Wenige Stunden nach dem verlorenen WM-Final empfangen 2000 Fans in Kloten das Nationalteam. Bei Kevin Fiala fliessen Tränen. Und Leonardo Genoni sagt, diese Finalniederlage schmerze noch mehr als jene von 2018.
Als die Schweizer Eishockey-Nationalmannschaft nach einer kurzen Nacht in Kloten landet, werden die Getränke am Montagnachmittag in goldenen Bechern gereicht. Die Alkoholika hätten fraglos besser geschmeckt, wären die den Schweizern um den Hals baumelnden Medaillen im gleichen Farbton gehalten gewesen. «Die Medaille hat die falsche Farbe», sagte etwa der Torhüter Leonardo Genoni, der im Alter von 36 Jahren seine zehnte und wahrscheinlich beste WM spielte. Und massgeblichen Anteil daran hatte, dass die Schweiz beim 0:2 im Final vom Sonntagabend in Prag gegen den Gastgeber Tschechien bis kurz vor Schluss auf die erste Goldmedaille ihrer Geschichte hoffen durfte.
Genoni gewann zum zweiten Mal Silber, er sagte: «Diese Niederlage schmerzt noch mehr, weil ich das Gefühl hatte, dass wir näher dran waren als in den ersten zwei Finals.» Es ist eine kräftige Aussage, denn 2018 in Kopenhagen hatte die Schweiz sich erst im Penaltyschiessen geschlagen geben müssen.
Zwischen Frust und Stolz
In der Schweizer Delegation schwankten am Tag danach praktisch alle zwischen Frust über den verpassten Titel und Stolz über das Erreichte. Sie diktierten Variationen dieser Haltungen in zahllose Mikrofone. Und taten das zunächst auf einer im Klotener Stadion aufgebauten Bühne vor den für einen – gemessen an der Uhrzeit – zahlreich erschienenen Anhang; knapp 2000 Fans erwiesen dem Team die Ehre.
Kevin Fiala, der zum wertvollsten Spieler der WM gewählte Topskorer, musste sein Interview unter Tränen abbrechen, so stark waren die Emotionen. Kurz darauf gab die Band «Stubete Gäng», von der der Schweizer WM-Torsong stammte, eine Playback-Performance. Man fragte sich dabei unweigerlich, ob die Spieler mit der Enttäuschung vom Vorabend nicht schon genug hatten durchmachen müssen.
Die Schweizer hatten den Final verdientermassen verloren, Tschechien war die bessere, die konsequenter auftretende Equipe. Genoni bemerkte, dass seinem Team nach dem kräftezehrenden Halbfinalsieg gegen den Favoriten Kanada womöglich etwas die Energie gefehlt habe. Und auch der Zürcher Verteidiger Jonas Siegenthaler haderte mit dem Turnierabschluss. Er sagte: «Silber ist gut und recht. Aber wir hatten ein anderes Ziel.»
Die Frage wird sein, wie schnell die Schweiz eine nächste realistische Gelegenheit erhalten wird, nach Gold zu greifen. Die Konstellation in Prag war nahezu perfekt: Von den elf in der NHL beschäftigten Spielern standen deren sieben zur Verfügung. So wird das nicht immer sein, zumal sich Swiss Ice Hockey mit dem Ausschluss des jungen Verteidigers Lian Bichsel bis 2026 selbst schwächt.
Das Team hat einen hohen Altersdurchschnitt
Es war auch das Bewusstsein, dass sich in Prag für viele Spieler die wahrscheinlich beste Chance für eine Goldmedaille bot, das diese Mannschaft getragen hat. Die Schweiz hatte an diesem Turnier mit einem Durchschnittsalter von 30,0 Jahren hinter dem auf Anhieb wieder relegierten Neuling Polen die zweitälteste Mannschaft gestellt. Teamstützen wie Genoni (wird im August 37), Roman Josi (wird am Samstag 33) oder Andres Ambühl (40) werden das Gefüge nicht mehr für alle Ewigkeit tragen können. Diese Gewissheit hat etwas Schmerzhaftes.
Und doch: Auf diese Silbermedaille darf die Schweiz stolz sein, das machten die unermüdlich Sponsorenfähnchen mit der Landesflagge schwenkenden Fans in Kloten den Spielern noch einmal sehr deutlich.
Der NHL-Star Josi bedankte sich gerührt für die Unterstützung, und auch bei Genoni setzte letztlich diese Klarheit ein: «In ein paar Wochen werden wir das Geleistete besser einschätzen können. Es hat in Prag schon auch viel gepasst.»