Das «Palace» in Gstaad ist ein Monument des internationalen Luxustourismus. Sein Besitzer spricht über die Sonderwünsche der Superreichen – und er sagt, wieso selbst Michael Jackson das Hotel nicht kaufen konnte.
Ein weisses Märchenschloss, das über den dunklen Chalets von Gstaad thront: Willkommen in der Welt des «Palace» auf 1050 Metern über Meer, seit mehr als hundert Jahren ein Zufluchtsort für die Reichen und Superreichen dieser Welt. «The last paradise in a crazy world» nannte die Hollywood-Schauspielerin Julie Andrews das Dorf im Berner Oberland einmal.
«Es hat sich viel verändert», sagt der Taxifahrer, ein Routinier seines Geschäfts, als wir auf dem Weg zum «Palace» an zwei teuer gekleideten Frauen vorbeifahren, die sich mit dem Handy fotografieren.
Wie sieht der Luxustourismus heute aus, und hat sich wirklich so viel verändert? Das wollen wir von Andrea Scherz wissen, dem Direktor des «Palace». Er wacht über die Betriebsamkeit der Gegenwart und über eine legendäre Vergangenheit. Seit 1938 ist das Hotel im Familienbesitz. Andrea Scherz führt es in dritter Generation. Er erinnert sich noch, wie Blake Edwards in den siebziger Jahren «The Return of the Pink Panther» im Hotel drehte. Und wie schliesslich zur Weltpremiere auf der «Palace»-Terrasse alle kamen: Liz Taylor, Richard Burton, Curd Jürgens. Das «Palace» ist eine gemauerte Ahnengalerie der Prominenz. Und es ist die Kulisse von Andrea Scherz’ Leben.
Scherz bittet an einen Tisch am offenen Cheminée in der Lobby. Hochsaison im Februar, das Hotel ist voll, aber er wirkt nicht so, als stehe er unter Stress. «Sie können alles fragen», sagt er.
Herr Scherz, Sie präsidieren eine Vereinigung von Luxushotels auf der ganzen Welt. Wie machen Sie selbst Ferien?
Andrea Scherz: Im Januar war ich in La Croix-Valmer, einem kleinen Örtchen im Süden von Saint-Tropez. Da gibt es ein wirklich schönes Luxushotel. Man kann aufs Meer schauen oder am Strand spazieren. Jetzt sagen Sie: «Spinnt der, im Januar nach Saint-Tropez? Da ist ja kein Mensch!» Genau das will ich. Das ist meine Social-Detox-Woche, an einem Ort, an dem ich niemanden kenne und mit niemandem einen Apéritif trinken oder zu Nacht essen muss.
Und Sie können schauen, was die Konkurrenz so macht.
Ja. Ich liebe es, in Fünf-Sterne-Hotels zu gehen. Da bekomme ich Inputs für das eigene Haus, das ist mein Benzin, um Drive für die Zukunft zu entwickeln. Zudem esse und schlafe ich gerne gut.
Dachten Sie manchmal: Das ist ein Luxus, den ich im «Palace» auch gerne anbieten würde?
Ja, in dem Hotel gibt es viel weibliches Personal, gerade im Service, was ich gut finde. Bei uns war es früher so, als müsste ich meinem Oberkellner einen neuen Trick beibringen: Engagieren Sie bitte mehr Frauen! Jetzt ändert sich das auch bei uns. Im Hotel in La Croix-Valmer gibt es eine Sommelière, sehr lustig, sehr charmant – aber auch nicht so, dass sich meine Frau daran gestört hätte. Sie hat mir immer wieder ein teureres Glas Wein verkauft, als ich eigentlich wollte. Sehr gut!
Was unterscheidet ein Luxushotel von einem Hotel?
Der Komfort muss auf dem gleichen Level sein wie beim Gast zu Hause. Zudem wollen unsere Gäste natürlich ihren Lieblingstisch, ihren Lieblingskellner, ihr Lieblingszimmer. Ich merke es bei mir selbst: Ich bin froh, wenn man in einem Hotel meine Gewohnheiten kennt. Am Mittag bitte keinen Wein andrehen, am Abend bitte nur einen Teller und kein ganzes Menu mit Dessert. Und wenn ich an der Bar meinen Negroni trinke: bitte nicht stören.
Das Wissen über die Gäste ist Ihr Kapital – haben Sie immer noch Karteikarten?
Nein, das ist heikel geworden, aus Gründen des Datenschutzes. Heute braucht es zig Passwörter, um alles zu verschlüsseln, und eine Anleitung, was man noch notieren darf.
Was schreiben Sie auf? «XY kommt immer mit dem Hund.»
Früher hiess es: «Er ist Alkoholiker.» Oder: «Achtung: Im Januar ist es die Maîtresse von Herrn Meier, im Sommer die Frau.» Wir haben noch solche alten Karteikarten im Archiv. Heute geht man in Richtung Komfort. Man notiert die gewünschte Sorte des Mineralwassers, wie die Kleider in der Garderobe geordnet sein sollen – oder welchen Tisch der Gast nicht will. Einmal hatten ein berühmter Sportler und seine Frau in unserem Käserestaurant einen Tisch beim Eingang. Das gab ein zweitägiges Drama.
Sind die Gäste anspruchsvoller geworden?
Nicht anspruchsvoller, aber ungeduldiger – unorganisierter. Heute sagt ein Gast beim Check-in: «Ich hätte gerne diese speziellen Hundebiskuits.» Und eine halbe Stunde später fragt er: «Wo sind sie?» Es ist ja inzwischen alles «at your fingertips», man kann in drei Sekunden ein Uber bestellen. Dieser Rhythmus überträgt sich auf uns. Es gibt Gäste, die nachts um zwei Uhr anrufen und sagen, sie brauchten am Morgen um fünf Uhr eine Limousine nach Genf. Früher schrieben sie das noch vor der Ankunft per Fax. Das bringt mehr Druck, mehr Unzufriedenheit. Wir haben aber Glück, dass wir viele Leute mit altem Geld haben, die verstehen besser, was wie viel Zeit und Aufwand braucht. Sie haben vielleicht früher in normalen Jobs gearbeitet.
Welche Ansprüche hat neues Geld?
Da erleben wir Leute, die uns testen wollen: Ich bin im «Palace» – jetzt sollen alle secklen!
Nervt Sie diese Attitüde?
Ja. Manchmal lachen sich aber auch Leute mit altem Geld eine Freundin oder einen Freund an, die uns beschäftigen. An Weihnachten kam eine Frau an die Reception und verlangte nach einem echten Weihnachtsbaum mit weissen Kugeln, mit silbernen Sternen. Unsere Receptionistin notierte sich alles: «Yes, ma’am, yes, ma’am.» Der Preis spielt sowieso keine Rolle. Und am Ende sagt die gute Frau: «Wir gehen jetzt nach draussen – you can come now to set it up!» Die Gäste meinen, wir könnten in fünf Minuten einen Weihnachtsbaum aufbauen. Manche denken, es gebe nur sie und ihre Bedürfnisse auf dieser Welt.
Wenn wir bei den Spezialwünschen sind: Ihr Chefkoch sagte einmal, von hundert Bestellungen seien ungefähr zehn vom Menu.
Das ist vielleicht übertrieben, aber es bestellen je nach Saison schon fünfzig Prozent neben dem Menu. Sie sitzen ab, lassen das Menu auf dem Tisch liegen, und dann fragt jemand: «Schatz, was willst du heute Abend essen?» – «Magst du dich besinnen: In Portofino hatten wir doch diesen Loup de Mer mit den Oliven und den langen Tomaten, nicht den runden, den langen Tomaten!» So stellen sie aus dem Moment heraus ihr Menu zusammen. Das ist auch wahrer Luxus. Dass wir sagen: «Ja, genau, die langen Tomaten. Und wir haben auch noch das feine Olivenöl dazu!» Jeder Food-and-Beverage-Berater, den wir hatten, sagte uns: «Ihr müsst nur das Menu anbieten, das ist effizient, so verdient ihr Geld.» Wir machen genau das Gegenteil. Superreiche sind nicht daran gewöhnt, dass man Nein zu ihnen sagt.
So ist es aber unmöglich, zu planen.
Ja. Wir müssen zum Beispiel immer drei, vier Turbots auf Reserve haben – grosse, runde, flache Fische, sehr teuer und sehr gut. Weil wir nicht wissen, wie vielen Gästen spontan in den Sinn kommt, dass sie gerne einen Turbot hätten.
Ihr Prinzip heisst: Wir erfüllen jeden Wunsch.
Absolut.
Ihre Chef-Receptionistin hat einmal den Fall eines Gastes aus Nahost geschildert, der mit seinem Hund nicht in den Schnee hinausgehen konnte . . .
. . . da legten wir einen Rasenteppich in die Dusche. Ja, diese Szene hat Roman Polanski sogar in seinen Film über das «Palace» aufgenommen. Ich sass oft mit Polanskis Chefwriter hier an einem Tisch und erzählte ihm Anekdoten.
Aber die Geschichte mit dem Rasenteppich ist wahr?
Natürlich. In einem Hotel wie dem «Palace» erlebt man alles. Einmal mussten wir einem Gast aus Amerika den Boden der Suite um dreissig Zentimeter erhöhen. Er fand, er sehe nicht gut aus den Fenstern. Unser Schreinerteam drehte Harassen um, verlegte einen neuen Boden, bezog ihn mit Teppich. Wir mussten Steckdosen hochziehen. So bekam er seine erhöhte Suite. Das verrechnen wir alles, da sind wir nicht scheu.
Es soll auch Gäste geben, die ihr eigenes Mobiliar mitbringen.
Ja, ein Gast, der derzeit im Haus ist, bringt jeweils seinen eigenen Hermès-Schreibtisch mit.
Die Gäste sind oft viel reicher als Sie. Wie erkennen Sie ihre Wünsche?
Reichtum heisst manchmal noch nichts. Wir haben einen Gast, der mit seiner Familie im privaten Boeing-Jet anreist. In so einem Jet gibt es vierzig, fünfzig Plätze. Wenn dieser Gast bei uns in ein Restaurant kommt, schleicht er aber fast den Wänden entlang: «Good evening. May I have a table, please? Thank you, thank you.» Den Jungen sieht man den Reichtum eher an: Je zerrissener die Jeans, desto reicher sind sie.
Machen Sie die Gäste auf Stilregeln aufmerksam?
An den Gala-Abenden fahren wir eine Säule auf Rollen vor den Eingang – mit Piktogrammen, was nicht erlaubt ist: Caps, T-Shirts, weite Jeans, farbige Turnschuhe. Wir sagen den Jungen: «Zieht doch wenigstens ein Hemd mit Kragen an.» Wir haben einen Dresscode, wir sind einer von wenigen Orten, an denen man sich noch elegant anziehen kann. Das schätzen viele unserer Gäste. Bei uns können sie ihre tolle Garderobe und Accessoires tragen. Das ist selten geworden. In London, Paris, Rom tragen diese Leute besser keinen Schmuck. Aus Sicherheitsgründen. Ein Gast hat uns erzählt, wie er in Paris – kaum aus dem Auto gestiegen – eine fremde Hand an seiner Franck-Muller-Uhr hatte.
Wollen Sie in diesem geschichtsträchtigen Haus eine alte Welt wiederaufleben lassen?
Es ist eine Gratwanderung. Der schlimmste Satz, den man mir sagen kann, lautet: Das «Palace» ist alt und verstaubt. So ein Hotel will niemand. Andererseits schätzen viele Gäste gewisse Traditionen, einen gewissen Stil. Wir haben ausländische Gäste, die ihre Uhren und ihren Schmuck in Gstaad in einem Safe lassen – und einfach in diesen zwei, drei Wochen bei uns tragen. Wunderbar!
Haben Sie einen Blick dafür, wie sich Fünf-Sterne-Novizen und Fünf-Sterne-Habitués unterscheiden?
Man merkt es sehr schnell – wie sie reden, wie sie sich verhalten. Wo sich neue Gäste immer verraten: In einem Fünf-Sterne-Hotel gibt es noch die Reception und den Concierge. Und den Zimmerschlüssel bringt man immer dem Concierge.
Wie sieht der perfekte Check-in in einem Hotel aus?
Ein guter Empfang ist so persönlich und so schnell wie möglich. Wenn Sie schon drei Mal da waren, erklären wir Ihnen nicht noch einmal, wie der Föhn im Zimmer funktioniert. Zudem fragt man: «Haben Sie schon eine Reservation für ein Restaurant heute Abend?» Meistens sind Sie bei der Ankunft müde von der Reise, wollen schnell zur Toilette. Sie wollen nicht einen Haufen Regeln über das Haus hören. Ich finde es absolut unangenehm, wenn man mir beim Check-in sagt: «Sitzen Sie doch bitte ab, Herr Scherz. Noch einen Tee, einen Saft?» Lasst mich doch ins Zimmer gehen!
Hat ein Stammgast andere Privilegien als ein anderer Gast?
Offiziell wird jeder Gast gleich behandelt.
Offiziell.
Wenn Sie Stammgast sind und den Kellner seit Jahren kennen, gibt es eine menschliche Verbindung. Wenn Sie sympathisch sind, bekommen Sie einen besseren Service. Ich sage meinen Leuten: Behandelt die Gäste wie Freunde, die zu euch nach Hause kommen. Der zweite Faktor ist das Trinkgeld. Wenn unsere Kellner wissen, dass Sie jedes Mal einen Fünfziger durchstecken, bekommen Sie sicher einen guten Tisch. Das ist menschlich, und wir können es nicht kontrollieren. Wir haben noch viele Gäste, die wissen, wie wichtig Trinkgeld ist.
Was heisst das?
Mein Vater hat mich das auch noch gelehrt. Als ich ein Kind war, fuhren wir nach Santa Margherita in ein schönes Hotel. Am Ende sagte mein Vater, er gehe noch zum Hoteldirektor – ich solle dafür schauen, dass das Gepäck eingeladen werde, und dem Portier dann ein Trinkgeld geben, zehntausend Lire oder so. Auf der Abfahrt fragte mein Vater: «Und, hast du dem Portier die Lire gegeben?» Ich hatte nicht mehr daran gedacht. Da trat mein Vater auf die Bremse, kehrte um und sagte zu mir: «Such den Portier und gib ihm die zehntausend Lire!» So wollte er mir zeigen, wie wichtig Trinkgeld ist. Man gibt das Nötli beim Händedruck, leicht verdeckt, zwischen zwei Fingern. Die andere Person weiss natürlich Bescheid.
Sie sind im «Palace» aufgewachsen. War für Sie immer klar: Dieses Haus verlasse ich nicht?
Anfänglich nicht. Es gab keinen Druck der Familie, dass ich übernehme. Mein Vater sagte immer: «Mach, was dich glücklich macht!» Das ist ja das Geheimnis eines erfüllten Lebens. Später, als ich meinen Weg in der Hotellerie machte, sagte er zu mir: «Wenn du hier ins Hotel kommen willst, musst du saugut sein. Ich will nicht, dass ein Scherz das ‹Palace› in den Grund reitet!» Heute bin ich froh, dass ich hier bin. Dieses Haus ist seit meiner Kindheit so präsent, Tag und Nacht. Es hat das ganze Familienleben bestimmt.
Ist es nicht eine riesige Last, wenn man dieses Erbe antritt?
Die Belastung kommt erst mit dem Alter. Wenn man jung und unerfahren ist, sieht man die grosse Verantwortung nicht. Als ich anfing, war ich wie ein junger Hund, strahlte und schwänzelte um die Gäste herum. Erst mit Mitte fünfzig sehe ich, welche Verantwortung ich trage. Aber jetzt ist es zu spät. Vielleicht übernehmen mein Sohn und meine Tochter einmal. Ich lasse ihnen die Freiheit, wie mein Vater mir die Freiheit liess. Und sie müssen gut sein.
Sie wuchsen unter Stars auf, spielten etwa mit dem Bond-Darsteller Roger Moore mit der Modelleisenbahn. Nach Jahrzehnten im Fünf-Sterne-Business: Haben Sie noch die gleiche Faszination für die Gäste?
Seit der Pandemie haben wir viele neue Gäste, die nur einmal kommen – nicht mehr jedes Jahr zur gleichen Zeit. Früher schaute ich auf die tägliche Arrivée-Liste und kannte mindestens fünfzig Prozent der Namen. Heute sind es vielleicht noch zehn Prozent. Man ist weniger vertraut, ich habe nicht mehr die gleiche persönliche Bindung zu den Gästen. Weltstars wie Madonna oder Bono sind auch seltener geworden: Sie mieten eher Chalets, wo sie nicht Gefahr laufen, ständig mit dem Handy in der Öffentlichkeit fotografiert zu werden.
Früher kamen die Gäste vor allem aus Westeuropa und den USA. Heute kommen sie aus dem arabischen Raum, aus Indien, Fernost.
Das hat einen grossen Einfluss: Wer von weit her anreist, kommt wahrscheinlich nicht jedes Jahr wieder. Das Geschäft ist strenger und komplizierter geworden. Man muss sich ständig auf bisher unbekannte Gäste einstellen, und wenn man ihre Bedürfnisse endlich gut kennt, reisen sie wieder ab und kommen womöglich lange nicht wieder zurück.
Der Markt ist zudem umkämpfter als früher. Viele Luxushotels haben Investorengruppen und Mäzene im Hintergrund, da wird geklotzt – ohne Rücksicht auf Defizite. In Ihrem Familienbetrieb muss es rentieren.
Unser Geld war schon immer im Hotel. Ich beziehe einen guten Direktorenlohn, that’s it. Wir zahlen nur minimale Dividenden aus, fast der ganze Gewinn fliesst wieder ins «Palace». Aber ich bin stolz, dass wir seit drei Generationen ein Luxushotel führen, das sich selbst finanziert und das überlebt. Was bringt mir Investorengeld? Dann mache ich wie andere Luxuskästen alles neu, mehr Trends – und wir verlieren als Hotel unsere Identität, unsere Patina.
Reicht das Kapital des Charmes auch in Zukunft?
Ich hoffe es. Es ist ja nicht nur der Charme. Qualität, Qualität, Qualität – das ist unser oberstes Prinzip. In diesen Tagen bekommen Sie bei uns kein Zimmer unter 2000 Franken pro Nacht. Wer das zahlt, will einen perfekten und individuellen Service. Die Hotellerie ist ein People’s Business. Das Persönliche ist wichtiger als ein Jacuzzi, der zwanzig Meter länger ist.
Interessenten, die das «Palace» kaufen wollen, gibt es sicher zuhauf.
Gerüchte, dass wir verkaufen, gibt es mehrmals jährlich. Wer sich in Gstaad an einer Party wichtigmachen will, sagt: «Hey, der Scherz verkauft.» Seriöse Anfragen sind viel seltener. Michael Jackson wollte das «Palace» einst kaufen. Mein Vater erklärte ihm, das komme nicht infrage. Jackson interessierte sich dann auch für eines unserer Chalets und rief bei uns zu Hause an, wegen der Zeitverschiebung mitten in der Nacht: «Hi, it’s Michael.» Mein Vater meinte, das sei ein Spässchen von mir, und hängte das Telefon einfach wieder auf.
Wieso verkaufen Sie nicht und leben wie Ihre Gäste?
Ich sehe hier viele Menschen, die tausendmal reicher sind als ich. Aber sind sie tausendmal glücklicher? Meist gilt: mehr Geld, mehr Probleme. Ich habe mit dem «Palace» etwas viel Wertvolleres: eine Lebensaufgabe. Am Morgen zieht mich das Hotel aus dem Bett. Was täte ich sonst? Ein paar Sportwagen kaufen und dann täglich überlegen, ob ich mit dem Aston oder dem Ferrari ausfahre? Eine Jacht samt Crew unterhalten, um eine Woche im Jahr über das Mittelmeer zu cruisen? Und dann kauft ein Kollege ein noch grösseres Boot?
Lehrt einen die Beobachtung des Luxuslebens Demut?
Am Schluss ist die Einfachheit am schönsten. Die Superreichen müssen permanent ihren Besitz und ihr Umfeld managen, sehen sich in Konkurrenz zu anderen Superreichen. Der grösste Feind der Menschheit ist das Ego.
Erleben Sie die Konkurrenz der Egos auch im Hotel?
Und wie! Sie können sich nicht vorstellen, wie etwa hier in der Lobby um die besten Tische gekämpft wird – vor und nach dem Abendessen. Da reagieren manche Gäste jähzornig. Ich wurde auch schon mitten in der Nacht aus dem Bett geklingelt, weil ein Paar keinen Platz fand.
Wie reagierten Sie da?
Ich habe ihnen erklärt, dass ich ein schlechter Schreiner sei und jetzt keinen Tisch basteln könne. Die Contenance bewahren, sich freundlich für die Unannehmlichkeit entschuldigen, das hilft meistens. Die grössten Probleme kommen immer zu mir. Dann kümmere ich mich darum.
Sie sind mit den schönen Dingen des Lebens betraut – und gleichzeitig mit seinen Abgründen.
Roman Polanski hat in seinem Film recht gut parodiert, wie abgründig das Leben von Superreichen sein kann. Die schwierigsten Gäste sind die mit den grössten Egos. Wehe, wenn sie nicht sofort bekommen, was sie verlangen, wenn sie nicht so gesehen werden, wie sie es gerne hätten. Gewisse Menschen sind skrupel- und empathielos.
Herr Scherz, wie sehen Sie die Zukunft des Schweizer Tourismus?
Die Schweiz wird international noch mehr zum Juwel werden. Es ist einzigartig schön und sicher hier. Dem müssen wir Sorge tragen. Wir sind zwar teuer in der Schweiz, aber es gibt auch immer mehr Reiche auf der Welt, die locker ein paar tausend Franken pro Tag ausgeben. Die Nachfrage nach Luxushotels wie dem «Palace» wird weiter zunehmen.
Auch wenn im Winter immer weniger Schnee fällt?
Das macht mir Sorgen, auch aus geschäftlichen Gründen: Die Nachfrage nach Gstaad im Winter wird rückläufig sein. Viele kommen zwar schon heute aus anderen Gründen als fürs Skifahren – sehen und gesehen werden, neue Kontakte knüpfen, Business machen. Und doch glaube ich: Gstaad ist immer schön, aber am schönsten in Weiss.