Rahul Sahgal, der CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, ist optimistisch. Er gehe davon aus, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern auch unter Donald Trump weiterhin positiv entwickelten.
Herr Sahgal, die Wahl Donald Trumps gilt als Richtungswahl. Trifft das auch auf die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Schweiz zu?
Ich würde sagen, nein. In den vergangenen 30 Jahren gab es während 18 Jahren eine demokratische und während 12 Jahren eine republikanische Administration. Das Verhältnis zwischen den beiden Staaten war in dieser Zeit – mit den üblichen Ups und Downs – grundsätzlich gut. Die Exportzahlen haben sich in den vergangenen 20 Jahren verdreifacht. Gleichzeitig haben sich die Investitionen mehr als verdoppelt – und das in beide Richtungen. Ich gehe stark davon aus, dass diese positive Entwicklung auch unter Präsident Trump anhält.
Was sind die Hauptgründe für dieses starke Wachstum?
Der US-Markt ist mittlerweile der einzige relevante Markt, der noch wächst. In vielen europäischen Ländern stagniert das Wachstum, China schwächelt ebenfalls, und Indien ist zwar spannend, aber mit 0,7 Prozent Exportanteil noch relativ unbedeutend. Ich gehe davon aus, dass die amerikanische Wirtschaft auch unter Donald Trump weiter wachsen wird und damit das Zugpferd für die Schweizer Wirtschaft bleibt.
Gilt das auch für stark kompetitive Branchen wie etwa die Pharmaindustrie?
Weil der US-Markt generell wächst, wird der Kuchen auch für die Schweizer Wirtschaft grösser. Mit durchschnittlich 82 000 Dollar ist das Pro-Kopf-Einkommen in den USA höher als das in Deutschland. Auch die Produktivität wächst stärker. Viele Firmen sind zudem nicht nur Konkurrenten, sondern sie bewegen sich komplementär im Markt. Die Schweizer Pharmaindustrie bietet andere Blockbuster an als die amerikanische. Dazu kommt, dass die Schweiz im Bereich zukunftweisender Technologien sehr stark ist; etwa bei der künstlichen Intelligenz oder der Drohnen-Software. Wenn die Schweiz diese technologische Revolution nicht verpassen will, sollte sie sich hier den USA so weit wie möglich anschliessen und die Zusammenarbeit suchen.
Unter Trump dürfte sich die Staatsverschuldung weiter erhöhen. Wie gross ist die Gefahr, dass sich die US-Schuldenwirtschaft früher oder später auf die Konjunktur der Schweiz auswirkt?
Längerfristig gesehen ist die Verschuldung der USA ein Problem. Die USA sind heute mit etwa 120 Prozent des Bruttoinlandproduktes verschuldet. Das ist die höchste Verschuldungsquote der Geschichte. Ein Kollaps hätte auch Folgen für die Schweiz. Die Schweizer Nationalbank hält ja weltweit mit am meisten Dollarreserven. Kurzfristig halte ich die Gefahr eines Zusammenbruchs aber für gering. Die Nachfrage nach Treasury Bonds ist bei Investoren nach wie vor gross. In Japan, das keine weltweit gefragte Währung hat, liegt die Verschuldung bei 160 Prozent, und das Land ist noch nicht kollabiert.
Gehen Sie denn davon aus, dass Trump die Staatsverschuldung weiter erhöhen wird?
Nach seiner ersten Amtszeit war das der Fall. Das lag zum einen an der Pandemie, zum andern daran, dass Trump die Unternehmenssteuern stark gesenkt hat und sich diese Senkungen nicht wie erhofft selbst finanzierten. Wenn er diese Steuern tatsächlich auf 15 Prozent plafonieren will, wirkt sich das natürlich aus. Die Frage ist aber, ob ihn die in diesen Bereichen eher traditionell denkenden Republikaner im Kongress dabei unterstützen werden oder nicht.
Die Schweizerisch-Amerikanische Handelskammer geht davon aus, dass Trump auf Zollerhöhungen setzen wird. Was bedeutet das für die Schweiz?
Trump droht ja immer mit Flat-Rate-Zöllen: 10 bis 20 Prozent Steuererhöhungen für alle ausländischen Produkte – egal, woher diese kommen. Zollerhöhungen sind allerdings inflationstreibend, und das Thema Inflation hat stark mitgeholfen, dass Trump gewählt wurde. Schon deshalb ist es fraglich, ob Trump das überhaupt will und ob er auch vom Parlament unterstützt würde. Denn alleine kann er keine globalen Zölle einführen. Handelspolitik ist Sache des Kongresses. Trump dürfte aber gerade zum Anfang seiner Amtszeit mit Zollerhöhungen drohen. Das hat er bei seiner ersten Amtszeit schon so gemacht. Frankreich hat von der Idee einer Digitalsteuer für Tech-Firmen abgelassen, als Trump mit Strafzöllen für 63 französische Produkte drohte.
Viele Schweizer Reaktionen auf die Wahl Trumps lauten: Jetzt wird die Schweiz näher an Europa heranrücken müssen. Wie sehen Sie das?
Diese Frage habe ich jetzt noch nie gehört. Spontan würde ich sagen: Die Schweiz muss näher an die USA rücken. Wir sind ein liberales Land, und die USA sind der grosse Zukunftsmarkt: That’s where it’s happening. In Zukunftsmärkten. Wo sich die Schweiz und Europa sicher stärker annähern sollten, ist im Bereich der Sicherheitskooperation.
Die Schweiz und die EU verhandeln derzeit noch um ein institutionelles Abkommen. Interessieren sich die USA überhaupt für den Ausgang der Verhandlungen?
Die US-Firmen in der Schweiz sind vor allem an stabilen Verhältnissen zwischen der Schweiz und der EU interessiert. Auf welchem Weg das erreicht wird, ist zweitrangig. Von amerikanischen Firmen hier höre ich immer wieder die Klage, dass es zunehmend schwierig wird, von der Schweiz aus den EU-Markt zu bedienen.
Sie arbeiteten von 2017 bis 2021 in der Schweizer Botschaft in Washington, wo Sie gute Beziehungen zu hohen Beamten der Administration Trump pflegten. Sind Sie zuversichtlich, dass sich Trump auch in seiner zweiten Amtszeit mit guten Fachleuten umgibt statt mit Ideologen?
Ich denke, die Chancen, dass die Administration Trump 2.0 eine Fortführung der Administration Trump 1.0 ist, stehen gut. Der amerikanische Präsident ist im persönlichen Umgang offenbar viel zurückhaltender als im öffentlichen. Als ich noch in Washington war, sagten uns seine Berater immer: Lest nicht seine Tweets, die sind nur für seine Basis gedacht. Wir erklären euch, was er wirklich will.
Während Sie in den USA waren, war der bekennende Schweiz-Freund Edward McMullen Botschafter der USA in der Schweiz. Hoffen Sie auf eine Rückkehr?
Wer bin ich, die Ernennung eines Botschafters zu kommentieren? That’s none of my business.
Der bisherige Botschafter, Scott Miller, kritisierte die Schweiz scharf für ihre Sanktionspolitik. Wie wird sich die Wahl Trumps auf den Streit mit den USA um russische Gelder auswirken?
Aus meiner Sicht gibt es keinen Streit mit den USA. Das amerikanische Finanzministerium ist zufrieden damit, wie die Schweiz mit dem Thema umgeht.
Manager, Diplomat, Lobbyist für die Eidgenossenschaft
Rahul Sahgal, geboren 1977, ist der Sohn eines indischstämmigen ETH-Ingenieurs. Nach seinem Studium der Betriebswirtschaft und der Rechtswissenschaften an der Universität St. Gallen war er erst in den Bereichen Hedge-Funds, Strategieberatung und Management tätig, bevor er 2013 in das Diplomatische Korps der Schweiz eintrat. Von 2017 bis 2021 arbeitete er als Botschaftsrat und Leiter der Finanz- und Steuerabteilung in der Schweizer Botschaft in Washington. Seit August dieses Jahres ist er CEO der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer.