Bei Sika und Holcim sind sich die Profis für das kommende Jahr mehrheitlich einig, bei anderen Aktien indes nicht. Ausserdem: Kuros wird zu unrecht abgestraft, für Swatch Group und Richemont braucht es mehr als lauwarme Worte, und Hochdorf wird an der Schweizer Börse überwintern.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Julius Bär macht’s kurz und knackig: Sika, Georg Fischer und Partners Group sind auf der Liste von Research-Chef Christian Gattiker-Ericsson. Bei der Zürcher Kantonalbank, Vontobel und Kepler Chevreux ist die traditionell Mitte Dezember erscheinende Aufzählung der Aktienfavoriten fürs kommende Jahr schon etwas länger. Kepler publiziert anders als die anderen auch heuer wieder eine Flop-Liste mit Aktien, um die Anleger einen grossen Bogen machen sollten.
Die Analysten unterscheiden sich auch bei ihren Erwartungen an 2025 und dem generellen Blick auf das Börsenumfeld: ZKB – mit BKW, Emmi, SGS – und Kepler – Givaudan, Nestlé, Novartis – sind klar defensiver aufgestellt als Vontobel, die mit Adecco, Richemont und Flughafen Zürich gleich drei konjunkturabhängige Titel präsentiert. Bei Kepler-Research-Chef Torsten Sauter rangieren Flughafen Zürich sowie Partners Group sogar unter den «Meiden»-Empfehlungen.
Spannender noch finde ich die Überschneidungen: Sika und Holcim tauchen auf zwei Listen auf, ebenso Partners Group. Vontobel setzt wie ZKB auf einen kleinen Lebensmittelhersteller, zieht aber Aryzta gegenüber Emmi vor. Ich finde auf dem gegenwärtigen Niveau beide Titel spannend, wie in dieser Analyse zum Tiefkühlbäcker und Ende November mit Blick auf den Milchverarbeiter erläutert – dies, auch wenn das Kursmomentum besser sein könnte.
Grundsätzlich findet sich auf den Listen viel Bewährtes, Risikopositionen hat es kaum. Zu den «Top Picks» von Vontobel, wie die Privatbank ihre Auswahl nennt, gehört Sandoz. Zuletzt erhielt der Hersteller von Nachahmermedikamenten von verschiedener Seite Zuspruch: Bank of America und J.P. Morgan haben das Kursziel erhöht, beide US-Banken empfehlen die Titel zum Kauf, sowie auch mein Kollege Giorgio Müller. Und nicht nur bei uns und den Analysten sind sie äusserst beliebt. Gemäss dem Nachrichtenportal «Cash» sind die Aktien im laufenden Jahr auch bei Google am meisten gesucht.
Klar, das Momentum stimmt, seit dem Spin-off von Novartis ist der Börsenwert von Sandoz um mehr als 50% gestiegen.
Und doch bin ich einigermassen erstaunt. Unter den sonstigen Favoriten in der Google-Suche tauchen nämlich vor allem spekulativere Werte auf: Gamestop, Super Micro Computer und Trump Media Group sind ebenso vertreten wie DocMorris, Hochdorf und Kuros.
Apropos Kuros.
Kuros unter den zufälligen Opfern im Pharmasektor
Was der Aktienkurs von Sandoz in den vergangenen Wochen auch zeigt: Pharmawerte sind bei Investoren in Ungnade gefallen. Nach einem kurzen Aufleben defensiver Sektoren im Sommer kamen viele Titel aus dem Gesundheitsbereich bereits im Herbst unter Druck. Seit Mitte November sorgt die Ernennung von Robert F. Kennedy, Jr. zum Kandidaten für den Posten des US-Gesundheitsministers für zusätzliche Abgaben.
Noch muss die Nomination Kennedys vom Senat bestätigt werden. Aber der Politiker ist ein Radikaler: Er hat der Pharmaindustrie in öffentlichen Auftritten wiederholt vorgeworfen, die US-Gesellschaft zu vergiften und krank zu machen, um ihren Gewinn zu maximieren. Er drohte damit, die bei den Konzernen für die «Pharmakorruption» Verantwortlichen «zu verfolgen und zu inhaftieren». Dabei zielte er speziell auf Pfizer ab.
Ausserdem will der angehende US-Präsident Donald Trump mithilfe von Tesla-Chef Elon Musk bekanntermassen die Verwaltung in Washington schlanker aufstellen. Einer der wichtigsten Budgetposten der Regierung: Ein knappes Viertel der Ausgaben auf Bundesebene entfällt auf die Gesundheitsversorgung für Pensionierte (Medicare) sowie die Gesundheitsversorgung für untere Einkommensschichten (Medicaid). Noch weiss niemand, welche Folgen die personellen Entscheide in Washington haben werden.
Die Sorgen der Anleger respektive ihre Handlungen wirken mitunter aber arbiträr und vor allem uninformiert. Lonza etwa wird insbesondere wegen des Produktionsauftrags für den Covid-Impfstoff von Moderna während der Pandemie als Impfstoffherstellerin abgetan, und diese hätten – so die Annahme – unter dem erklärten Impfgegner und Gründer einer Anti-Impf-Organisation Kennedy am meisten zu befürchten. Dass das Unternehmen derzeit keine Impfstoffe produziert, scheint da nebensächlich. Der Case ist gemacht.
Am meisten aber hat der Aktienkurs von Kuros gelitten. Just eine Woche, nachdem ich das letzte Mal über das Unternehmen geschrieben hatte, erreichten die Titel ein Höchst.
Der Kursausschlag ist an sich wenig überraschend, schon Anfang November erinnerte ich daran, dass der Kursverlauf eines so kleinen Unternehmens oft volatiler ist als der des Gesamtmarktes. Beim Spezialisten für Knochenersatzmaterial kommt erschwerend hinzu, dass die operative Entwicklung von MagnetOs und damit von einem einzelnen Produkt abhängt. Das ist mir persönlich zu riskant.
Den Mutigen unter Ihnen, die bei Kuros engagiert sind, sei aber gesagt: Aus meiner Sicht hat sich am Investment Case fundamental nichts geändert. Kann das Unternehmen die hohen Wachstumserwartungen erfüllen und bereits 2025 die Gewinnschwelle erreichen, ist das Kursniveau nicht übertrieben.
Swatch und Richemont: lieber Fakten als lauwarme Worte
Zum Wochenauftakt kam einmal mehr etwas Schwung in die Aktien von Swatch Group und Richemont. Der Grund? In China gibt es neue Anzeichen, dass die Regierung mit einem Stimulusprogramm vorwärtsmachen will. Staatschef Xi Jinping versprach, dass das Land sein Wachstumsziel von 5% in diesem Jahr erreichen und der Motor der Weltwirtschaft bleiben wird. Auch werde Peking die Bemühungen verstärken, das schwächelnde Vertrauen der Investoren zu stärken. Er bekräftigte in seiner Ansprache auch den lockereren geldpolitischen Kurs.
Erneut fehlte jedoch die Ankündigung konkreter fiskalpolitischer Massnahmen, und so fiel die Kursavance in den beiden Schweizer Titeln bereits kurz darauf in sich zusammen. Die am Dienstag publizierten Handelszahlen trübten die Investorenstimmung dann zusätzlich. Im November sanken Chinas Importe 3,9%, so stark wie seit Februar nicht mehr, worin sich die weiterhin schwache Nachfrage spiegelt.
Die Kursausschläge zeigen erneut: Wichtiger als lauwarme Worte wären Signale für ein Aufleben der Wirtschaft oder immerhin klare Ankündigungen, dass die Führung des Landes beabsichtigt, die Konsumnachfrage zu stimulieren. Noch sehe ich dafür aber keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil, zuletzt ist die chinesische Regierung rhetorisch eher noch härter gegen zur Schau gestellten Luxus und übermässigen Konsum vorgegangen.
Wie ich an dieser Stelle schon betonte, dürfen die Luxusgüterhersteller nicht auf einen plötzlichen starken Anstieg der Nachfrage in China hoffen. Klar, greifen die Konjunkturmassnahmen, sitzt den Menschen auch das Portemonnaie etwas lockerer. Und die Unternehmen sollten in diesem wichtigen Markt aktiv bleiben. Richemont hat denn auch in diesem schwierigen Jahr weiter in China investiert. Die Hoffnung in die chinesische Nachfrage wurde zuletzt aber Mal für Mal enttäuscht.
Die Ausgangslage der beiden Unternehmen könnte zudem nicht unterschiedlicher sein. Während Richemont sich trotz aller Ermüdungserscheinungen im Konsumbereich auch im internationalen Vergleich bisher sehr gut schlägt und mit den Schmuckmarken Cartier und Van Cleef & Arpels brilliert, kämpft Swatch Group nicht nur mit den Herausforderungen in China. Der Bieler Uhrenhersteller steht im Branchenvergleich schlecht da und verliert Marktanteile, mitunter eine Folge des schlechten Managements der Familie Hayek.
Entsprechend geteilt fällt auch meine Meinung zu den Aktien aus: Richemont schaue ich mir immer dann an, wenn der Kurs sich 120 Fr. nähert, grundsätzlich lohnt es sich, die Titel zu halten. Um Swatch Group mache ich trotz niedriger Bewertung einen grossen Bogen.
Meyer Burger und Hochdorf … sie leben immer noch
Im Herbst sah es kurzfristig so aus, als würde 2024 als Jahr in die Geschichte eingehen, in dem sich gleich zwei Sorgenkinder von der Schweizer Börse verabschieden. Mit Meyer Burger und Hochdorf standen zwei Traditionsunternehmen mit dem Rücken zur Wand. Doch sie leben immer noch, die Aktien können weiterhin an der SIX gehandelt werden.
Meyer Burger hat mit einer Überbrückungsfinanzierung ein weiteres Mal den Kopf aus der Schlinge gezogen. Vergangene Woche kommunizierte der schwer angeschlagene Solarspezialist, eine Zwischenfinanzierung in Höhe von 40 Mio. $ gesichert zu haben. Davon fliessen 19,7 Mio. $ per sofort, den Rest erhält das Unternehmen beim Erreichen gewisser Meilensteine. Noch wichtiger ist die ebenfalls kommunizierte Absicht, den bisher grössten Kunden Desri zurückzugewinnen. Der US-Solar- und Windparkbetreiber, der 70% des Abnahmevolumens ausmacht, hatte Mitte November den Rahmenvertrag mit dem Unternehmen einseitig gekündigt.
Die Aktien reagierten prompt mit einem kräftigen Kursgewinn.
Aus Sicht von The Market ändern diese positiven Nachrichten aber nicht viel am grundsätzlichen Problem. Das Unternehmen, das in Thun noch immer mehr als hundert Personen beschäftigt und weltweit rund tausend Angestellte zählt, verbrennt weiterhin viel Geld, ohne dass es nennenswerte Einnahmen ausweisen kann. In dieser Form hat Meyer Burger kaum eine langfristige Zukunft. Es wird nur noch ein Kapitel an die ewige Leidensgeschichte angehängt. Die Aktien sind ausser für kurzfristige Spekulanten nicht interessant.
Definitiv dem Ende zu neigt sich die Geschichte Hochdorfs an der Schweizer Börse. Am Dienstagabend gab der Milchverarbeiter bekannt, dass er den Verkauf der Tochtergesellschaft Hochdorf Swiss Nutrition an AS Equity Partners vollzogen hat. Das operative Geschäft wird nach der Transaktion in der bisherigen Form zwar weitergeführt. Die Holding aber befindet sich in provisorischer Nachlassstundung, mit einer ersten Frist bis am 19. Dezember. Gemäss einem Sprecher des Unternehmens dürfte das Börsenkapitel damit noch nicht gänzlich abgeschlossen sein, er erwartet zum jetzigen Zeitpunkt eine Verlängerung der Frist um vier Monate.
Damit bleibt Hochdorf der Börse zwar auch 2025 erhalten, der Totalausfall ist aber nahezu sicher.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter