Das Zürcher Verwaltungsgericht hat sich zum zweiten Mal mit dem kleinen Laden befasst.
Der Laden ist klein, sein Sortiment überschaubar. Und doch musste sich das Zürcher Verwaltungsgericht zum wiederholten Mal mit der Migros-Filiale an der Zollstrasse hinter dem Hauptbahnhof Zürich befassen.
Im Zentrum des Konflikts zwischen der Genossenschaft Migros Zürich und der Gewerkschaft Unia steht die Frage, ob das Geschäft zum Einkaufsangebot des Bahnhofs gehört – und deshalb auch am Sonntag geöffnet sein darf. Auf diesen Standpunkt stellt sich die Migros.
Oder handelt es sich, wie die Unia argumentiert, vielmehr um einen gewöhnlichen Quartierladen, der seinem Personal am Sonntag einen Ruhetag gewähren muss?
Ein Entscheid des Verwaltungsgerichts Zürich liefert hierzu neue Antworten. Und er verweist darauf, dass das Arbeitsgesetz in jedem Fall streng auszulegen sei – auch wenn die politischen Bemühungen jüngst in die gegenteilige Richtung gegangen sind.
Nähe macht noch keine Einheit
Schon im Frühjahr 2022 folgt das Verwaltungsgericht einer Beschwerde gegen die Migros: Der Sonntagsverkauf in dem Laden in der Nähe von Gleis 18 wird für illegal erklärt. Bemerkenswert an dem Fall ist, dass an Sonntagen gar kein Verkaufspersonal zugegen ist: Unter den Augen von Sicherheitsleuten checken die Kunden selbst aus.
Für das Gericht fällt der Unterschied zwischen Verkaufs- und Sicherheitspersonal aber nicht ins Gewicht. Erlaubt sei der Sonntagsverkauf nur dann, wenn dies aus betrieblichen Gründen notwendig sei, wenn es sich um einen Familienbetrieb handle – oder wenn der Betrieb die spezifischen Bedürfnisse von Reisenden befriedige. Die Migros Daily erfülle keines dieser Kriterien.
Als die Zollstrasse ebenfalls 2022 neu gestaltet und verkehrsberuhigt wird, besteht die Migros trotz anderslautendem Urteil weiterhin auf ihren Sonntagsverkäufen: Der Laden sei nun zu einem Teil des Einkaufsangebots des Bahnhofs geworden – und dürfe folglich auch an Sonntagen seine Waren feilbieten.
Die Gewerkschaft Unia opponiert wiederum. Und gewinnt erneut.
Im jüngsten Urteil heisst es: Es treffe zu, dass die Verkaufsstelle in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof liege und als Teil der erweiterten Bahninfrastruktur wahrgenommen werden könne. Deswegen könnten aber längst nicht alle Betriebe im Quartier für sich reklamieren, auf die Bedürfnisse von Reisenden ausgelegt zu sein.
Im Gegenteil erscheine die Migros Daily als unabhängiges Geschäft, auch nach der Umgestaltung der Zollstrasse. Der Laden profitiere von den Passantenströmen, bilde aber keine funktionale Einheit mit dem Bahnhof.
Ein weiterer Erfolg für Gewerkschaften
Mit ihrem Urteil heben die Richter die bisherige Praxis der kantonalen Verwaltung auf. Das Amt für Wirtschaft hatte die Öffnungszeiten der Migros Daily nach einem Augenschein von Fachleuten geduldet.
Man nehme das Urteil «zur Kenntnis», heisst es am Montag beim Amt für Wirtschaft. Weil die juristische Auseinandersetzung zwischen der Migros und der Gewerkschaft stattfindet, ist das Amt nicht berechtigt, den Entscheid weiterzuziehen.
Zuletzt hatte die Volkswirtschaftsdirektorin des Kantons Zürich, Carmen Walker Späh, sich auf nationaler Ebene für eine Lockerung des Arbeitsgesetzes engagiert. Doch Bundesrat Parmelin schlug sich auf die Seite der Gewerkschaften und lehnte eine Ausweitung der Tourismuszonen ab. Stattdessen zeigt er sich bereit zu einem Kompromiss, der schweizweit zwölf Sonntagsverkäufe vorsieht.
Die Migros ihrerseits will in Herisau im Kanton Appenzell Ausserrhoden den ersten 24-Stunden-Supermarkt testen. Tagsüber wäre der Laden regulär bedient, danach würde er in den Selbstbedienungsmodus wechseln. Laut den Tamedia-Zeitungen wurde ein entsprechendes Gesuch eingereicht.