Sie wurde an ihrer Universität gemobbt, weil sie auf dem biologischen Geschlecht beharrte. Schliesslich kündigte Kathleen Stock ihre Stelle. Nun aber profitiert die britische Feministin von einer neuen Behörde, die sich für Meinungsfreiheit einsetzt.
Die Bewegung der Woken setzte Kathleen Stock einst schwer zu. Weil die englische Professorin auf dem biologischen Unterschied der Geschlechter bestand und das Konzept einer von der Anatomie unabhängigen Gender-Identität zurückwies, kam es 2021 zu wütenden Protesten an der University of Sussex, an der Stock lehrte.
Die Gender-kritische Philosophieprofessorin musste jahrelang Mobbing und Schikanen wegen ihrer Ansichten ertragen. Nach einer, wie sie schrieb, «absolut schrecklichen Zeit» für ihre Familie und sie selbst sah sich Stock schliesslich gezwungen, ihre Lehrstelle aufzugeben.
Drei Jahre später aber diagnostizierte sie in der Londoner «Times» das Schwächeln der Woke-Bewegung. Und nun gibt ihr auch die Regierung in einem bisher einzigartigen Verfahren recht, das den Gender-Wars eine neue Dynamik gibt.
Nichteinhaltung der Redefreiheit
Die Hochschulaufsichtsbehörde Office for Students (OfS) brummte der University of Sussex eine Geldstrafe in der Höhe von 585 000 Pfund auf – wegen Nichteinhaltung der Redefreiheit. Die OfS, 2024 gegründet, soll sich um Meinungs- und akademische Freiheit kümmern.
Als OfS-Direktor fungiert Arif Ahmed, ein Wittgenstein-Experte und Philosophieprofessor an der Universität Cambridge. Ahmed sah sich gezwungen, die Untersuchung und ihre Ergebnisse im Fall Stock gegen die heftige Kritik der Vizekanzlerin der Universität Sussex, Sasha Roseneil, zu verteidigen, die diese als «ungeheuerlich und zusammengebastelt» bezeichnete.
Auch gegen die Höhe des Bussgeldes protestierte sie. Roseneil beschuldigte die OfS, «den Kulturkampf fortzusetzen». Die Ergebnisse der OfS bedeuteten, dass es für die Universitäten nun so gut wie unmöglich sei, Missbrauch, Belästigung oder Mobbing auf dem Campus zu verhindern, so ihr Einwand. Ahmed hielt dem entgegen, dass die OfS kein Interesse daran habe, in irgendwelche Kulturkriege verwickelt zu werden: «Unser Interesse gilt einfach dem Schutz der Redefreiheit.» Dabei gehe es nicht nur um Gender-Fragen.
«Schwachsinnige, klaustrophobische Massnahmen»
Bei seinem Amtsantritt hatte Ahmed erklärt, dass freie Meinungsäusserung unter anderem auch von Führungskräften eingeschränkt werde, die befürchteten, dem Image ihrer Universität zu schaden – insbesondere wenn es um lukrative Handelsbeziehungen mit anderen Ländern gehe. «Ich werde kein bestimmtes Land nennen, aber es wird immer wichtig sein, dass Universitätsleiter sehr sorgfältig über die Konsequenzen für die Redefreiheit oder die akademische Freiheit nachdenken, wenn sie solche Vereinbarungen treffen», sagte er.
Das OfS ist zwar eine nichtministerielle öffentliche Einrichtung, aber zugleich rechenschaftspflichtig gegenüber dem Parlament. Es erhält strategische Prioritäten vom Bildungsministerium bei gleichzeitiger Unabhängigkeit von der Regierung. Arif Ahmed hat die Bildungsministerin, Bridget Phillipson, auf seiner Seite. Sie will dem OfS weitere Befugnisse erteilen, um zu verhindern, dass einzelne Studenten und Akademiker mundtot gemacht werden: «Wenn man an einer Universität studiert, muss man bereit sein, seine Ansichten infrage zu stellen, andere Meinungen und unbequeme Wahrheiten zu hören.»
Unterdessen ist aus Sussex das Nachbeben des OfS-Befundes spürbar. Die Universität will die Entscheidung anfechten, während Kathleen Stock sie mit Genugtuung zur Kenntnis genommen hat. Sie wies aber warnend darauf hin, dass Sussex kein Einzelfall sei. An vielen Universitäten im Lande beuge man sich den Forderungen woker Studenten immer noch durch «schwachsinnige, klaustrophobische Massnahmen».
In einem Beitrag auf der britischen Online-Plattform «Unherd» kritisiert Stock eine Klausel, wonach Transmenschen und das Transleben in allen Materialien entsprechender Kurse und Module positiv dargestellt werden müssten. Das erscheine ihr wie die Anweisung eines Kunden an seine Werbeagentur – und nicht wie eine ernsthafte wissenschaftliche oder pädagogische Verpflichtung.
Der nächste Grabenkrieg
Bis sie in den Fokus der Transgender-Debatte geriet, soll Stock eine im Stillen wirkende, linke Akademikerin gewesen sein und keineswegs, wie ihr unterstellt wurde, transfeindlich: Sie unterrichtete transsexuelle Schüler, respektierte ihre Pronomen und setzte sich wiederholt schriftlich für deren Menschenrechte ein.
Der «Sunday Times» erklärte sie am vergangenen Wochenende, ihr Widerstand gegen die Gender-Selbstidentifizierung habe mit ihrer eigenen, lesbischen Orientierung zu tun: Daher wisse sie, wie wichtig das Geschlecht für die sexuelle Orientierung sei. Auch ihr philosophischer Hintergrund hat sie geprägt. «Ich glaube nicht, dass die Macht der Worte die Realität völlig verändern kann.» Ihre bisher letzte Publikation «Material Girls. Why Reality Matters for Feminism» (2021) setzt sich damit auseinander.
Stock findet, dass Feministinnen sich langsam wieder um andere Themen kümmern sollten – etwa um Leihmutterschaft. Oder um Sterbehilfe. In ihrem nächsten Buch spricht sie sich gegen die Sterbehilfe aus. Diese entstehe aus demselben Impuls wie die Transgender-Bewegung: «Hyperliberalismus und Kontrolle des Körpers». Damit wird sich die Frau, die heute ihr Dasein als «Zivilistin, der niemand über die Schulter schaut», zu geniessen vorgibt, womöglich in einen nächsten Grabenkrieg begeben.