Die Kurse von Solaraktien wie Meyer Burger fallen immer weiter. Schuld ist ein Subventionswettlauf zwischen den Grossmächten, der Investitionen in das Segment unberechenbar macht.
Es ist schon merkwürdig. Die ganze Welt braucht grüne Energie, doch der Solarbranche geht es schlecht. Wie kann das sein? Am mangelnden Willen der Staaten liegt es zumindest nicht.
Im Jahr 2022 wurden laut der Internationalen Energieagentur weltweit Solaranlagen mit einer Leistung von rund 228 Gigawatt installiert. Damit wurden 34 Prozent mehr Solaranlagen gebaut als im Jahr zuvor. Und jedes Jahr kommen mehr Anlagen hinzu. Die Kapazitäten sind zwölf Mal so hoch wie 2012.
Weltweit wenden Regierungen Milliarden auf, um den Ausbau ihrer Solarkapazitäten zu subventionieren. Die Europäische Union möchte bis 2050 klimaneutral werden, China bis 2060. Für die Hersteller von Solaranlagen sind das eigentlich gute Nachrichten: Die Nachfrage nach Solarpanels ist gross – und sie wird es auf unabsehbare Zeit bleiben.
In den Aktienkursen der Unternehmen spiegelt sich das aber nicht wider. Der MAC-Global-Solar-Energy-Index bildet die Performance von 38 Unternehmen aus der Solarbranche weltweit ab. Seit Jahresbeginn hat der Index um die 15 Prozent an Wert verloren, innerhalb eines Jahres ist der Kurs um über 40 Prozent gesunken.
Hohe Nachfrage, sinkende Kurse
Manche Firmen haben in den vergangenen Monaten weniger Verluste verzeichnet als andere. Aber in den verschiedenen Weltregionen zeigt sich die gleiche Entwicklung: Obwohl es eine grosse Nachfrage nach Solarpanels gibt, sinken die Kurse.
Die Problematik lässt sich beispielhaft an Meyer Burger erklären. Der Fall des kleinen Solarmodul-Herstellers aus der Schweiz ist ein Lehrstück über die negativen Folgen von Subventionen und Protektionismus.
Die Börse hat Meyer Burger lange Zeit hoch bewertet. Und das, obwohl das Unternehmen vor allem Verluste auswies. Meyer Burger war die grosse Hoffnung der europäischen Solarindustrie. Seit Sommer 2023 ist der Kurs im freien Fall. Im Juli 2023 kostete die Aktie noch 60 Rappen, mittlerweile gibt es sie für weniger als 7 Rappen. Aus Meyer Burger ist ein Penny-Stock geworden.
Das liegt vor allem an der starken Konkurrenz. Die Module des Schweizer Herstellers produzieren zwar mehr Strom als die meisten Panels der Konkurrenten, doch die Produkte von Meyer Burger sind teuer. Im Preiskampf gegen die deutlich günstigeren Anbieter aus China nützt der technologische Vorteil wenig. Laut dem Preisindex der Handelsplattform pvXchange sind die Preise für Solarmodule zwischen Februar 2023 und Februar 2024 um etwa 50 Prozent gesunken.
Überkapazitäten und Protektionismus
China hat in den vergangenen Jahren eine gigantische Solarindustrie aufgebaut, auch dank staatlicher Unterstützung. Laut der Internationalen Energieagentur hat Peking seit 2011 über 50 Milliarden Dollar in seine Solarindustrie investiert und mehr als 300 000 Jobs geschaffen, heute hat China einen Anteil von über 80 Prozent in der weltweiten Solarindustrie.
Die USA haben daher den Marktzugang für chinesische Solarprodukte erschwert: Amerika erhebt nun Strafzölle, zugleich subventioniert es den Aufbau einer eigenen Solarindustrie im Rahmen der Inflation Reduction Act. Das Land sieht sich im geopolitischen Kampf gegen die industrielle Dominanz Chinas.
Die Europäische Union hat bisher keine Handelsbarrieren aufgebaut und gerät zwischen die Fronten des Handelskonflikts zwischen den beiden Grossmächten. Die Amerikaner kaufen weniger Solarmodule aus China, die Nachfrage sinkt. Trotzdem produzieren die chinesischen Hersteller so viel wie zuvor, es kommt zu Überkapazitäten. Mit ihrem Angebot drängen sie nun nach Europa, das von günstigen chinesischen Solarmodulen überschwemmt wird.
Mit Blick auf die Subventionen der anderen forderte Meyer Burger daher Staatshilfen, um mit der chinesischen Konkurrenz mithalten zu können. Ohne Erfolg. Jetzt schliesst Meyer Burger ein Werk in Ostdeutschland und baut zwei neue in den Vereinigten Staaten. Dort profitiert es von hohen Subventionen.
Analysten sehen Meyer Burger kritisch
Ob sich das Solarunternehmen dadurch retten kann, ist unter Fachleuten umstritten. Zumindest Alexander Koller ist optimistisch, der Analyst der Investmentbank Stifel sieht den Aufbau des US-Geschäftes als Chance für das Unternehmen. Durch die Subventionen der Regierung sei das Marktumfeld dort geschützter, zudem habe das Unternehmen bereits feste Lieferverträge mit anderen Unternehmen geschlossen. Koller empfiehlt die Aktie von Meyer Burger daher zum Kauf.
Die weitere Entwicklung sei jedoch schwer vorhersehbar, seine Einschätzung könne sich jeden Tag ändern. Meyer Burger braucht neue Investoren, um das Geschäft in den USA aufzubauen, die muss das Unternehmen noch finden. In seiner Einschätzung argumentiert der Stifel-Analyst auch ganz grundsätzlich: Meyer Burger habe die wirksamsten Solarmodule in Europa. Er sagt: «Es ist schwer vorstellbar für mich, dass man diese Technologie in Europa ganz aufgeben möchte.»
Wer im Wettstreit um die höchsten Subventionen nicht mitspielt, dem droht der Verlust seiner Industrie. China hat mit einer kräftigen staatlichen Unterstützung begonnen, die USA sind gefolgt. Europa ist noch unsicher, was es tun soll.
Europa will seine Märkte nicht abschotten
Bei einem Treffen der europäischen Energieminister Anfang März sagte die EU-Kommissarin für Energie, Kadri Simson, die Europäische Union müsse in Bedrängnis geratenen Herstellern von Solarmodulen helfen. Das Vorgehen der Vereinigten Staaten lehnte sie zugleich ab. Die Grenzen für ausländische Anbieter dürften nicht geschlossen werden. Europa sei auf deren Solarmodule angewiesen, um die eigenen Klimaziele zu erreichen.
In der Solarindustrie zeigt sich: Die Subventionen verzerren den Markt und machen dessen Entwicklung von politischen Entscheidungen abhängig, für Investoren wird er dadurch unberechenbar.
Die Zürcher Kantonalbank hat ihre Investitionen in Photovoltaik daher seit dem vergangenen Jahr reduziert, wie das Institut auf seiner Website schreibt. Der ZKB-Analyst Bernd Laux hält Meyer Burger für ein wenig aussichtsreiches Unternehmen. Er empfiehlt, die Aktie unterzugewichten. Er sagt: «Wir sehen an der Solarbranche, dass eine schnell wachsende Industrie nicht unbedingt ein attraktives Anlagesegment ist.»
Die Solarbranche steht vor einem Widerspruch. «Zurzeit ist es sinnvoller, in eine Solaranlage zu investieren als in eine Solaraktie», sagt Laux. Doch auch dabei gibt es ein Problem: die Installateure. Die fehlen nämlich. Allem Überangebot an Solarmodulen aus China und dem amerikanischen Protektionismus zum Trotz.