Als Bürger habe er die gleichen Rechte wie jeder andere auch, so begründet Leutenegger seine Einsprache.
Als Filippo Leutenegger 2014 die Bühne der Zürcher Stadtpolitik betrat, übernahm er als Stadtrat den Verkehr. Leutenegger machte sich als Tiefbauvorsteher rasch einen Namen, er galt als umtriebig und volksnah – wobei ihn die Linken stets im Verdacht hatten, Veloprojekte zu verzögern. Nach vier Jahren wurde er von seinen linken Stadtratskollegen ins Schuldepartement strafversetzt.
Unter seinen Nachfolgern Richard Wolff (AL) und später Simone Brander (SP) hat der Wind bei der Verkehrspolitik in der Stadt Zürich gedreht. Der Parkplatzabbau steht ganz oben auf der Agenda. Der historische Parkplatzkompromiss in der Innenstadt wurde aufgekündigt, und mit dem Verkehrsrichtplan wurde die Grundlage für den grossflächigen Abbau von Parkplätzen in den Quartieren gelegt.
Nun ist Leutenegger persönlich von einem Abbau in seinem Wohnquartier betroffen. Und er wehrt sich.
«Das Bedürfnis ist eine Erfindung der Planer und existiert nicht»
Die Stadt will eine sogenannte Begegnungszone an der Hammerstrasse unweit des Hegibachplatzes in Zürich Hirslanden einrichten. 40 von 42 Parkplätzen müssen weichen. Dieses Verkehrsregime bedeutet, dass Automobilisten mit maximal 20 Kilometern pro Stunde unterwegs sein dürfen und Fussgänger Vortritt haben. Da keine baulichen Massnahmen nötig sind, ist nicht das Tiefbauamt zuständig, sondern das Sicherheitsdepartement von Karin Rykart (Grüne).
Leutenegger wird am Donnerstag ein Begehren um eine Neubeurteilung des Vorhabens einreichen, wie er gegenüber der NZZ sagt – nicht allein, sondern gemeinsam mit über 250 weiteren Anwohnerinnen und Anwohnern, die das Schreiben unterzeichnet haben. Sie fordern, dass die Stadt ersatzlos auf das Vorhaben verzichtet.
Im Begehren heisst es, die Hammerstrasse sei erst vor knapp zehn Jahren aufwendig saniert worden. Das heutige Verkehrsregime – mit Tempo 30 – funktioniere gut. Die geplante Begegnungszone hingegen sei willkürlich gewählt: Nur wenige Meter von der Hammerstrasse entfernt erstrecke sich der sogenannte Zürichsee-Rundweg, «wo sich alle Kinder und Familien auf der verkehrsfreien Strasse und auf dem grossen Kinderspielplatz aufhalten».
Das Bedürfnis nach Aufenthalt auf der Hammerstrasse «ist eine Erfindung der Planer und existiert nicht», steht weiter in der Rechtsschrift. Die Strasse sei steil und eigne sich überhaupt nicht für Spiel und Sport.
Weiter könnte das neue Verkehrsregime zu gefährlichen Situationen führen, wenn Kinder dort spielten, denn die Velofahrer seien bergab mit hohem Tempo unterwegs. Und aufgrund des Parkplatzabbaus sei mehr Suchverkehr im Quartier zu erwarten.
Leutenegger handelt als Bürger, nicht als Stadtrat
Ein Stadtrat, der eine Beschwerde gegen die Stadt einlegt, bewegt sich in einem gewissen Spannungsverhältnis – auch wenn er dies privat als Bürger tut. Dessen ist sich Leutenegger bewusst.
Er sagt: «Es ist ja kein Geheimnis, dass ich der Verkehrspolitik der Stadt kritisch gegenüberstehe. Aber in diesem Fall handle ich nicht als Stadtrat, sondern als Bürger. Wenn die Stadt vor unserer Haustüre etwas baut, was aus meiner Sicht keinen Sinn ergibt, habe ich die gleichen Rechte wie jeder andere.»
Aus Sicht des städtischen Rechtskonsulenten Andrea Töndury ist diese Begründung stimmig. Auf Anfrage der NZZ schreibt Töndury, einem amtierenden Stadtrat stünden als Privatperson alle Rechtsmittel offen. Voraussetzung sei, dass sein Privatbereich betroffen sei.
Und er müsse für das gesamte Rechtsmittelverfahren und insbesondere bei Diskussion und Beschlussfassung im Stadtrat in den Ausstand treten. Leutenegger sagt, dies werde er selbstverständlich tun.
Angestossen wurde die Begegnungszone von Quartierbewohnern, die sich an die Stadt gewandt haben. Mischa Schiwow, Co-Präsident des Quartiervereins Hirslanden und Alt-Stadtparlamentarier für die Alternative Liste, sagt, es gebe im Quartier zustimmende und ablehnende Stimmen. Das Anliegen der Anwohner stelle er deshalb nicht infrage.
Schiwow stört etwas anderes: dass der Quartierverein aus der Zeitung, konkret via Ausschreibung im «Tagblatt», von der geplanten Begegnungszone erfahren habe. Es gebe eine Vereinbarung mit der Stadt, die besagt, dass die Quartiervereine in solchen Fällen rechtzeitig informiert werden sollten.
Das Sicherheitsdepartement schreibt auf Anfrage, dies gelte nur bei Vorhaben, die für das ganze Quartier relevant seien. Dies sei hier nicht der Fall. «Wir schliessen aber nicht aus, aus dieser Kritik etwas zu lernen und künftig auch bei kleineren Projekten die Quartiervereine zu informieren.»
Im Rechtsbegehren an die Stadt schreiben die Anwohner von der «Respektlosigkeit der städtischen Verwaltung vor den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger» und dem Ziel, «die eigenen politischen Anliegen durchzudrücken».
Stadtbehörden, die am Quartierverein vorbeiplanen – das hätte es unter Filippo Leutenegger kaum gegeben. Freund wie Feind bescheinigten ihm damals als Tiefbauvorsteher, dass er sich konsequent vor Ort ein Bild gemacht und persönlich mit Anwohnern nach Kompromisslösungen gesucht habe. Das Vorgehen der Stadt dürfte Leuteneggers Motivation, den Rechtsweg zu beschreiten, zumindest nicht gemindert haben.