Der Bundesrat tritt an, um über neue Kapitalregeln für systemrelevante Banken zu entscheiden. Bei der UBS ist die Angst gross, dass man sie mit maximalen Forderungen für ihre Grösse bestrafen wird.
Die Debatte um die UBS verschärft sich. Besonders strittig: die künftige Kapitalausstattung der Grossbank. Für die UBS könnte es richtig teuer werden. Nach Vorliegen des Berichts der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum Untergang der Credit Suisse ist nun der Bundesrat am Zug. Dieser hatte bereits in seinem Bericht zur Bankenstabilität vom April 2024 klargemacht, dass er als Teil eines Massnahmenpakets nach der CS-Krise höhere Kapitalanforderungen für die einzige verbliebene Grossbank des Landes prüfe.
Für Politik und Behörden gilt als ausgemacht, dass die UBS auch in Zukunft sicher sein muss und die Bank im Notfall abgewickelt werden kann. Dazu will der Bundesrat, dass systemrelevante Banken für ihre ausländischen Beteiligungen mehr Eigenkapital halten müssen. Geriete die UBS in Schieflage, könnten diese Beteiligungen einfacher abgetrennt und verkauft werden.
Das klingt sinnvoll, doch die Gratwanderung zwischen Sicherheit für den Schweizer Steuerzahler und Wettbewerbsfähigkeit einer global agierenden Grossbank ist schwierig. Zurzeit muss eine systemrelevante Bank ihre Auslandstöchter mit rund 60 Prozent Kapital besichern. Der Bundesrat zieht in Betracht, dass die UBS diese im Stammhaus mit 100 Prozent ihres Werts absichern muss, diese Auslandsbeteiligungen also vollständig mit Eigenkapital unterlegt.
Diese zusätzliche Absicherung erschwert den Ausbau des Geschäfts im Ausland und ist für die UBS sehr teuer. Die Finanzministerin Karin Keller-Sutter bezifferte nach Veröffentlichung des Bundesratsberichts den zusätzlichen Kapitalbedarf der Grossbank auf zwischen 15 und 25 Milliarden Dollar, zuzüglich des Kapitals, das die UBS aus regulatorischen Gründen ohnehin aufbauen muss.
Kein Dialog mit Keller-Sutter
Bereits jetzt muss die UBS gemäss «Too big to fail»-Regeln Kapital aufbauen, unter anderem weil ihr Marktanteil mit der CS-Übernahme in der Schweiz gestiegen ist. Die Finma hat ihr dafür eine Übergangsfrist bis 2030 gewährt. Hinzu kommt das Regelwerk «Basel III final», welches in der Schweiz seit Anfang Jahr gilt. «Diese beiden Punkte alleine erhöhen den Kapitalbedarf der UBS schon einmal um 19 Milliarden Dollar», sagt Andreas Venditti, Analyst bei Vontobel. Das sei bereits eine Verschärfung der Eigenkapitalregeln, die Auflagen des Bundesrats noch nicht eingerechnet.
Keller-Sutter ist seit dem Bundesratsbericht nicht konkreter geworden, was zusätzliche Forderungen an die UBS betrifft. Zudem geht die Finanzministerin auf Distanz. Der Dialog zwischen ihr und der UBS sei abgerissen, ist aus dem Innern der Bank zu hören. Dem Vernehmen nach wird die UBS in Bern angehört, aber nicht in die Verhandlungen einbezogen. Das sorgt bei der Bankführung für Unbehagen. Das Finanzdepartement kommentiert auf Anfrage die Kontakte zur UBS nicht.
Derzeit arbeitet das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) im Auftrag des Finanzministeriums eine Änderung der Eigenmittelverordnung aus. Den Vernehmlassungsentwurf will der Bundesrat im Mai präsentieren. Linke Politiker befürchten, dass die Regeln im Parlament aufgeweicht werden könnten, auch wegen des Lobbyings der Banken.
Der UBS droht dennoch eine drastische Verschärfung der Kapitalregeln. Zumindest wenn die Aussagen von Politikern und Behördenvertretern als Gradmesser dienen. So forderte etwa Stefan Walter, der Chef der Finanzmarktaufsicht (Finma), kurz nach Amtsantritt im Mai eine vollständige Kapitalisierung der Auslandstöchter der UBS, sprich, dass diese mit 100 statt 60 Prozent Kapital besichert würden.
Mehr Kapital belastet Schweizer Haushalte
Dagegen wehrt sich der Bankchef Sergio Ermotti vehement. Mehr Kapital würde Bankdienstleistungen verteuern und die Wettbewerbsfähigkeit der Bank sowie des Schweizer Finanzplatzes schmälern, sagte er am Rande des Weltwirtschaftsforums (WEF) in Davos. Die UBS werde bestraft, weil sie bei der CS-Notfusion ein Teil der Lösung gewesen sei, meint der Tessiner.
In einer Stellungnahme schreibt die UBS, dass die Höhe der heutigen Kapitalanforderungen «gut» sei. Die Bank habe bereits die höchsten minimalen Kapitalanforderungen für global systemrelevante Banken. Eine Erhöhung der Kapitalanforderungen würde nicht nur die UBS weniger wettbewerbsfähig machen, sondern auch die Kreditkonditionen für Schweizer Haushalte und Unternehmen verschlechtern.
An einem Branchenanlass in Zürich nannte Ermotti die Auflage einer vollständigen Unterlegung der Auslandbeteiligungen «total übertrieben». Eine regulatorische Lösung, die die internationale Präsenz der Bank bestrafe, habe keinen Sinn. Die Kapitalfrage sei keine Debatte, sondern eine Art «Propaganda» von Wissenschaft und Medien, die hauptsächlich die Risiken in den Vordergrund stellten.
Der SVP-Nationalrat Thomas Matter sieht die internationale Wettbewerbsfähigkeit der UBS ebenfalls ernsthaft gefährdet, sollte diese ihre Auslandbeteiligungen voll mit Eigenkapital unterlegen müssen. Er sei überzeugt, dass die UBS dann ihren Hauptsitz ins Ausland verlegen werde. Matter schlägt vor, die Anforderungen für ausländische Beteiligungen abhängig von der Art des Geschäfts, das diese betreiben, zu gestalten. «Bei einer Investmentbank sollten diese höher liegen als bei einer ausländischen Beteiligung, die hauptsächlich in der Vermögensverwaltung tätig ist», sagt er. Dieses Geschäft sei risikoärmer.
Matter will zudem den Vorschlag einbringen, dass systemrelevante Banken wie die UBS generell ihre risikogewichteten Aktiven in der Investmentbank auf 30 Prozent begrenzen müssten. Zum Vergleich: Im Krisenjahr 2007 teilte die UBS diesem Geschäftsbereich mehr als das Doppelte davon zu. Dem Vernehmen nach ist die UBS bereit, sich auf eine solche Begrenzung einzulassen.
«Die UBS kann das stemmen»
Die Eigenmittelverordnung ist erst am Entstehen, doch die Angst der UBS vor einer Maximalvariante ist gross. Höhere Kapitalanforderungen würden nicht nur das Risikoprofil verändern, sondern auch Profitabilität, Organisation und Attraktivität der Bank an der Börse beeinflussen – zuungunsten der Bank, ist man bei der UBS überzeugt.
Die Attraktivität der UBS bei Anlegern zeigt sich im Aktienkurs. Dieser stieg im Nachgang der CS-Übernahme stark, doch monatelang kam er nicht vom Fleck. Für Johann Scholtz, Analyst bei Morningstar, ist die ungeklärte Kapitalfrage das grösste Risiko, das auf den UBS-Aktien lastet. Erschwerend kommt hinzu, dass, wenn die UBS künftig hohe Kapitalanforderungen erfüllen müsste, Aktienrückkäufe oder eine Dividende verunmöglicht werden könnten. «Das würde die Aktie stark belasten», äussert er seine Überzeugung.
Bereits heute hat die UBS im europäischen Vergleich eine sehr robuste Kapitalbasis. Bei maximalen Auflagen wäre die UBS mit grossem Abstand am besten kapitalisiert. Wobei gemäss Scholtz die Regulatoren eine zu enge Sicht auf die Kapitalausstattung pflegen. Das Beispiel Credit Suisse habe gezeigt, dass Geschäftsmodell, Liquidität und Kultur genauso wichtig für die Sicherheit sind wie das Kapital.
Analysten rechnen die Auswirkungen strengerer Kapitalauflagen bereits durch. «Unser Basisszenario ist, dass die UBS ihre ausländischen Tochtergesellschaften im Stammhaus zu 100 Prozent mit Kapital wird unterlegen müssen», sagt Michael Klien, Analyst der ZKB. Ein Grund für Panik sei das aber nicht. «Die UBS kann diese zusätzlichen Anforderungen stemmen», sagt er.
In der Gruppe sei bereits Kapital vorhanden, es werde auch zusätzliches erwirtschaftet. Dieses kann im Laufe der Zeit im Stammhaus angesammelt werden, ohne dass zusätzliches Kapital aufgenommen werden muss. So sollen in Grossbritannien in der ehemaligen Credit Suisse International bis zu 13 Milliarden Dollar stecken, ebenso liege in amerikanischen Gesellschaften Kapital brach.
«Ernsthaft überlegen, den Sitz zu verlegen»
Die Auswirkungen schärferer Eigenkapitalregeln sind schwierig abzuschätzen. «Müssen ausländische Beteiligungen mit mehr Kapital unterlegt werden, kann sich die Grossbank beispielsweise anders organisieren und überlegen, welche Geschäfte sie noch tätigt und wo sie diese buchen will», sagt Venditti.
Entscheidet sich der Bundesrat für die Maximalvariante von zusätzlichen 25 Milliarden, müsste die UBS ihr hartes Eigenkapital um rund einen Drittel erhöhen. Je nach Bedingungen könnte dies laut Venditti drastische Massnahmen erfordern. So müsste die UBS beispielsweise ihr Kreditbuch, den grössten Bilanzposten, stark verkleinern. Sie würde gewisse Geschäfte nicht mehr anbieten können, weil diese nicht mehr konkurrenzfähig sind. «Konsequenterweise müsste sie sich ernsthaft überlegen, den Sitz zu verlegen», sagt er.
Bei der UBS ist ein Wegzug derzeit noch kein Thema. «Swissness» sei hilfreich für die Bank und man wolle bis zur letzten Minute Argumente vorbringen, damit nicht nur die Risiken, sondern auch die Vorzüge der UBS besser verstanden würden, sagte Ermotti am WEF. Gleichzeitig sind Szenarien in Arbeit, die alternative Standorte für die Grossbank prüfen.
Das Verständnis der Investoren für einen «Swiss Finish» hat aber auch Grenzen: Sie erwarten bei der UBS eine Kapitalkostenquote von mindestens 10 Prozent. «Schafft sie das nicht, dann vernichtet die Bank Wert», sagt Klien. Dann lohne es sich für Aktionäre nicht mehr, in die Aktien zu investieren. Das kann nicht im Interesse der Schweiz sein.