Diverse Sparten der Schweizerischen Post schreiben rote Zahlen – und zwar seit Jahren. Das Versäumnis liegt aber weniger beim Management als bei der Politik. Sie hätte längst drei wichtige Sanierungsschritte einleiten sollen.
«Kei Luscht!» Damit wimmelte Ueli Maurer als Bundesrat einst Medienschaffende ab. Diesen Januar scheint dieser Spruch in Bern plötzlich Programm zu sein. Zuerst wollte Viola Amherd nicht mehr Bundesrätin sein. Postwendend erklärten zwei Kronfavoriten, ebenfalls keine Lust auf das Amt zu haben. Und dann folgte auch noch der Post-Chef Roberto Cirillo – ein Rücktritt, der jedoch wenig überrascht, denn der Job des obersten Pöstlers ist denkbar undankbar.
Das war nicht immer so. Der gelbe Riese war einst ein Vorzeige-Staatsbetrieb. Er hielt mit seiner komplexen Logistik das Land am Laufen, damals, als noch die meisten Informationen auf Papier übermittelt wurden. Doch diese Zeiten sind vorbei. Briefe schreibt man heute noch zu besonderen Anlässen von Hand. Sonst erhält man sie fast nur noch von Behörden und anderen Digitalisierungs-Nachzüglern.
Umsatz ist um 30 Prozent eingebrochen
Unser Alltag mit einer vollen E-Mail-Inbox spiegelt sich bei der Post mit leeren Briefkästen. Um die Jahrtausendwende erhielt jeder und jede von uns noch etwa 400 Briefe pro Jahr, in fünf Jahren sollen es nur noch 100 sein. Der Umsatz mit Briefen ist in der Schweiz denn auch innert weniger als zehn Jahren um 30 Prozent auf noch 1,5 Milliarden Franken eingebrochen.
Auch andere Bereiche des postalischen Service public entwickeln sich rückläufig. Oder wann waren Sie das letzte Mal in einer Postfiliale? Und wie oft haben Sie dabei Bargeld einbezahlt? Wenn Sie nun lange überlegen mussten: Sie sind nicht allein. Wurden im Jahr 2000 noch fast 260 Millionen Einzahlungen am Schalter erledigt, sind es mittlerweile weniger als 70 Millionen. Die Post schreibt im Filialgeschäft seit Jahren dunkelrote Zahlen.
Der gelbe Riese ist also kein Vorzeige-Staatsbetrieb mehr, sondern ein Sanierungsfall. Die Crux: Viele Politiker wollen das partout nicht wahrhaben. Und die Politik ist letztlich in der Verantwortung bei einem Betrieb, der zu 100 Prozent in Bundesbesitz steht. Will sie die fundamentalen Probleme nicht fundamental angehen, droht der Nachfolge von Cirillo ein Sisyphos-Job. Es gilt, gegenzusteuern, und zwar in drei Schritten.
Neue Sparte schreibt nur Verluste
Der erste Schritt scheint simpel: die Probleme beim Namen nennen. Doch beim Staatsbetrieb Post ist nicht einmal das einfach, denn hier werden partei- und regionalpolitische Befindlichkeiten über die düstere Realität gekleistert. Ohne diesen ersten Schritt geht jedoch nichts, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Es gilt, sich daher endlich bewusst zu werden, dass fünf vor zwölf längst vorbei ist.
Auch der zweite Schritt wäre in der Privatwirtschaft nur eine Randnotiz, nicht aber in Bundesbern: die Digitalisierung für voll nehmen. Im Hofladen wird mit Twint bezahlt, das Paket des Web-Shops wird mit QR-Code aus der Paketbox geholt, und Rechnungen werden über E-Mail verschickt. Vor diesem Hintergrund ist klar: Der postalische Service public muss grundlegend reformiert werden – das ist im Ausland übrigens längst passiert: In den vergangenen zehn Jahren haben zwanzig europäische Länder ihre Grundversorgung angepasst.
Der dritte Schritt wäre schliesslich auch in der Privatwirtschaft schwer: den Post-Konzern reorganisieren. Die Post ist heute ein Gemischtwarenladen, der jedem pflichtbewussten Verwaltungsrat Bauchschmerzen bereiten würde. So ist sie auch eine Bank, ein Busunternehmen, und seit ein paar Jahren bietet sie auch noch an: eine Einkaufslisten-App, Sozialhilfe- sowie Buchhaltungs-Software, Cybersecurity-Lösungen und sogar Werbevermarktung. Besonders problematisch: Diese neue Sparte hat bisher kumuliert nur für Verluste gesorgt.
Swisscom-Privatisierung als Vorbild
Natürlich kann man hier der Post-Führung Vorwürfe machen. Aber es ist die Politik, die ihr im veralteten Kerngeschäft die Hände bindet – und sonst freie Bahn lässt. Was dann im Management passiert, ist klar. Ebenso klar ist, was zu tun wäre: Die postfernen Bereiche gilt es abzuspalten und zu privatisieren. Dieses Vorgehen hat sogar ein gutes Vorbild: 1998 wurden die damaligen PTT aufgespalten, was zu einer erfolgreichen, teilprivatisierten Swisscom geführt hat.
Der Handlungsbedarf ist unbestritten. Seit 2018 verdient die Post ihre Kapitalkosten nicht mehr – salopp gesagt: Seit sieben Jahren schaut die Politik zu, wie Volksvermögen vernichtet wird. Höchste Zeit für eine Kurskorrektur. Denn auch die neue Post-Spitze wird es mit digitalen Angeboten auf einem hart umkämpften Markt nicht schaffen, defizitäre Altlasten zu finanzieren. Der französische Literat Albert Camus meinte zwar einst, dass man sich Sisyphos als glücklichen Menschen vorstellen müsse – doch ob das als Motivation für die Nachfolge von Cirillo reicht?