Der Literaturnobelpreisträger Knut Hamsun (1859–1952) war ein glühender Anhänger Hitlers. Nach dem Weltkrieg galt er als toxisch, doch kam es in den neunziger Jahren zu einer Hamsun-Renaissance. Die Samit allerdings haben seine üblen Schmähungen nicht vergessen.
Knut Hamsun ist ein schwieriger Fall. James Joyce nahm Norwegisch-Stunden, um «Old King Cnut», wie er ihn nannte, im Original lesen zu können. Jahrzehnte später kollaborierte Hamsun im Krieg mit den deutschen Okkupanten seiner Heimat. Als «Reformer von höchstem Rang» pries er Hitler noch im Mai 1945. Nach dem Krieg verurteilte ihn ein Gericht zu einer Geldstrafe, die den 88-Jährigen an den Rand des Ruins brachte. Lediglich fünf Personen folgten seinem Sarg.
Seit den neunziger Jahren ist in Norwegen eine Hamsun-Renaissance im Gange. Zunächst wurde über Hamsun-Strassen, Hamsun-Plätze und Hamsun-Büsten gestritten. Jetzt geht die Causa Hamsun in eine neue Runde. Schauplatz ist die Gemeinde Hamarøy nördlich des Polarkreises, in der Hamsun aufwuchs. Flächenmässig grösser als Berlin, zählt Hamarøy gerade einmal 1800 Einwohner. Hamarøy benannte 2002 zum 50. Todestag eine Schule nach dem berühmten Dichter. Zu seinem 150. Geburtstag eröffnete 2009 die Kronprinzessin in Hamarøy das Hamsun-Zentrum des New Yorker Architekten Steven Holl, dessen turmartiger Bau stilistisch Hamsuns Modernismus gerecht zu werden versucht.
Plötzlich ist alles anders
Ursprünglich war Hamarøy samisch. Heute sind Norwegisch und Samisch gleichberechtigte Amtssprachen. Berichte über massives Mobbing und Ausgrenzung samischer Jugendlicher in der Hamsun-Schule veranlassten die Behörden der Provinz Nordland, das Samisch-Angebot der Schule (auch für Norwegischsprachige) auszubauen. Eine Schule mit Samisch-Fokus könne natürlich nicht den Namen eines Nazis und Samit-Hassers tragen, liessen samische Kreise verlauten. Die Samit sind die Urbevölkerung des Nordens.
Hamsun und die Samit: Noch 1911 schrieb er eine begeisterte Rezension zu Johan Turis «Buch über das Leben der Sami». Der Band des schwedischen Samit war das erste von einem Samit auf samisch verfasste Buch – damals eine Sensation. Hamsun zeigte Verständnis für schwedische Samit, deren traditionelle Weiden von den Behörden zu Agrarland erklärt wurden.
Ab 1911 versuchte sich Hamsun in Hamarøy vorübergehend als Bauer. 1917 veröffentlichte er den nobelpreisgekrönten Roman «Segen der Erde», der im Nordland spielt. Jetzt war alles anders. Samit treten als Bettler, Diebe und Schleimer auf. Und sie werden mit Invektiven traktiert: «Lappen treiben sich in abgelegenen Gegenden umher, im Düsteren, setzt man sie dem Licht aus, verkümmern sie wie Ungeziefer und Würmer.»
Kein «herrenloses Land»
Die ebenfalls aus Hamarøy stammende samische Autorin Vivian Aira arbeitet an einem Roman «Terra Nullius. Segen der Erde 2.0». Sie wirft Hamsun vor, er schreibe «uns Samit aus unserer Landschaft» heraus. Hamsuns ethnonorwegischer Neusiedler Isak sei mitnichten «der Mann, der Mensch, der Erste, der hier war», worauf «der eine oder andere Lappe» eingetroffen sei – was Hamsun schon im ersten Satz des Romans behauptet. Nein, als Isak aufgekreuzt sei, sei das Samit-Land kein «herrenloses Land» gewesen.
Hamsun schrieb «Segen der Erde» im Kriegs- und Revolutionsjahr 1917, einer Epoche des norwegischen Nationsbaus, dem die samische Kultur zum Opfer fiel, wie 2023 der Rapport der «Wahrheits- und Versöhnungskommission» des Parlaments aufzeigte. Ståle Dingstad, Autor des Buches «Knut Hamsun und der norwegische Holocaust», forderte die Schliessung des Hamsun-Zentrums mitten im Samit-Land, doch das geht sogar vielen Samit zu weit.
Was aber die Schule betrifft: Im Februar gaben die Provinzbehörden grünes Licht für eine Umbenennung. Wie sie künftig heissen wird, ist noch nicht entschieden. Hauptsache, Hamsuns Name ist getilgt.