Die Grossbank will mit den betroffenen Superreichen endlich wieder übers Geschäft statt über Altlasten sprechen. Doch die UBS selbst wird sich noch lange mit dem Greensill-Skandal herumschlagen müssen; etwa in den Kohlebergen von West Virginia.
Vor dreieinhalb Jahren ist Greensill Capital, die Finanzgesellschaft des undurchsichtigen Unternehmers Lex Greensill, pleitegegangen und hat 1200 wichtige CS-Kunden ins Elend gestürzt. Sie hatten insgesamt 10 Milliarden Dollar in vier Greensill-Fonds investiert; Geld, das nun plötzlich blockiert war. Niemand wusste, wie viel sie davon wiedersehen würden.
Die UBS hat sowohl die Problem-Fonds als auch die betroffenen Kunden der CS geerbt – und will das leidige Thema jetzt mit einem Deal aus der Welt schaffen, wie sie am Montag mitteilte. Die Grossbank kauft die Fondsanteile zu 90 Prozent des ursprünglichen Werts zurück. Die Kunden müssen also einen Abschlag von 10 Prozent auf ihrer Forderung verbuchen. Dafür können sie ihr verbleibendes Geld, das heute teilweise noch immer blockiert ist, neu investieren.
900 Millionen Dollar Rückstellungen
Das Angebot der UBS gilt bis Ende Juli. Niemand wird gezwungen, seine Fondsanteile abzutreten. Aber die Kunden erhielten Ruhe und könnten alle Risiken der Bank abtreten. Technisch gesehen ist es die CS-Fondsgesellschaft, welche die Anteile zurückkauft – aber finanziell trägt jetzt die UBS die Konsequenzen, sollte sie es nicht schaffen, diese rund 90 Prozent der ursprünglichen Fondsgelder einzutreiben.
Die UBS hat gleichzeitig bekanntgegeben, dass sie wegen des Angebots im zweiten Quartal Rückstellungen von 900 Millionen Dollar vornimmt. Genauer gesagt: Dem Stammhaus (UBS AG) werden nun Rückstellungen zugewiesen, welche die UBS-Gruppe (UBS Group AG) bereits 2023 bei der Übernahme der CS für die Beilegung offener Altlasten gebildet hat. Die Rückstellungen werden sich daher weder auf die Kapitalisierung noch auf das Finanzergebnis der UBS-Gruppe auswirken.
Innerhalb der UBS werden die Greensill-Fonds dem «Non-Core- und Legacy-Portfolio» angerechnet, das umgangssprachlich auch als «Abwrackeinheit» für CS-Altlasten bezeichnet wird. Die Leiterin dieser Einheit, Beatriz Martin, gilt als mögliche Nachfolgerin des UBS-Chefs Sergio Ermotti.
Für die UBS lohnt sich der Deal mit den Kunden insofern, als die Greensill-Geschichte nicht mehr die Gespräche mit den betroffenen Superreichen vergiften wird. Bei diesen handelt es sich in der Regel um profitable Kunden, welche die Bank auch in Zukunft betreuen will.
Die UBS als Geldeintreiberin
Der Lieferketten-Finanzierer Greensill Capital hatte offene Rechnungen mit einem Abschlag gekauft und in Fonds gepackt, die dann an die CS-Kunden weitervermittelt wurden. Diese Fonds wurden als sicher angepriesen. Später stellte sich aber heraus, dass Greensill manchen Schuldnern unorthodoxe und auch langfristige Kredite gewährte, die mit eigentlicher Lieferketten-Finanzierung nicht viel zu tun hatten.
Es ist anzunehmen, dass ein Grossteil der Kunden das UBS-Angebot wahrnimmt und die Greensill-Fondsanteile abtritt. Von jetzt an wird die UBS daher für die eigene Rechnung auf die säumigen Schuldner losgehen, nicht mehr im Auftrag der CS-Kunden.
Sie muss dann aber auch die Kosten dieses «Inkasso spezial» tragen: 321 Millionen Dollar rechnet die UBS derzeit bis 2031 dafür ein. Es können auch deutlich mehr oder weniger werden, das kommt stark auf die Strategie an, mit welcher die Bank die Gelder zurückholen will. 53 Prozent der Summe sind allein für Rechtsberater vorgemerkt, 31 Prozent für Versicherungsbroker und -berater. Die Geldforderungen werden also nicht mit dem Baseballschläger, sondern vor Gericht eingetrieben.
In erster Linie verhandelt die UBS mit den Schuldnern selbst. Erst wenn sich abzeichnet, dass diese nicht zahlen können, darf die UBS die Versicherer belangen, welche die Greensill-Produkte mit einer Art Ausfallgarantie ausgestattet haben. Stark umstritten ist allerdings, ob Greensill gegenüber den Versicherern mit offenen Karten spielte und seinerseits die Bedingungen erfüllte; und ob folglich die Versicherungsdeckung überhaupt zustande kam.
Rechtsstreit in den Appalachen
Zunächst hat die UBS mit den Schuldnern direkt noch allerhand zu tun. Gemäss der letzten Information von April 2024 fehlen weiterhin 2,6 von 10 Milliarden Dollar in den CS-Greensill-Töpfen. In den vergangenen zwei Jahren ist nur noch sehr wenig Geld zurückgeflossen.
2 Milliarden sind allein bei drei grossen Schuldnern ausstehend: Beim verzweigten britischen Rohstoffkonglomerat GFG Alliance, beim gescheiterten Bauunternehmen Katerra, das dem japanischen Softbank-Imperium von Masayoshi Son nahestand, und bei Bluestone Resources.
Dabei handelt es sich um einen Betreiber von Kohleminen aus dem Firmenreich des Amerikaners Jim Justice – ein bekannter Unternehmer und der Gouverneur des US-Gliedstaats West Virginia. Bluestone soll den CS-Fonds rund 690 Millionen Dollar schulden. Die Verhandlungen sind bisher harzig verlaufen.
Die UBS ist nicht die einzige Bank, bei der Justices Firmen Schulden haben. So streitet sie sich seit Februar mit der Carter Bank, einer Regionalbank aus Virginia, darum, wer als Erstes Zugriff auf die Vermögenswerte aus dem Reich des Gouverneurs erhalten sollte. Darunter befindet sich etwa ein riesiges Luxushotel mitten im Niemandsland in West Virginia.
Die UBS kann zwar ihren Kunden die Greensill-Sorgen abkaufen; die Bank selbst wird sich damit noch jahrelang herumschlagen müssen.