Eine Befragung unter städtischen Mitarbeiterinnen zeigt, dass fast zwei Drittel von ihnen regelmässig Schmerzen haben.
Die Stadt Zürich hat unter ihren Mitarbeiterinnen jüngst eine sehr persönliche Umfrage durchführen lassen: Sie sollten Auskunft geben über ihre Periodenschmerzen.
Hintergrund ist ein Vorstoss, den die linke Mehrheit des Parlaments im November 2022 an den Stadtrat überwiesen hat. Dieser sollte die Einführung eines Mens-Urlaubs prüfen. Frauen, die während der Menstruation unter starken Schmerzen leiden, sollen sich bis zu fünf Tage pro Monat bezahlt von der Arbeit dispensieren lassen können. Mitgemeint waren auch Trans- und nonbinäre Personen.
Um abzuklären, wie viele Frauen unter den monatlichen Beschwerden leiden, hat die Stadt das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern mit einer Befragung beauftragt. Angeschrieben wurden knapp 20 000 Personen, die als «weiblich» im Personaladministrationssystem der Stadt registriert sind und zum Zeitpunkt des Befragungsstarts bis 55 Jahre alt waren. Rund 10 000 antworteten.
Nun liegen die Ergebnisse vor, wie die Stadt am Freitag mitteilte. Gemäss diesen sind 63 Prozent der Befragten von regelmässigen und starken Schmerzen betroffen – jüngere Personen überdurchschnittlich oft. Die Mehrheit der befragten Mitarbeiterinnen, nämlich 61 Prozent, meldet sich aber bei Beschwerden weder krank, noch bleibt sie im Home-Office oder macht länger Pause.
Nur die Hälfte würde einen Mens-Dispens beanspruchen
Als Grund für ihre Abwesenheit geben zwei Drittel der Befragten nicht Mens-Beschwerden an, sondern etwa Kopf- oder Bauchschmerzen. 86 Prozent wünschen sich, dass am Arbeitsplatz offen über das Thema gesprochen werden kann. Die Stadt schliesst daraus, dass Periodenschmerzen oft tabuisiert würden.
Interessant ist, dass nur etwas mehr als die Hälfte der befragten Mitarbeiterinnen mit starken und regelmässigen Beschwerden einen Menstruationsurlaub in Anspruch nehmen würden, nämlich 52 Prozent. Die Zustimmung variiert ausserdem nach Alter und beruflicher Funktion. Jüngere Personen, Lernende und Praktikantinnen stimmen einer Nutzung eher zu, ältere Mitarbeiterinnen verneinen eher.
Gleichzeitig gab über die Hälfte aller Befragten mit regelmässigen Schmerzen an, die Beschwerden hätten in den letzten zwölf Monaten einen «starken bis sehr starken» negativen Einfluss auf ihre Leistung gehabt. 41 Prozent empfinden das Klima bei der Arbeit als nicht offen genug, um über Schmerzen zu sprechen, oder wollen am Arbeitsplatz nicht darüber reden.
Politisch ist der Mens-Urlaub hochumstritten. Die Bürgerlichen sehen darin schlicht keine Notwendigkeit, weil betroffene Mitarbeiterinnen sich bei Beschwerden schon heute krankmelden könnten. Der Dispens wird gar als Rückschritt für die Gleichberechtigung empfunden.
Als der entsprechende Vorstoss der Grünen im Stadtparlament diskutiert wurde, sagte die damalige SVP-Gemeinderätin und heutige Kantonsrätin Susanne Brunner: «Ich habe die Nase voll davon, dass wir von Links-Grün immer in die Opferrolle gedrängt werden.»
Die Linken hingegen zeigen sich hocherfreut über das Ergebnis der Befragung. Dieses zeige, dass Handlungsbedarf bestehe, teilten die Grünen am Freitag mit: «Der gesellschaftliche Umgang mit Menstruation und spezifisch mit starken Beschwerden während der Menstruation zeigt exemplarisch auf, wie Gesundheitsthemen, die vor allem Frauen betreffen, nach wie vor marginalisiert werden.»
Dispens «explizit nicht ausgeschlossen»
Kommt er denn nun, der Mens-Dispens? Der zuständige Stadtrat Daniel Leupi sagt, für einen definitiven Entscheid sei es noch zu früh. In erster Linie wolle man die Situation für die Betroffenen verbessern und eine offene Kommunikation zum Thema etablieren.
Die Mitarbeiterinnen sollten bei Beschwerden die Möglichkeiten von Home-Office, längeren Pausen oder Krankmeldung besser nutzen können. Eine Arbeitsgruppe soll diese und allfällige weitere Massnahmen im Dialog mit den Betroffenen entwickeln.
Leupi sagt, er hätte nicht damit gerechnet, dass so viele Mitarbeiterinnen von regelmässigen und starken Schmerzen betroffen seien. Einen Mens-Dispens schliesse er deshalb «explizit nicht aus».