Taschenikone
Die nach der Stilikone Jacqueline Kennedy benannte Tasche «Jackie 1961» von der italienischen Luxusmarke Gucci ist gerade wieder überall zu sehen.
Was haben Grace Kelly, Prinzessin Diana und Jacqueline Kennedy gemeinsam? Sie zählen zu den wohl berühmtesten und am meisten fotografierten Frauen des zwanzigsten Jahrhunderts. Sie sind Stilikonen. Nach jeder von ihnen wurde eine Handtasche benannt: Die «Kelly» von Hermès, die «Lady Dior» (oder «Lady D») von Dior und «Jackie» von Gucci. Diese drei Modeaccessoires haben mittlerweile Kultstatus wie ihre Namensgeberinnen.
Das Gucci-Modell unterscheidet sich jedoch von den anderen beiden Modeklassikern. Denn während die beiden Entwürfe von Hermès und Dior eher damenhaft daherkommen, hat die «Jackie» von Gucci etwas Unbeschwerteres. Zum Ausdruck kommt dies vor allem auf Bildern der drei berühmten Schönheiten: Adrett hielten Kelly und Lady Di ihre Lieblingshandtaschen an den kurzen Henkeln in einer Hand. Bei Kennedy hingegen baumelte der Beutel stets lässig von der Schulter oder in der Armbeuge, die beiden Hände hatte sie gänzlich frei.
Auf den Schnappschüssen von Ron Galella und anderen Paparazzi verewigt, wurde die Tasche neben der grossen Sonnenbrille und dem Trenchcoat zu einem von Jackie Kennedy Onassis’ Markenzeichen.
Jackie Kennedy Onassis besass die Tasche in mehreren Ausführungen
Auf etlichen Fotos trägt sie das Modell bei sich, von dem sie verschiedene Versionen besass. An der Amalfiküste, wo sie zwischen 1969 und 1973 ihre Ferien verbrachte, oder zu Geschäftsterminen in London, Paris oder an ihrem Wohnsitz New York – stets war eine dieser Schultertaschen dabei, sei es aus Canvas mit Lederapplikationen, aus Wild- oder komplett aus Glattleder.
Im Grunde genommen ist diese Tasche die edle Ausführung einer simplen Beuteltasche. Das Design zeichnet sich durch eine flache Trapezform aus, mit verstärkenden Elementen an den gerundeten Ecken, dem Taschenboden sowie den Schulterhenkeln.
Ursprünglich mit Renaissance-Muster
Die Ursprünge der Gucci-Version liegen über sechzig Jahre zurück. Quellen besagen, dass die Florentiner Maison bereits 1955 ein Vorgängermodell unter dem Namen «Constance» lancierte. Laut dem im Rizzoli-Verlag von Gucci herausgegebenen Buch «Gucci. The Making Of» von 2011 wurde die Tasche im Jahr 1958 als Modell «G1097» entworfen. Die Silhouette war bei dieser Version noch etwas bauchiger, und in ersten Entwürfen wurden rote Lederdetails mit einem Canvas mit tapetenartigem Renaissance-Muster kombiniert.
Ein grosser Karabinerhaken zierte die Frontseite als dekorativer Verschluss. Nach schlichteren Ausführungen in unifarbenem Kalbs- und Pferdeleder folgte dann 1961 mit der «G1244» ein überarbeitetes Modell. Es war aus ecrufarbenem Canvas mit Applikationen aus braunem Wildschweinleder und unterschied sich durch den breiteren Taschenboden für mehr Fassungsvermögen sowie durch einen kolbenförmigen Verschluss anstelle des bisherigen Hakens. Ein grün-rot-grüner Webstreifen in der Mitte der Tasche – diskretes Erkennungszeichen des Herstellers – zierte zudem die Frontmitte.
Dass Jackie Kennedy Onassis nebst verschiedenen Varianten dieser Gucci-Tasche angeblich auch eine zum Verwechseln ähnlich aussehende «Trim»-Bag von Hermès trug, ist heute weniger bekannt. Dies hat wohl mit der Tatsache zu tun, dass Gucci die «G1244»-Tasche später in «Jackie» und das Vorgängermodell «G1097» in «Bouvier» umtaufte – eine Hommage an die prominente Kundin Jacqueline «Jackie» Kennedy Onassis, geborene Bouvier, und auch ein äusserst cleverer, da wirksamer Marketing-Schachzug.
Seither ist der Name Gucci nämlich eng mit der Stilikone verwoben. Vor allem im amerikanischen Markt kam die Schultertasche äusserst gut an. Auf die ersten, klassischen Ursprungsmodelle folgten bald weitere Ausführungen, etwa aus «Baiadera»-Canvas mit sommerlichen Sonnenstorenstreifen. In den späten 1970er Jahren folgte die Version mit dem ikonischen GG-Monogrammmuster.
Nachdem Gucci in den 1980er Jahren eine Flaute hatte überstehen müssen, erlebte der Brand ab Mitte der 1990er Jahre ein grosses Comeback als Luxusmarke. Unter dem Kreativdirektor Tom Ford wurde dann auch die «Jackie»-Tasche überarbeitet und 1999 in anderen Farben lanciert sowie mit neuem Verschluss: diesmal minimalistisch und rechteckig. Das Revival war ein Erfolg.
Zehn Jahre später brachte dann Tom Fords Nachfolgerin Frida Giannini für die dritte Generation der «Jackie»-Tasche den Kolbenverschluss zurück. Auch sie interpretierte die Kulttasche wieder neu: als ungefütterte, anschmiegsame «Jackie soft» oder aus exotischen Ledern, mit verlängerten Proportionen und seitlichen Lederquasten oder gar mit einem Bambus-Henkel, ganz im damals so angesagten Bohemian Chic.
Weitere zehn Jahre später folgte dann die «Jackie»-Generation Nummer vier: Unter dem grossen Gucci-Erneuerer Alessandro Michele hiess die Tasche ab dem Jahr 2020 «Jackie 1961» – damit sind die Reverenzen an «Jackie O’s» Jetset-Style der 1960er Jahre unmissverständlich. Das Taschendesign hingegen schrumpfte bei den neuen Modellen auf eine handliche Miniversion, die nun allerdings nicht mehr unter der Schulter tragbar war.
Zurück zum Karabinerverschluss
Und heute? Michele trat im Herbst 2021 von seinem Posten als Kreativdirektor zurück, der Neue ist Sabato De Sarno. Er läutete mit seinen ersten beiden Kollektionen für 2024 eine neue Stilära bei Gucci ein: Diese ist nun weniger barock, dafür aber deutlich diskreter. In seinen neuen Gucci-Kollektionen dienen die Accessoires als wichtiger Anker, allen voran die «Jackie 1961».
Dieses mondäne, über sechzigjährige Taschenmodell war sowohl beim Frauendefilee im September wie auch bei der Herrenmodenschau im Januar ein integraler Bestandteil der ersten Looks, die De Sarno über den Laufsteg schickte. Diese geben jeweils den Ton einer Kollektion an. Die Message ist somit klar: «Jackie» ist die grosse «focus bag» der Saison.
Einen Haken hat die Erneuerung, jedenfalls rein gestalterisch – nämlich in neuer Form des ursprünglichen Karabinerverschlusses der 1950er Jahre. Neu ist auch der längere Schulterriemen mit dem ikonischen grün-rot-grünen Webband. Ebenfalls neu gibt es die Miniversion nun auch als «Jackie Notte», eine Version für die Abendgarderobe in farbigem Pythonimitat, aus Satin mit glitzernden Strassverzierungen oder mit langer, schmucker Metallkette als Schulterriemen.
Gleichzeitig unterstreicht De Sarno den gegenwärtigen Trend zu lässigen Hobo-Taschen. Er legt nämlich ein weiteres Archivmodell neu auf: die schlichte, halbmondförmige «G1038»-Umhängetasche, die ab Ende der 1960er Jahre als Reisebegleiter beim Schauspieler Peter Sellers und beim Schriftsteller Samuel Beckett gesichtet wurde.
Seit Mitte der 1990er Jahre heisst sie nun «Hobo Bag», benannt nach dem englischen Begriff für Vagabund und angelehnt an Jack Kerouacs Lebensgefühl von Landstreicher-Freiheit. Und ganz in diesem Spirit ist dabei auch eine neue Maxiversion der «Jackie 1961».
Gut 95 Jahre nach der Geburt von Jackie Onassis Kennedy und fast dreissig Jahre nach ihrem Tod im Jahr 1994 wird nun auch die «Jackie»-Tasche selbst als eigenständige Stilikone gefeiert. Die Schultertasche ist für die Luxusmarke allerdings nicht nur eine Hommage an ihre Namensgeberin: Mit ihrer sattelartigen Form und den Metallschnallen, die an den Reitsport erinnern, wird sie auch als Ehrerbietung an den Firmengründer und einstigen Sattlermeister Guccio Gucci verstanden.
Neuausrichtung mit einem Link zur Historie, so lautet also die derzeitige Gucci-Devise. Der Flagship-Store in Mailand, der 1951 an der Via Monte Napoleone eröffnete, wurde frisch renoviert und widerspiegelt nun mit klaren Linien und modernen Designklassikern – Vico Magistrettis «Maralunga»-Sofa von Cassina oder Mario Bellinis «Le Bambole»-Sessel von B&B Italia – nicht nur Designer Sabato De Sarnos zeitgenössische Ästhetik.
Er huldigt auch der Vergangenheit: Gleich im Parterre befindet sich der sogenannte «Ancora Rosso»-Raum, eine Installation mit 150 Maquetten von «Jackie Notte»-Taschen, die in dem tiefen «Ancora»-Rot leuchten, das als neues Markenzeichen der über 120-jährigen Maison gilt.