Für zwei Tage besucht Vjosa Osmani-Sadriu die Schweiz. Sie trifft sich mit Bundesräten, Wirtschaftsvertretern und vor allem mit der kosovarischen Diaspora.
Es ist ein bedeutender Moment für die kosovarische Präsidentin Vjosa Osmani-Sadriu: Sie stattet als erstes Staatsoberhaupt Kosovos der Schweiz einen offiziellen Staatsbesuch ab. Das geschieht ein Jahr vor ihrer möglichen Wiederwahl – und während eine Regierungskrise ihr Land seit den Parlamentswahlen im Februar lähmt.
Die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter hatte ihre kosovarische Amtskollegin eingeladen. Sie und der Bundesrat wollen «die engen und vielfältigen Beziehungen der Schweiz und Kosovos würdigen und vertiefen», lautet die offizielle Botschaft.
Der Bundesrat beziffert die kosovarische Diaspora in der Schweiz auf 160 000 Menschen. Hinzu kommt, dass die Schweiz als eines der ersten Länder Kosovo 2008 als unabhängig anerkannte. Seit 1999 beteiligt sich die Schweiz zudem mit einem Kontingent an der Nato-Schutztruppe Kfor.
Diaspora ist fester Teil der Schweizer Gesellschaft
Bundesrätin Keller-Sutter betonte in ihrer Ansprache zum Staatsbesuch von Präsidentin Osmani die Bedeutung der kosovarischen Gemeinschaft in der Schweiz. Heute würden zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer der zweiten und dritten Generation mit kosovarischen Wurzeln die Schweiz ihr Zuhause nennen, so Keller-Sutter.
«Sie sind fester Teil unserer Gesellschaft, sei es als Fussballspieler, Lehrer, Mechaniker, Manager oder Politiker. Sie alle haben unser Land über Jahrzehnte mitgeprägt. Ihre Erfolgsgeschichten sind auch Erfolgsgeschichten der Schweiz.»
Die Schweizer Rolle bei der kosovarischen Unabhängigkeit
Angefangen hat die Beziehung vor sechzig Jahren. Ab Mitte der 1960er Jahre warb der Schweizer Bauernverband gezielt saisonale Gastarbeiter aus Jugoslawien an, zu dem auch Kosovo gehörte. Viele der Zehntausende Saisonniers, die jedes Jahr in die Schweiz reisten, stammten aus Kosovo, der ärmsten Region Jugoslawiens. Mit der Zeit wurden sie auch vom Gast- und Baugewerbe angeworben.
1981 kam es in Kosovo, das eine Provinz Serbiens war, zu Unruhen und nationalistischen Protesten. In der Schweiz gründeten Kosovo-Albaner Oppositionsparteien, Untergrundorganisationen und Zeitschriften. Sie demonstrierten in Bern, Zürich und Genf gegen die serbische Regierung, forderten eine eigene Teilrepublik im jugoslawischen Föderalstaat oder wollten sich sogar abspalten und mit Albanien vereinen.
Als 1991 die Kriege in Jugoslawien ausbrachen, fürchteten die Schweizer Behörden, dass die Konflikte auf dem Balkan auch hier zu Spannungen und Gewalt führen könnten. Zudem sorgten sie sich vor der wachsenden Immigration.
Vor allem auf letzteres sei das Engagement der Schweiz in und für Kosovo zurückzuführen, sagt der Historiker Thomas Bürgisser: «Mit dem Kfor-Einsatz versuchte die Schweiz die Situation vor Ort zu stabilisieren und so auch zu verhindern, dass weitere Menschen aus Kosovo hierher migrierten. Die rasche Anerkennung 2008 sollte es der Schweiz ermöglichen, Menschen aus Kosovo dorthin rückzuführen.»
Kosovo-albanische Aktivisten aus der Schweiz hätten ausserdem einen entscheidenden Beitrag zur Unabhängigkeit Kosovos geleistet, sagt Bürgisser. Gemeint sind prominente Kosovaren wie der ehemalige Ministerpräsident Kosovos, Ramush Haradinaj, oder der Vorgänger von Osmani und frühere Präsident Kosovos, Hashim Thaci. Beide kamen in den 1990er Jahren als Flüchtlinge in die Schweiz. Von hier aus beteiligten sie sich an der Gründung und Führung der selbsternannten «Befreiungsarmee Kosovos» (UCK) und deren Kampf gegen Serbien. Gegen Thaci läuft momentan ein Gerichtsverfahren in Den Haag. Ihm werden Kriegsverbrechen während des Kosovo-Kriegs von 1998 bis 1999 vorgeworfen.
Osmani sprach die Rolle der Schweiz während des Unabhängigkeitskriegs in Bern an und sagte: «Hier in der Schweiz fanden viele von Kosovos Freiheitsbemühungen sowohl Schutz als auch Unterstützung. Das werden wir nie vergessen.»
Vorurteile und Rassismus gegen Kosovarinnen und Kosovaren
Ab den 1990er Jahren waren Kosovarinnen und Kosovaren in der Schweiz zusehends Fremdenfeindlichkeit und Ressentiments ausgesetzt, auch wegen des Engagements von Anhängern eines unabhängigen Kosovos.
Ein Bericht der Bundespolizei von 1993 verweist darauf, dass es bei den Demonstrationen immer wieder zu Schlägereien komme, meist unter unterschiedlichen Fraktionen von Albanern oder dass es zu Beschädigungen von jugoslawischen Einrichtungen komme. Vor allem im Drogenhandel seien überwiegend Kosovo-Albaner aus Ex-Jugoslawien beteiligt.
Die Mehrheit der Kosovo-Albaner führe in der Schweiz aber ein geordnetes Leben, schrieb die Bundespolizei damals. Ein kleiner Teil der hier lebenden Kosovo-Albaner sei kriminell und schade so dem Ruf aller.
Die Vorurteile hielten sich dennoch in den Jahren danach und sind in Teilen noch heute vorhanden. Ein Tiefpunkt stellte ein SVP-Inserat zur Masseneinwanderungsinitiative im Jahr 2011 dar, mit dem Slogan «Kosovaren schlitzen Schweizer auf». Das Bundesgericht befand das Inserat für rassistisch, die verantwortlichen SVP-Mitglieder wurden wegen Rassendiskriminierung zu bedingten Geldstrafen verurteilt.
Kosovo bemüht sich um internationale Unterstützung
Trotzdem ist und bleibt die Schweiz eines der wichtigsten Länder für Kosovo. Dies zeigte sich jüngst vor den kosovarischen Parlamentswahlen, als Ministerpräsident Albin Kurti einen Wahlkampfauftritt in Zürich hatte. Über 3000 Kosovarinnen und Kosovaren nahmen teil. Auch am Mittwoch versammelten sich in Bern ein paar hundert Menschen aus der kosovarischen und albanischen Diaspora, um Osmani willkommen zu heissen.
Gegenwärtig versucht Osmani international Rückhalt für ihr Land zu gewinnen. Die EU hat wegen des Vorgehens Kosovos gegen serbische Institutionen Sanktionen verhängt. Und auch Washington sendet wenig erfreuliche Signale nach Pristina. Donald Trump scheint primär an guten und lukrativen Beziehungen zu Serbien interessiert zu sein. Kosovo verdankt jedoch seine Unabhängigkeit hauptsächlich den USA, die mit der Nato-Intervention 1999 den Kosovo-Krieg beendeten. Ein Wegfall dieser Unterstützung wäre gravierend für Kosovo.