der letzten Dekade ist es vermutlich an der Zeit, den Klüngel zu entwirren und einen starken Mann einzusetzen, der von aussen kommt und nicht in erster Linie ein Beziehungsnetzwerk unterfüttern möchte. So schwer das Mantegazza zu fallen scheint, dieser Handschlagpräsidentin, der im Tessin immer wieder einmal vorgehalten wird, sie lasse sich zu sehr von ihrem Fan-Herzen leiten.
Ein wildes Gerücht kursiert im Tessin: Der ehemalige Star-Verteidiger Julien Vauclair könnte zurückkehren
Lugano hat seit 2006 keinen Titel und seit 2018 keine Play-off-Serie mehr gewonnen. Dieser stolze Klub wirkt zunehmend orientierungs- und planlos: 2019 wurde der Trainer Sami Kapanen engagiert, weil der gerade mit Kuopio den Spengler-Cup gewonnen hatte und Finnen sowieso irgendwie en vogue waren. Auf ihn folgte Chris McSorley, einer der klangvollsten Namen im Schweizer Eishockey. Nun ist mit Gianinazzi das Projekt der lokalen Bescheidenheit krachend gescheitert. Es waren drei völlig unterschiedliche Philosophien in kurzer Abfolge. Gemeinsam hatten sie nur die ernüchternden Resultate.
In Tessiner Onlinemedien kursierte am Sonntag das Gerücht, dass der nächste Sportchef Julien Vauclair heissen könnte. Vauclair, 45, ist zurzeit Manager des HC Ajoie, verbrachte aber beinahe seine gesamte Spielerkarriere in Lugano. Seine Standleitung ins Büro der Chefin Mantegazza war berüchtigt. Unabhängig von den Qualitäten des Sportchefs Vauclair: Seine Anstellung wäre der ultimative Beweis dafür, dass in Lugano auch 2025 alles beim Alten bleibt.