Der Rechnungshof der EU hat die Ausgaben der «Flüchtlingsfazilität» unter die Lupe genommen.
Er nennt sich Hüter der Finanzen, ist der natürliche Verbündete der Steuerzahler in der Europäischen Union und ist doch wenig bekannt: der Europäische Rechnungshof in Luxemburg. Seine Beamten leuchten das Finanzgebaren in der EU aus und haben das Recht, jederzeit Prüfbesuche bei EU-Organen und in den Mitgliedsstaaten durchzuführen.
Jetzt hat der Rechnungshof die 9 Milliarden schwere «Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei» unter die Lupe genommen. Sie ist das Kernstück des Migrationsabkommens zwischen Brüssel und Ankara, das während der Flüchtlingskrise 2015/16 abgeschlossen wurde.
Die Reduktion der Migration funktioniert
Das Abkommen hatte drastische Folgen. Die Zahl der Ankünfte in Griechenland und Bulgarien sank schon im Folgejahr um die Hälfte. Die Türkei hatte sich, erstens, verpflichtet, irreguläre Migranten zurückzunehmen. Dafür sollte die EU die gleiche Zahl anerkannter Flüchtlinge aus der Türkei übernehmen. Zweitens – und hier kommt die Fazilität ins Spiel – unterstützt die EU die Türkei bei der Unterbringung und der Integration syrischer Flüchtlinge.
Der erste Teil des Abkommens wurde nie umgesetzt. Aber die Türkei kontrolliert seither wirkungsvoll die Land- und Seegrenze zur EU und verringert so die Migration über die Balkanroute und das östliche Mittelmeer in die EU. Würde sie das nicht tun, machte sich wohl ein erheblicher Teil der 4 Millionen Syrer in der Türkei auf den Weg nach Westen.
Dass sie das nicht tun, hat aber auch mit der finanziellen Unterstützung der Türkei zu tun. Die von der EU verwaltete Fazilität enthielt 2016 6 Milliarden Euro, sie wurde 2021 nochmals mit 3 Milliarden gespeist. 6 Milliarden sind bisher ausgegeben worden. Das Geld wird für den Bau von Infrastruktur (Wohnungen, Schulen, Spitäler) verwendet, aber auch für Direktzahlungen und für die Integration von Syrern in den Arbeitsmarkt. Weniger als fünf Prozent von ihnen leben in Lagern.
Dass die türkische Regierung und ihre 85 Millionen Einwohner mit der Beherbergung der Syrer eine gewaltige Aufgabe übernommen haben, liegt auf der Hand. Ebenso, dass ganz Europa (inklusive der Schweiz) sehr direkt davon profitiert. Über 3 Millionen registrierte Syrer haben Zugang zum Gesundheitswesen, zu Schulen und bedingt auch zum Arbeitsmarkt.
Die Integration in die neue Heimat ist aber keineswegs problemlos: Die Wirtschaft steckt in einer Krise, und für ärmere Schichten sind die Syrer Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt. Die Opposition hetzt denn auch in Wahlkämpfen gegen die ungebetenen Gäste.
Gegenseitige Abhängigkeit zwischen Ankara und Brüssel
Was sagt nun der Rechnungshof zur Türkei-Hilfe? Die Kritik ist nicht überraschend. Es geht im Kern um mangelnde Effizienz. So leidet die Fertigstellung von Bauten zum Teil an erheblichen Verzögerungen. Allerdings räumen die Prüfer ein, dass daran auch die Pandemie und das Erdbeben vom Februar 2023 Schuld hätten.
Die Überwachung von Projekten sei zu wenig streng, heisst es weiter. Das hängt damit zusammen, dass etwa der Bau von Schulen über das Bildungsministerium läuft und diese nicht, wie es Brüssel gerne hätte, EU-Projekte sind. Auch werde die Arbeit von internationalen Nichtregierungsorganisationen vom Staat erschwert, bemängeln die Rechnungsprüfer. Kenner der Türkei wundert das nicht. Ankara lässt keine Parallelstrukturen zu. Die Türkei ist kein Entwicklungsland.
Die Kritik aus Luxemburg ist ernst zu nehmen, aber sie stellt das Abkommen keineswegs infrage. Die EU hat sich mit gutem Grund auf den Handel mit Ankara eingelassen. Er schafft gegenseitige Abhängigkeit und einen Nutzen für beide Seiten. Wenn der Rechnungshof bemängelt, die Fazilität sei zu wenig «nachhaltig», hat er recht. Europa wird der Türkei auch künftig und immer wieder etwas anbieten müssen. Oder es muss sich auf ein paar Millionen zusätzliche Flüchtlinge einstellen.