In Interlaken trifft sich das Who’s who des Schweizer Wintertourismus. Das Bewusstsein für die klimatischen Herausforderungen ist gewachsen.
Selten begreift sich die Schweiz stärker als Bergnation als im Januar. Wenn die ersten Schulklassen ins Skilager fahren, die Buben und Mädchen auswärts schlafen, den Stemmbogen lernen und ein paar Lektionen fürs Leben. Oder wenn in Adelboden und Wengen Zehntausende zu den Weltcup-Rennen pilgern.
Just zwischen diesen zwei Terminen haben Swiss Ski und die Bernischen Kraftwerke (BKW) in Interlaken erstmals den «Snow Summit» veranstaltet. Im Publikum sitzen Leute aus der Wirtschaft, aber auch der ehemalige Skirennfahrer Daniel Albrecht oder Aline Trede, die Fraktionspräsidentin der Grünen im Nationalrat.
Ernüchternde Zahlen
Zu Beginn sagt die Moderatorin: «Die klare Mission ist, dass es 2050 noch Schneesport gibt.» Neben ihr, auf den beiden grossen Bildschirmen, zeigen die Veranstalter die winterlichen Alpen, wie sie in fünfundzwanzig Jahren idealerweise aussehen sollen: zugeschneit, mit Windkraftanlagen unten und Solarpaneels oben.
Die Swiss-Ski- und BKW-Chefs auf der Bühne erzählen von einem optimierten Rennkalender, davon, wie man die VIP-Tribüne eines Weltcup-Rennens mit einer Photovoltaikanlage und eine Skisprungschanze mit LED-Lämpchen ausgestattet habe. Wenige Minuten später präsentiert Regula Mülchi, Klimatologin im Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie, in ihrem Referat die Zahlen zum Klima. Seit den sechziger und siebziger Jahren habe sich die Nullgradgrenze um drei- bis vierhundert Meter nach oben geschoben, bis 2050 könnte es nochmals ein Grad wärmer werden, die Schneetage würden weniger.
Thomas Bieger ist Professor für Betriebswirtschaftslehre und Tourismus an der Universität St. Gallen. Er sagt, die Zahl der skifahrenden Millennials werde nicht reichen, um die Babyboomer zu ersetzen. Die einheimischen Jungen stünden weniger auf den Ski, man müsse folglich mehr internationale Gäste anlocken oder aber vermehrt auf alternative Angebote setzen. Bieger spricht unter anderem von der «Feminisierung des Skifahrens»: langsamere Pisten oder Salatbuffets in den Restaurants. Auch geografisch verschiebt sich der Winter, wie Bieger sagt: «Weggis war früher ein reiner Tourismusort. Heute ist es ein Wohnort.»
Klimawandel in den Köpfen angekommen
Dass der Ernst der Lage langsam begriffen worden ist, zeigte sich bereits im vergangenen November, beim Mediengespräch von Schweiz Tourismus und dem Verband Seilbahnen Schweiz über die Zukunft des Wintertourismus. 92 Prozent der Bergbahnen würden den Klimawandel in ihrer Strategie berücksichtigen, erklärte damals Berno Stoffel, Direktor von Seilbahnen Schweiz. Stoffel hatte eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben, um den Ernst der Lage zu vermessen.
Auf dem Podium sass damals auch Reto Knutti, Klimatologe der ETH Zürich. Knutti sagte, er wolle die Situation «weder als Weltuntergangsszenario noch beschönigend» darstellen. Weiter oben in den Bergen könne immer noch guten Gewissens investiert werden, sagte Knutti. «Aber alle, die unterhalb von 1500 Metern sind, werden sich Gedanken machen müssen.»
«Grundlagentool» für die Skigebiete
Schweiz Tourismus und Seilbahnen Schweiz arbeiten deshalb an einem «Grundlagentool» namens «Schneekompass». Mithilfe der Wissenschaft sollen darin sämtliche für Skigebiete relevante Informationen gesammelt werden, namentlich Lawinendaten, Klimaszenarien oder Strategien für die verschiedenen Jahreszeiten. Die Idee: Das Wissen soll gebündelt werden, damit nicht jedes Skigebiet eine teure Studie anfertigen lassen muss.
Doch der Schnee bleibt wichtig. Punkt eins bei den von Seilbahnen und Schweiz Tourismus definierten «drei Stossrichtungen» lautete: «Schneesicherheit», also entweder in die Höhe zu gehen oder die Pisten künstlich zu beschneien. Zweitens aber wird empfohlen, sich im Winter vom Schnee unabhängig zu machen und alternative Freizeitaktivitäten anzubieten. Drittens sollte das Sommerangebot ausgebaut werden.
Fast trotzig hiess es an jenem Novembertag: «In den Schweizer Alpen wird weiterhin Ski gefahren.» Und der höchste Seilbähnler Stoffel versprach, dass der Sport nicht zur Eliteveranstaltung verkommt: «Ein Gast wird für eine Tageskarte nie 150 Franken bezahlen in der Schweiz. Das wird nicht geschehen.»
Das Bewusstsein für die klimatischen Herausforderungen ist gewachsen. Das zeigen die beiden Klimagipfel der Schneesportbranche vom November und von vergangenem Donnerstag. Kaum vorstellbar, dass vor zwanzig Jahren Klimatologen eingeladen worden wären.