Zug hat als erste Schweizer Stadt ein eigenes Metaverse. Die Stadt will mit der neuen Technologie eine Vorreiterrolle einnehmen. Eine langfristige Investition oder Geldverschwendung?
Die Stadt Zug hat jetzt eine digitale Parallelwelt. Die Stadtregierung hat vergangene Woche das «City of Zug Metaverse» präsentiert. Ein virtueller Raum für alle Zugerinnen und Zuger. Er kann per App oder Webbrowser aufgerufen werden. Für ein besonders intensives Erlebnis gibt es in der Stadtbibliothek Virtual-Reality-Brillen zum Ausleihen, wie die Stadt in einer Mitteilung schreibt.
Zug begibt sich damit ins Metaversum. Der Begriff steht für die Vision, in der man sich eine VR-Brille aufsetzt und sich als Avatar durch dreidimensionale Welten bewegt. Im Zuger Metaverse warten ein Auditorium mit Leinwand, ein Meeting-Raum, eine Rooftop-Bar, ein kleiner Park mit Teich und ein Ausblick über den See in die Berge.
Mit dem Avatar kann der Nutzer rennen, springen und einen Salto machen. Nur schwimmen funktioniert nicht. Wer in den Teich hüpft, fällt durch die Luft in Richtung Zugersee – und steht kurz darauf wieder im virtuellen Raum. An dessen Wänden hängen Bilder – das Stadtwappen und digitale Kunst. Das Auditorium bietet Platz für 90 Personen. Dort könnten sich künftig die Leute virtuell treffen oder hybride Veranstaltungen durchgeführt werden. Doch wer sich momentan durch das Metaverse bewegt, bleibt allein. Die Parallelwelt ist noch verlassen.
Das «City of Zug Metaverse» erinnert an Videospiele aus den 2000er Jahren. Die Grafik ist noch verbesserbar und auch sonst wartet auf die Entwickler des Prototyps wohl noch einige Arbeit. Und der Nutzer fragt sich: Wieso braucht die Stadt ein solches Projekt?
Zug folgt Städten wie Seoul oder Mumbai
Dieter Müller, Leiter Kommunikation bei der Stadt Zug, schreibt auf Anfrage: «Wir möchten als Innovations- und Digitalisierungsstandort zu den Vorreiterinnen zählen.» Das Metaverse biete neue Möglichkeiten für immersive Erlebnisse, digitale Services und interaktive Begegnungen. Es soll die Verwaltung verbessern, den Zugang zu Angeboten erleichtern und die Stadt als Technologiezentrum stärken.
Das Metaverse sei keine komplette Kopie der Stadt, sondern ein digitales Aushängeschild und eine Service-Plattform. Vereine, Gruppen und Einzelpersonen können verschiedene Räume der Stadt mieten. «Das Metaverse ist damit eine weitere Möglichkeit der Begegnung, der Beteiligung und des kreativen Austauschs», schreibt Müller.
Zug geht in der Schweiz damit voran. Sie ist die erste Schweizer Stadt mit einem eigenen Metaverse. Man wolle Erfahrungen sammeln und die Verwaltung auf die Zukunft vorbereiten, schreibt Müller. Weltweit setzen bereits mehrere Städte auf virtuelle Räume. Seoul, Sharjah, Mumbai und der karibische Inselstaat Barbados haben ihre eigenen virtuellen Parallelräume.
Bevölkerung sensibilisieren und Junge abholen
Die Wissenschaft ist vom Zuger Projekt angetan. Nathaly Tschanz, Professorin im Immersive Realities Center an der Hochschule Luzern, spricht von einer «innovativen Idee». Sie hat das Zuger Metaverse noch nicht selbst ausprobiert, lobt aber den Mut der Stadt. «Ein Wissensaufbau bei neuen Technologien findet nie von heute auf morgen statt. Innovationsprojekte wie diese tragen dazu bei, Erfahrungen zu sammeln.» Eine Erweiterung der Dienstleistungsangebote im virtuellen Raum biete zudem die Chance, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und jüngere Zielgruppen abzuholen.
Mit dem Projekt beweise Zug Pioniergeist. Neue Wege zu beschreiten, brauche immer Entschlossenheit, sagt Tschanz. «Aber nur so lassen sich wertvolle Erkenntnisse gewinnen, aus denen man lernen und Produkte und Dienstleistungen stetig weiterentwickeln kann.»
Doch kommt das Metaverse nicht etwas spät? Der grosse Hype brach vor vier Jahren aus. Facebook hatte sich in Meta umbenannt und dessen CEO Mark Zuckerberg kündigte an, dass das Unternehmen künftig stark auf das Metaverse setzen werde. Doch der Trend flachte schnell wieder ab. Viele Unternehmen haben ihre Pläne diesbezüglich wieder zurückgeschraubt, und Themen wie KI oder Nachhaltigkeit stehen inzwischen stärker im Fokus. Die Städte sehen ihr Metaverse hingegen mehr als eine langfristige Vision.
Das Metaverse der südkoreanischen Stadt Seoul ist beispielsweise schon so etwas wie ein E-Government. Es dient als eine digitale Erweiterung der Stadtverwaltung: Bürger können Behördengänge virtuell erledigen, an Beratungsgesprächen teilnehmen oder Services nutzen – bequem von zu Hause aus. Das Projekt ist in drei Phasen unterteilt und kostet die Stadt mehrere Milliarden Won.
«Gute Innovation gibt es nicht umsonst»
Von solchen Summen ist Zug weit weg. Die Stadt investiert rund 50 000 Franken in ihr Projekt. Sie trägt die Kosten allein. Es seien gegenwärtig auch keine Unternehmensbeteiligungen oder Sponsorings vorgesehen, schreibt Dieter Müller. Nathaly Tschanz hält die Summe für gerechtfertigt. Gute Innovation gebe es nie umsonst. «Ich denke, es geht der Stadt Zug mit dem Projekt insbesondere um den Aufbau von Wissen. Und daraus Erkenntnisse zu ziehen, wie man sich als moderne Stadt weiterentwickeln kann.»
Auch in Zug sieht man im Metaverse langfristige Vorteile. Die Stadt könne sich als innovativen Standort positionieren und das Metaverse diene als Testfeld für neue Dienstleistungen und Bürgerbeteiligungen.
Noch fehlen Zugriffszahlen oder Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Der Stadtrat plant eine schrittweise Einführung von Anwendungen. Danach folgt eine Auswertung. Sollte das Interesse gering sein, werde der Ausbau angepasst oder gestoppt.
Die Stadt hat den Grundstein für ihr Metaverse gelegt. Ob die digitale Zuger Parallelwelt eine langfristige Zukunft hat, wird sich aber erst noch zeigen.