Felix Salten schuf die weltberühmte Disney-Figur und mit «Josefine Mutzenbacher» einen Klassiker der Erotikliteratur. Der schillernde Schriftsteller flüchtete 1939 nach Zürich, wo er einige Spuren hinterliess.
Unter dichten Kastanienbäumen, gleich neben der Tramhaltestelle Langmaurstrasse, steht kaum beachtet einer der 1200 Brunnen der Stadt Zürich. Ein ganz besonderes Exemplar. In der Mitte des achteckigen Trogs ragt eine Bronzefigur empor, die eine Rehmutter mit ihrem Jungen darstellt. «Dem Autor des ‹Bambi›, Felix Salten» steht auf dem Sockel geschrieben.
Tatsächlich handelt es sich um eine Erinnerung an den Schöpfer jener Figur, die durch die Disney-Verfilmung von 1942 weltberühmt wurde. Doch Salten war noch viel mehr: Er gehörte zu den gefeierten Schriftstellern der Wiener Moderne um Arthur Schnitzler, Karl Kraus und Hugo von Hofmannsthal. Zudem war er ein geachteter und gefürchteter Zeitungsreporter. Vor allem gilt Salten als der anonyme Autor eines der grössten Skandalbücher der deutschsprachigen Literatur: «Josefine Mutzenbacher: die Geschichte einer wienerischen Dirne von ihr selbst erzählt».
Dass sich das Salten-Denkmal in Zürich befindet, hat einen einfachen Grund: Der Schriftsteller verbrachte da die letzten sechs Jahre seines Lebens. Unfreiwillig. Als Jude musste er 1939 mit siebzig Jahren aus Wien flüchten. In Zürich erlebte er die Premiere der Disney-Verfilmung, hier schrieb er die «Bambi»-Fortsetzung, hier sind er und seine Frau Ottilie auf dem jüdischen Friedhof Unterer Friesenberg begraben.
Den Dackel nahm er mit auf die Flucht
Um der Geschichte dieses schillernden Autors nachzugehen, steigt man beim Bambi-Brunnen am besten ins Tram Nummer 9 und fährt zehn Minuten bis zur Station Kunsthaus. Dort befindet sich in etwa 500 Metern Entfernung die Englischviertelstrasse, wo das Ehepaar Salten im Frühjahr 1939 vorübergehend einziehen konnte, zusammen mit der mitgereisten Haushälterin Pepi und dem Dackel Flipsi. Heute sind in dem Haus eine Arztpraxis und ein Advokatsbüro untergebracht.
Unmittelbar nach der Ankunft informierte Salten Freunde und Weggefährten über die gelungene Flucht. Die Reaktionen waren überwältigend. Der Verleger Gottfried Bermann Fischer antwortete: «Du kannst dir gar nicht denken, welche Freude bei uns herrschte, als Dein Brief ankam; dass es euch nun endlich gelungen ist, den Qualen und Schrecken zu entgehen.» Der Schriftsteller Stefan Zweig schrieb: «Endlich, endlich!!» Und: «Jetzt darf ich Sie freien Herzens in ein noch freies Land beglückwünschen.»
Salten hatte einen erstaunlichen Werdegang hinter sich. Er wurde 1869 als Zsigmond Salzmann in Budapest geboren und wuchs in zum Teil prekären Verhältnissen in Wien auf: Die Eltern waren so arm, dass Felix und sein Bruder das einzige Paar Schuhe abwechselnd tragen mussten. Aus dem mittellosen Jungen, der das Gymnasium vorzeitig abbrach, wurde dank der ausserordentlichen Begabung und Phantasie ein höchst erfolgreicher Autor, ein Mann von Welt, dessen Bücher auch in den USA reissenden Absatz fanden.
Salten liebte den Ruhm und das Geld, er pflegte einen aufwendigen Lebensstil, selbst wenn er verschuldet war. Er war ein Dandy, gutaussehend, immer elegant gekleidet. Mit seiner Familie residierte er in einer repräsentativen Villa an der noblen Cottagegasse im 18. Bezirk.
Bis die Nazis kamen.
Im Frühling 1938 schloss sich Österreich Hitlerdeutschland an. Saltens Bücher wurden verboten. Die Leute wechselten plötzlich die Strassenseite, wenn ihnen der einst angesehene Schriftsteller entgegenkam. Irgendwann klopfte die Gestapo an die Tür. Die Lage wurde gefährlich. Salten verbrannte aus seiner über 2000 Bände umfassenden Privatbibliothek alle Bücher, die auf der Nazi-Liste standen. Es half nichts – irgendwann blieb nur die Flucht. Prominente Künstler wie Erika und Thomas Mann, die längst im Exil waren, unterstützten ihn dabei.
Er durfte nur unter Auflagen bleiben
Dass sich die Saltens in die Schweiz retten konnten, war alles andere als selbstverständlich. Die Schweiz hatte im Herbst 1938 die Grenze für jüdische Flüchtlinge geschlossen – es war die Zeit, als Paul Grüninger und andere Flüchtlingshelfer in der Ostschweiz Verfolgte über den Rhein ins Land schmuggelten. Felix und Ottilie Salten konnten jedoch legal einreisen. Eine Schweizer Zeitung meldete, das amerikanische Generalkonsulat in Wien habe dafür gesorgt, dass der in den USA populäre Autor ein Visum erhalte.
Der Grund für die Einreiseerlaubnis war jedoch ein anderer: Tochter Anna Katharina hatte 1928 den Schweizer Schauspieler Hans Rehmann geheiratet und dadurch die Schweizer Staatsbürgerschaft erlangt. Sie war insgesamt zehnmal mit dem Zug von Zürich nach Wien gefahren, um ihre Eltern von der Flucht zu überzeugen und ihnen beim Umzug zu helfen.
In der Schweiz konnte Salten trotzdem nicht auf eine Vorzugsbehandlung hoffen. Wie alle migrierten Autoren musste er sich einer Begutachtung durch den Schweizerischen Schriftstellerverband unterziehen. Der Verband nahm im Auftrag der Behörden die Neuankömmlinge unter die Lupe, auch bezüglich ihrer Gesinnung. Von Salten – der viel erfolgreicher war als fast alle Schweizer Schriftsteller – hielten die Schweizer Kollegen wenig. Er sei ein «Repräsentant des leichten, anmutigen und oft etwas oberflächlichen Wienertums», heisst es im Bericht. «Seine Werke entbehren der dichterischen Glut und der geistigen Tiefe, sie sind aber alle der Ausdruck einer anständigen Gesinnung und einer gütigen Menschlichkeit.»
Offensichtlich hatte das Gerücht noch nicht den Weg nach Zürich gefunden, dass Salten der anonyme Autor des pornografischen Bestsellers «Josefine Mutzenbacher» ist – das hätte ihn im zwinglianischen Zürich womöglich die Aufenthaltsbewilligung gekostet. Ebenfalls unerwähnt blieb Saltens Engagement als überzeugter Zionist. Die Gutachter kamen zum Fazit: «Es ist nicht zu erwarten, dass Felix Salten das geistige Leben unseres Landes ernstlich bereichern wird – dazu ist er unserem Leben zu fern. Seine Anwesenheit in der Schweiz wird aber auch niemandem Schaden bringen.»
Der Autor durfte bleiben, aber nur unter Auflagen. Ihm wurde untersagt, für Zeitungen zu schreiben – ein Verbot, das für die meisten geflüchteten Schriftsteller galt, um die einheimischen Autoren zu schützen. Zudem musste das Ehepaar garantieren, für seinen Unterhalt selber aufzukommen. Die Fremdenpolizei kontrollierte regelmässig, dass genug Geld hereinkam, und dokumentierte akribisch die Einnahmen und auch den Gesundheitszustand des Ehepaars.
Zürich war voller Exilkünstler
Nach wenigen Monaten fanden die Saltens eine definitive Bleibe an der Wilfriedstrasse 4, nur drei Gehminuten von ihrer provisorischen Wohnung entfernt. Auch gesellschaftlich fiel der Anschluss leicht. Das nahe gelegene Schauspielhaus war ein Zentrum für geflüchtete Künstler, mit denen sich die Saltens regelmässig austauschten. Zum Beispiel mit dem deutschen Schauspieler Wolfgang Langhoff, der mit «Die Moorsoldaten» schon 1935 den ersten Bericht über den Horror in deutschen Konzentrationslagern veröffentlicht hatte. In der Schweiz war das Buch trotz Druckversuchen aus Deutschland überall erhältlich, selbst an Bahnhöfen.
Zu den engen Freunden gehörten der äusserst populäre Schweizer Schauspieler Heinrich Gretler und der Schauspielhaus-Direktor Oskar Wälterlin. 1941 schrieb Salten an die in die USA geflüchtete Verlegerin Hedwig Fischer: «Wir haben hier sehr angenehme Kontakte zu ausserordentlich kultivierten Schweizern.» Abgesehen vom unterschiedlichen Schweizer und Wiener Akzent «merke ich überhaupt nicht, dass ich nicht zu Hause bin».
Zumindest die letzte Bemerkung dürfte stark übertrieben gewesen sein. Im Vergleich zur einst blühenden Kulturstadt Wien war Zürich tiefste Provinz. Salten lebte nicht mehr in einer pompösen Villa, sondern musste sich mit einer kleinen, engen Wohnung begnügen; das Geld war oft knapp.
Seine Schwester starb im KZ
Saltens Enkelin Lea Wyler lebt noch heute in Zürich, im Quartier Hottingen, wie ihre Grosseltern. Wyler kam 1947 auf die Welt, also zwei Jahre nach dem Tod des Schriftstellers. Ihr Haus ist noch voller Möbel, die Salten in die Schweiz bringen konnte, darunter sein imposanter Schreibtisch, an dem viele seiner bekannten Werke entstanden. Sie hat sich intensiv mit dem Leben ihres Grossvaters befasst. «Er war schon vor seiner Flucht ein gebrochener Mann», erzählt sie. Die gesellschaftliche Ächtung nach der Machtergreifung der Nazis habe ihm schwer zugesetzt, ebenso der Unfalltod seines Sohnes Paul 1938. «Aber er war so dankbar für die Rettung in der Schweiz, dass er sich nie über etwas beklagt hätte.»
Felix Salten wurde von seiner in Wien gebliebenen Schwester Rosalie über die Vorgänge in der Heimat auf dem Laufenden gehalten. «Die Menschen in meiner Nachbarschaft sind extrem aufgebracht, fast ausser sich, und jeden Tag fahren Transporte nach Polen, die Menschen in eine ungewisse Zukunft bringen», schrieb sie im Februar 1941. Zuerst seien die galizischen Juden abtransportiert worden, nach und nach auch andere Gruppen von Juden. «Die Gefahr kann nicht mehr gestoppt werden.» Sie sollte recht behalten. Am 28. Juni 1942 wurde Rosalie ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie am 30. August ermordet wurde.
Im Vergleich dazu war Zürich ein Paradies: Salten konnte seine herzkranke Frau zu Doktor Theodor Haemmerli schicken, jenem Arzt, der schon den Dichter Rainer Maria Rilke behandelt hatte. Er sei wie ein Engel, schrieb Salten. Der Tochter Anna Katharina, die an Trigeminusneuralgie (Gesichtsschmerz) litt, ermöglichte er eine fünfwöchige Kur im Engadin.
Thomas Mann empfahl ihm, in der Schweiz zu bleiben
Salten hätte auch die Möglichkeit gehabt, in die USA zu migrieren, doch er blieb lieber hier. Zürich sei ein Ort, an dem «eine ehrliche Verbrüderung herrscht, die über alle rassischen Unterschiede hinweg ein einziges Volk schafft», schrieb er an seinen amerikanischen Übersetzer D. L. Chambers. Lea Wyler nennt weitere Faktoren, die ebenso eine Rolle spielten: «Er sprach nicht gut Englisch, und wegen des Gesundheitszustandes von Ottilie wäre die Reise riskant gewesen.»
Thomas Mann, der längst in die USA ausgewandert war, unterstützte Saltens Entscheidung. «So wie die Dinge stehen, sind Sie dort in weitaus besseren Händen als in diesem Land, wo die Lebensbedingungen für deutsche Schriftsteller so schwierig sind, dass ich jedem, der in Europa nicht unmittelbar bedroht ist, davon abrate, hierherzukommen», schrieb er in einem Brief. Mann berichtete von «zerstörten Illusionen» in den USA, niemand habe dort auf die Neuankömmlinge gewartet.
Salten lebte in Zürich nach einem strikten Tagesablauf. Morgens erledigte er die Korrespondenz und widmete sich seiner literarischen Tätigkeit, an zwei oder drei Nachmittagen pro Woche diktierte er seiner Sekretärin, Gertrud Schattner, seine Notizen. Sonntags gesellte er sich zu einer Runde von migrierten und einheimischen Künstlern im Restaurant Tannenbaum an der Seestrasse. Laut Wyler soll sich die Gruppe manchmal auch im Restaurant Conti hinter dem Opernhaus getroffen haben. Regelmässig ging er mit dem ebenfalls aus Österreich geflüchteten Zuckermagnaten und Kunstliebhaber Ferdinand Bloch-Bauer im Restaurant Kronenhalle essen.
Das Geld kam aus den USA
Besonders wichtig für den Tierliebhaber und Jäger Felix Salten war sein Dackel Flipsi, ein treuer Begleiter auf Waldspaziergängen, der ihm über die Einsamkeit im Exil hinweghalf. Seine Verbindung zu Hunden kommt auch in seinem Buch «Renni der Retter» zum Ausdruck, das er in Zürich geschrieben hat, eine Geschichte über einen Rettungshund im Krieg. Als er mit dem Manuskript fertig war, bewarb er sich beim Stab der 6. Division der Schweizer Armee, um in der Kriegshundeabteilung bei der Ausbildung mitzuhelfen. Das Gesuch des alten Schriftstellers, der nicht einmal einen Schweizer Pass hatte, wurde abgelehnt.
Salten schrieb in Zürich mehrere Tiergeschichten, darunter die «Bambi»-Fortsetzung «Bambis Kinder: eine Familie im Walde». Seine Bücher wurden zwar in der Schweiz veröffentlicht, doch das Haupteinkommen kam aus Übersee. Dank den Einnahmen aus Amerika könne er in Zürich «einen leidlichen Standard aufrecht halten», schrieb Salten im September 1941 an Thomas Mann. Wenige Monate später, nach dem Kriegseintritt der USA, begann der Geldfluss allerdings zu stocken. Die Überweisungen kamen oft nicht an, was auch die Fremdenpolizei in ihren Rapporten festhielt.
«Disney hat Salten ausgenutzt»
Am 22. Juni 1942 starb Saltens Frau Ottilie nach einer schweren Krankheit. «Einsamkeit u. Trauer!», notierte der Schriftsteller in sein Tagebuch. Die beiden waren über vierzig Jahre lang verheiratet gewesen. Fünf Monate später, am 13. November 1942, war die Zürcher Premiere des Disney-Trickfilms «Bambi». Salten war im Kino Rex dabei und freute sich vor allem über den Zuspruch durch das Publikum. «Disneys Bambi / sehr schön! / Ich werde beim Kommen u. am Schluss applaudiert / Otti hätte das erleben sollen», notierte er. Dass Disney seine Geschichte, die er nicht explizit für Kinder geschrieben hatte, verniedlicht und die meisten Anspielungen weggebügelt hat, schien ihn nicht gestört zu haben, zumindest ist nichts dergleichen festgehalten.
Der Film blieb anfangs unter den Erwartung, wohl auch wegen des Kriegs. Erst über die Jahre wurde er zum Grosserfolg. Heute gilt «Bambi» als wegweisend für das Animationskino, aber auch für die Vermarktung: Millionen von Bambi-Figuren, Bilderbücher, Tassen mit Bambi-Motiv und vieles mehr wurden weltweit auf den Markt gebracht. Disney legte den Film mehrmals neu auf, auch eine Fortsetzung gab es, die mit Saltens Geschichte nur noch wenig zu tun hatte. Ein Riesengeschäft für den Unterhaltungskonzern.
Salten und seine Erben haben davon kaum profitiert. Der Schriftsteller hatte 1937 sämtliche Rechte für 5000 Dollar abgetreten. Damals ein ansehnlicher Betrag, erst recht für einen Autor, dessen Bücher in Deutschland gerade verboten worden waren. «Disney hat ausgenutzt, dass er schlecht Englisch sprach, und ihn über den Tisch gezogen», sagt Lea Wyler. Abgesehen von den 5000 Dollar gab es nichts mehr, auch nicht, als der Film dem Unternehmen Millionen einbrachte.
Kampf um die «Mutzenbacher»-Millionen
Für seinen anderen Klassiker, «Josefine Mutzenbacher», sah Salten überhaupt kein Geld. Da seine Autorschaft nie offiziell bestätigt wurde, konnte er auch kein Urheberrecht geltend machen. Lea Wyler und ihr Vater, der Anwalt Veit Wyler, haben mehrmals gerichtlich versucht, dies zu ändern. Allerdings ohne Erfolg. Der Autor habe durch seine bewusst gewählte Anonymität jeglichen Anspruch verwirkt, so die Begründung der Richter. Dabei hatte Salten keine andere Wahl gehabt: Als das Buch 1906 erstmals erschien, ging die Zensur streng gegen pornografische Schriften vor. In Deutschland wurde «Josefine Mutzenbacher» erst 2017 aus dem Verzeichnis der wegen Jugendgefährdung nicht lieferbaren Bücher gestrichen.
Vor zwei Jahren wollten zwei Literaturwissenschafter nachgewiesen haben, dass gar nicht Salten der Autor ist, sondern der erste Rezensent des Buchs, Ernst Klein. «Unsinn», sagt Lea Wyler, «ich weiss genau, dass das Buch von meinem Grossvater stammt.» Saltens damalige Sekretärin habe ihr bestätigt, dass er ihr Teile davon zum Abtippen diktiert habe. «Sie hat uns sogar eine eidesstattliche Erklärung dazu abgegeben», sagt sie.
Anwalt des Gustloff-Attentäters
Ottilies Tod setzte Salten schwer zu. Der Autor igelte sich zusehends ein, verliess nur noch selten seine Wohnung. Auch seine Schaffenskraft nahm ab, die angefangenen Memoiren blieben ein Fragment. Zu seinem 75. Geburtstag im September 1944 veröffentlichte die NZZ einen alten Text von ihm, und aus aller Welt trafen Glückwunschtelegramme ein. Tochter Anna Katharina, deren Mann Hans Rehmann 1939 gestorben war, heiratete im Dezember den Anwalt Veit Wyler, der sich als Verteidiger von David Frankfurter einen Namen gemacht hatte. Frankfurter hatte 1936 in Davos den Leiter der Schweizer NSDAP-Landesgruppe, Wilhelm Gustloff, getötet. Was Salten über Wyler gedacht hat, ist nicht überliefert, er führte zu jenem Zeitpunkt kein Tagebuch mehr. Wahrscheinlich war er stolz auf seinen neuen Schwiegersohn: Wyler war von 1940 bis 1943 auch Präsident der Zionistischen Ortsgruppe Zürich gewesen.
Am 8. August 1945 starb Felix Salten. An der Beerdigung auf dem Friedhof Unterer Friesenberg sprachen neben dem Rabbiner Zwi Taubes und Tochter Anna Katharina auch der Schauspielhaus-Direktor Oskar Wälterlin und Siegfried Trebitsch, ein österreichischer Dichter und enger Freund Saltens, der ebenfalls vor den Nazis nach Zürich geflüchtet war. Die NZZ schrieb in ihrem Nachruf: «Still, wie er zu uns gekommen ist und mit uns die letzten Jahre seines Lebens verbracht hat, ist Felix Salten, dieser gütige, kultivierte Vertreter Österreichs, von uns gegangen. Wir behalten ihn in treuer Erinnerung.»
Den Namen Felix Salten kennt heute kaum mehr jemand, sehr wohl aber seine zwei bedeutendsten Werke. An seinem Wiener Wohnhaus ist eine Gedenktafel angebracht. Am Haus an der Zürcher Wilfriedstrasse fehlt eine solche. Dafür gibt es den Bambi-Brunnen bei der Tramhaltestelle Langmaurstrasse. Lea Wyler: «An diesem hätte mein Grossvater bestimmt seine Freude gehabt.»
Künstler und ihre Orte
rbl. · Die einen gehen an den Genfersee, andere zieht es ins Tessin oder Berner Oberland: Künstler suchen sich besondere Orte. Sei es, weil sie Anregungen erhalten durch die Landschaft oder weil sie ein Haus finden, das ihnen als Rückzugsort ungestörtes Schaffen verspricht. In einer Reihe von Artikeln stellen wir temporäre Refugien von bedeutenden Künstlern, Dichtern und Musikern in der Schweiz vor. Am 20. September lesen Sie an dieser Stelle über die Schriftstellerin Annemarie Schwarzenbach, die in Sils Baselgia im Engadin ein Haus fand, wo sie sich mit ihren Freunden Erika und Klaus Mann traf, wohin sie sich zum Schreiben zurückzog und wo sie 1942 nach einem bewegten Leben 34-jährig starb.