Das Geld wird billiger in der Schweiz. Die Nationalbank hat ihren Zyklus sinkender Zinsen fortgesetzt und die Markterwartungen erfüllt. Wie es nun weitergeht, ist höchst unklar.
Es gab einmal Zeiten, da waren die Entscheidungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) so absehbar wie der Sonnenaufgang am Morgen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Seit ungefähr drei Jahren fällt es den Marktbeobachtern zunehmend schwer, die Schritte der SNB korrekt vorherzusagen. Die UBS hat errechnet, dass fünf der letzten zwölf Zinsentscheidungen von der Markterwartung abwichen. Wer eine Münze warf, war mit seinen Prognosen meistens ähnlich erfolgreich wie die Analysten mit ihren hochkomplexen Modellen.
Sinkende Gefahr von Deflation
Auch der Zinsentscheid vom Donnerstag fand vor dem Hintergrund grosser Unsicherheit statt. So gab es zwar gute Gründe für eine Beibehaltung des SNB-Leitzinses bei 0,5 Prozent. Eine Mehrheit der Ökonomen rechnete aber mit einer Fortsetzung des im März 2024 begonnenen Zyklus sinkender Zinsen. Für einmal hielt sich die SNB an die Mehrheitsmeinung und senkte den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 0,25 Prozent. Dies, nachdem sie im Dezember bereits eine ungewohnt starke Senkung um 0,5 Prozentpunkte beschlossen hatte.
Die im vergangenen Dezember deutlich nach unten korrigierten Inflationserwartungen werden von der Nationalbank nur minim angepasst. Für das laufende Jahr wird die Prognose von 0,3 Prozent auf 0,4 Prozent erhöht. Und für 2026 rechnet die SNB unverändert mit einer Teuerung von 0,8 Prozent, wobei den Prognosen die Annahme zugrunde liegt, dass der Leitzins unverändert bei 0,25 Prozent bleibt. Die SNB betont, dass die Inflation weiterhin vor allem von inländischen Dienstleistungen bestimmt wird.
Die SNB stand unter wenig Zugzwang. Denn ein Abrutschen der Inflation unter das Zielband von 0 bis 2 Prozent, wie dies noch vor wenigen Monaten befürchtet worden war, zeichnet sich nicht ab. Zwar ist die Teuerung im Februar im Vorjahresvergleich leicht auf 0,3 Prozent gesunken. Gegenüber dem Vormonat weist die Teuerung aber wieder nach oben. Das Risiko einer Deflation ist klein. Das zeigt auch die seit geraumer Zeit ziemlich stabil bei zirka 0,9 Prozent verharrende Kerninflation. Sie klammert die stark schwankenden Preise für Energie und Lebensmittel aus und gilt als zuverlässiger Indikator für den langfristigen Preistrend.
Schwacher Franken dank Europas Schuldenpolitik
Auch von den Wechselkursen geht derzeit kein Handlungsdruck aus. So hat sich der Franken in den letzten Monaten etwas abgeschwächt. Eine Flucht in den sicheren Hafen des Frankens ist trotz geopolitischer Turbulenzen nicht erkennbar. Der schwächere Franken führt dazu, dass die Importpreise nicht mehr gar so stark sinken wie zuletzt. Die inflationsdämpfende Wirkung der Importe nimmt damit ab. Das dürfte der SNB recht sein. Denn der geringe Aufwertungsdruck des Frankens sorgt dafür, dass sie weniger – oder gar nicht – am Devisenmarkt intervenieren muss.
Doch warum verliert der Franken gegenüber dem Euro an Wert? Ein wichtiger Grund sind die geplanten Militärausgaben der EU und das gigantische Schuldenpaket Deutschlands. Die Aushebelung der Schuldenbremse und die extrem expansive Finanzpolitik sind zwar wenig geeignet, das Vertrauen in den Euro langfristig zu stärken. Das Schuldenmachen führt aber zu höheren Anleihenzinsen im Euro-Raum. Und wenn das Geld im europäischen Ausland höher rentiert als in der Schweiz, schmälert dies die relative Attraktivität des Frankens.
Die USA sorgen für Verunsicherung
Offen bleibt, ob die SNB ihre Zinssenkungen in diesem Jahr weiter fortsetzen und allenfalls bald wieder zu Negativzinsen übergehen wird. Zwar schliesst die SNB eine Rückkehr zu Zinsen unter null nicht aus. Sie ist sich aber bewusst, dass dieses Instrument sehr unpopulär ist. Am Markt dominiert daher die Einschätzung, dass die SNB alles daransetzen wird, nicht erneut auf diese Massnahme zurückgreifen zu müssen. Folgt man dieser Einschätzung, würde der Leitzins somit auf absehbare Zeit auf dem aktuellen Niveau leicht über der Nullzinsgrenze verharren.
Ob sich die SNB an dieses Szenario hält, hängt unter anderem von der Konjunktur ab. Hier ist die Lage unübersichtlich. Einerseits könnte die amerikanische Zollpolitik die Weltwirtschaft und damit auch die Schweiz belasten. Anderseits wirken die riesigen Ausgabenpakete der europäischen Nachbarn konjunkturstimulierend. Während eine Eskalation des Zollstreits eher für sinkende Zinsen spräche, würde ein schuldenfinanzierter und allenfalls inflationärer Nachfrageschub in Europa höhere Zinsen nahelegen. Die Verunsicherung bleibt gross.