Das Bezirksgericht Meilen hat einen heute 22-jährigen Schweizer zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 1 Monat verurteilt. Er hatte 2022 bei einem misslungenen Drogendeal einen 17-jährigen Portugiesen erstochen.
«Es war ein Drama, bei dem am Schluss nur Verlierer dastehen», fasst der Meilemer Gerichtspräsident Hanspeter Meister bei der Urteilseröffnung die Geschehnisse vom Oktober 2022 in Oetwil am See zusammen. Zu den Verlierern würden nebst den Beteiligten auch die Angehörigen zählen, die einen grossen Schmerz zu verarbeiten hätten.
Zwei junge Männer seien an jenem Abend losgezogen, um «mit machohaftem Gangster-Gehabe» zwei Drogendealer auszunehmen. Das sei schiefgegangen. Am Schluss sei einer tot, zwei seien lebensgefährlich verletzt gewesen, sagt Meister. Der vierte Mann und Hauptbeschuldigte wurde ebenfalls verletzt. Zwei Beteiligte sitzen seit zweieinhalb Jahren im Gefängnis.
Der 22-jährige hauptbeschuldigte Schweizer, welcher die Drogen organisiert hatte und verkaufen wollte, wird vom Bezirksgericht Meilen der vorsätzlichen Tötung und des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 5 Jahren und 1 Monat verurteilt. Es wird eine Massnahme für junge Erwachsene angeordnet. Der Staatsanwalt hatte 10 Jahre Freiheitsstrafe gefordert.
Der mitangeklagte 22-jährige Serbe, der beim Drogendeal eine Schreckschusspistole zog und die Dealer damit bedrohte, ist deshalb der versuchten Nötigung, des Raufhandels sowie der Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz und das Waffengesetz schuldig befunden worden. Beim Strafmass schwerer ins Gewicht fällt jedoch ein zusätzlicher Raub, den er im Mai 2021 im Bahnhof Enge verübt hatte. Für alles zusammen bekommt er eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 4 Monaten. Er wird für 5 Jahre des Landes verwiesen.
Es ging um ein halbes Kilogramm Marihuana
Der zweitägige Prozess gegen die beiden Männer hatte bereits vor drei Wochen stattgefunden. Die Ausgangslage: Am 1. Oktober 2022, spätabends nach 23 Uhr 15, trafen sich vier junge Männer in der Wohnung des 22-jährigen Schweizers in Oetwil am See. Es war abgemacht, dass er dem Serben 450 Gramm Marihuana zu einem Preis von 4000 bis 4500 Franken verkaufen sollte.
Ein heute 26-jähriger Schweizer lieferte die Drogen in die Wohnung. Der Serbe wurde von einem 17-jährigen Portugiesen begleitet, der das Drama schliesslich nicht überlebte. Nach der Flucht aus der Wohnung versteckte er sich unter einem Lastwagen und verblutete.
Das Gericht kommt zum Schluss, dass der Serbe und der Portugiese gemeinsam den Plan hatten, das Marihuana zu rauben. Der Serbe zog die Schreckschusspistole als Druckmittel. Der Portugiese nahm ein Jagdmesser hervor. Laut Gerichtspräsident Meister gibt es keine Hinweise darauf, dass die beiden Schweizer ebenfalls den Plan hatten, die beiden Kontrahenten auszurauben, wie am Prozess mehrfach ins Feld geführt worden war.
Für das Gericht sei aber nicht erwiesen, dass der Serbe vom Messer des Portugiesen überhaupt gewusst habe, das sei nur Spekulation. Das Vorgehen des Serben sei deshalb rechtlich eine versuchte Nötigung. Gemäss Schweizer Recht könne man illegale Drogen nicht rauben, deshalb falle der Raubstraftatbestand hier weg, erklärt der Richter Meister.
Der 22-jährige Schweizer habe dann dem Portugiesen das Messer abgenommen. Für das Gericht sei erwiesen, dass nur er mit dem Messer dem Serben zwei Stiche und dem Portugiesen vier Stiche zugefügt habe. Das ergebe sich aus den DNA-Spuren. Der Schweizer müsse das Messer bewusst, gezielt und mit Wucht eingesetzt haben. Es seien Stiche und keine Schnitte. Ein gegenseitiges Gerangel, wie am Prozess ausgeführt worden war, schliesse das Gericht aus.
Der Serbe sei allerdings immer noch mit der Pistole bewaffnet gewesen. Es gebe keine Hinweise dafür, dass der Schweizer die unechte Waffe als solche erkannt habe. Deshalb habe er sich in Lebensgefahr gewähnt, gegenüber dem Serben in gerechtfertigter Notwehr gehandelt und bleibe für diesen Teil der Tat straffrei, auch für den Stich in den Rücken des Serben. Der Schweizer wird vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung des Serben freigesprochen.
Der Portugiese hingegen sei zu diesem Zeitpunkt unbewaffnet gewesen. Bei den tödlichen Stichen gegen ihn handle es sich um einen nicht entschuldbaren Notwehrexzess. Es sei eine Kurzschlussreaktion und keine geplante Tat gewesen. Dem Schweizer wird wegen seiner damaligen Cannabisabhängigkeit und einer Persönlichkeitsstörung eine leicht verminderte Schuldfähigkeit zugebilligt.
Mitverschulden der Opfer
Mehrere Fragen hat auch das Gericht nicht klären können. Etwa wer dem 26-jährigen Schweizer den lebensgefährlichen Stich in dessen Oberschenkel zugefügt hat. Der Serbe sei es sicher nicht gewesen. Denn dieser habe kein Messer in der Hand gehabt. Weil der Serbe aber Auslöser des Dramas gewesen war, wurde er zusätzlich des Raufhandels schuldig befunden. Er habe damit rechnen müssen, dass es zu Verletzungen kommen könnte.
Der Richter Meister spricht von einem «hinterhältigen Vorgehen». Zuerst habe man in der Wohnung mit den Opfern des geplanten Überfalls «auf Kumpel gemacht». Dass der Serbe schliesslich verletzt worden sei, habe er sich selber zuzuschreiben. Deshalb wurde auch sein Genugtuungsbegehren von 85 000 Franken abgewiesen.
Sein Landesverweis ist für das Gericht ein klarer Fall. Der Serbe, der in der Schweiz aufgewachsen ist, aber immer noch Status F (vorläufig Aufgenommener) hat, sei nicht wirklich wirtschaftlich integriert und sei von der Schweiz immer wieder unterstützt worden. Aus Vorstrafen habe er nichts gelernt. Er sei zwar ein Grenzfall in Bezug auf einen Härtefall. Das öffentliche Interesse am Landesverweis sei aber klar grösser zu gewichten als seine privaten Interessen. Schon im Alter von 17 Jahren habe er einen ersten Raubüberfall verübt.
Weil er bereits 904 Tage und damit mehr als zwei Drittel seiner Strafe abgesessen hat, wird er unverzüglich aus dem vorzeitigen Strafvollzug entlassen. Eine Fluchtgefahr sehe das Gericht nicht.
Die Mutter des getöteten Portugiesen hatte 45 000 Franken Genugtuung beantragt. Sie erhält 15 000 Franken zugesprochen. Ein Selbstverschulden der getöteten Person müsse dabei mitberücksichtigt werden, erklärt Meister. Der Bruder des Verstorbenen erhält 4000 Franken Genugtuung.
Urteile DG240009 und DG240010 vom 19. 3. 2025, noch nicht rechtskräftig.