Wer als Ausländer in der Schweiz Sozialhilfe bezieht, muss unter Umständen das Land verlassen. Dagegen sollen sich Betroffene mithilfe der Stadt Zürich wehren können.
Ausländer, die in der Schweiz von der Sozialhilfe abhängig werden, bekommen möglicherweise Post vom Migrationsamt – es kann sein, dass ihr Aufenthaltsstatus tangiert wird. Die Spannbreite der Massnahmen reicht von einer Verwarnung bis zum Entzug des Aufenthaltsrechts.
Die Stadt Zürich will es Betroffenen nun einfacher machen, sich zur Wehr zu setzen. Im Rahmen eines Pilotprojekts finanziert das Sozialdepartement eine Rechtsberatung und einen Anwalt für den Gang vor Gericht. Dafür stellt die Stadt insgesamt 325 000 Franken über drei Jahre zur Verfügung.
Das Geld fliesst an den Verein Freiplatzaktion Zürich. In Anspruch nehmen können das Angebot Migranten aus Drittstaaten, also aus Ländern ausserhalb der EU und des Schengenraums. Die Bedingung ist, dass sie wegen der Sozialhilfe mit ausländerrechtlichen Massnahmen konfrontiert sind und nur über begrenzte eigene Mittel verfügen. Ausserdem darf ihr Fall nicht aussichtslos sein.
Etwa 25 Fälle pro Jahr
«Diese Art von Projekt gibt es noch nicht», sagt der Zürcher Sozialvorsteher Raphael Golta (SP). «Es gibt zwar verschiedene Beratungsstellen für die Sozialhilfe und für das Ausländerrecht, aber dass Rechtsfälle bis vor Gericht begleitet werden, ist neu.»
Eine Prozessfinanzierung bis zum Bundesgericht ist dabei nicht vorgesehen. Golta sagt, im Rahmen des Pilotprojekts würden Fälle bis vor das kantonale Verwaltungsgericht geführt. Die Mittel sollten für etwa 25 Fälle pro Jahr ausreichen. Wo es möglich ist, soll die unentgeltliche Prozessführung beantragt werden.
«Sollten wir feststellen, dass die Nachfrage deutlich grösser ist, werden wir prüfen, das Pilotprojekt aufzustocken», sagt Golta. Dabei sei es denkbar, dass neben der Freiplatzaktion künftig auch andere Organisationen unterstützt würden.
Die Frage ist, warum die Stadt Zürich überhaupt Rechtsbeistände finanziert. Das Sozialdepartement schreibt in seiner Mitteilung, es gehe darum, ein faires Rechtsverfahren sicherzustellen.
«Zu seinem Recht zu kommen, ist sehr anspruchsvoll», führt Raphael Golta im Gespräch mit der NZZ aus. «Wir sehen in der Praxis immer wieder Fälle, bei denen Betroffene gute Chancen gehabt hätten. Doch sie gelangten nicht an die richtigen Stellen oder verpassten Fristen und kamen so nicht zu ihrem Recht. Das sollte nicht sein. Sie brauchen Hilfe.»
SVP: «Eine neue Opfergruppe»
Aus seinen eigenen Reihen erhält der Zürcher Sozialvorsteher erwartungsgemäss Sukkurs. «Die Stadt Zürich geht einmal mehr voran, um besonders vulnerable Personen zu unterstützen», sagt die SP-Stadtparlamentarierin und Rechtsanwältin Fanny de Weck. Viele Betroffene könnten sich eine Rechtsberatung heute nicht leisten, was aus rechtlicher Perspektive problematisch sei. Das Pilotprojekt der Stadt könne einen wichtigen Beitrag leisten.
Anders beurteilt es die bürgerliche Seite. Ueli Bamert ist Co-Präsident der SVP der Stadt Zürich. Er sagt: «Mit diesem Unterstützungsangebot wird einmal mehr eine sehr spezifische neue Opfergruppe geschaffen, die mit Steuergeld unterstützt wird.» Das Ziel sei klar, die Aufnahme ungenügend integrierter Ausländer in der Stadt Zürich solle erleichtert werden, indem durch die Hintertür übergeordnetes Recht ausgehebelt werde.
Auch die städtische FDP steht dem Projekt skeptisch gegenüber. Es werde insinuiert, dass die Verknüpfung von Sozialhilfebezug und Aufenthaltserlaubnis rechtlich fraglich sei, sagt der freisinnige Stadtparlamentarier Patrik Brunner. «Dabei wurde das mehrfach vom Stimmvolk so gefordert und bestätigt.» Weiter schöpfe Golta alle Möglichkeiten seiner Befugnis aus, ohne in den politischen Prozess zu gehen.
Für Brunner erinnert das Vorhaben an ein früheres umstrittenes Projekt des Zürcher Sozialvorstehers, die sogenannte Basishilfe. 2021 eingeführt, richtete sich diese städtische Sonderzahlung an Migrantinnen und Migranten. Erstens an solche, die zwar Anspruch auf Sozialhilfe gehabt hätten, aber darauf verzichteten, aus Angst, dadurch ihre Aufenthaltsgenehmigung zu verlieren. Zweitens an Sans-Papiers, die ohnehin von der Sozialhilfe ausgeschlossen waren.
Die FDP ging damals gegen die Basishilfe vor den Bezirksrat. Die Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde gut, und die Stadtregierung musste die bereits angelaufenen Auszahlungen nach wenigen Monaten wieder einstellen.
Auch eine zweite Auflage der Basishilfe, 2023 von der rot-grünen Mehrheit im Stadtparlament beschlossen, wurde vom Bezirksrat als unzulässig eingestuft. Der Fall ist aber juristisch noch nicht erledigt, die Angelegenheit wurde weitergezogen und liegt derzeit beim Zürcher Regierungsrat.
Raphael Golta fällt immer wieder mit umstrittenen Geldverteilaktionen auf. So etwa mit einer Heizkostenzulage oder ÖV-Gutscheinen, beide gedacht für breite Teile der Stadtbevölkerung.
Manchmal will Golta auch Volksentscheide umstossen. Im letzten September lehnte es der Kanton Zürich an der Urne ab, vorläufig aufgenommenen Ausländern ohne Wartefrist Stipendien zu gewähren. In der Folge kündigte Golta an, in der Stadt Zürich trotzdem solche Unterstützungsbeiträge einzuführen.